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saargeschichte|n 57<br />
die ›Großstadt‹. Da war nicht nur das eine Kaffee,<br />
sondern das schöne Schloßkaffee am Wasser, wo<br />
man interessante durchreisende Menschen sah.«<br />
Vermutlich in diesem Szene-Café dürften sich<br />
der expressionistische Lyriker und der böhmische<br />
Komponist und Pianist Schulhoff begegnet<br />
sein. Dieser, damals ein Anhänger des Dadaismus,<br />
hatte am 15. Oktober 1920 eine Stelle als Klavierlehrer<br />
an einem privaten Saarbrücker Konservatorium<br />
angetreten; zwei Unangepasste, bis 1922<br />
in die Diaspora verbannt.<br />
Kennengelernt hatten sich die beiden schon früher.<br />
Denn der damals in Dresden lebende Schulhoff<br />
hatte gute Kontakte in die Künstlerszene<br />
Kölns und Düsseldorfs, etwa zu Otto Dix, der mit<br />
Schulhoffs Schwester Viola liiert war. Dix porträtierte<br />
Hans Koch sowie den Komponisten, der<br />
seinerseits von Dix das Gemälde »Billardspieler«<br />
erwarb .<br />
In der Erwin-Schulhoff-Sammlung im Archiv der<br />
Berliner Akademie der Künste ist die Partitur<br />
»Landschaften op. 26: Fünf Gedichte von Johannes<br />
Theodor Kuhlemann« archiviert mit der Datumsangabe<br />
»23. August 1918«. Schulhoff kannte also<br />
Kuhlemanns Lyrik, zumindest den Zyklus »Das<br />
Herz« und dessen Landschaftsgedichte, bereits<br />
ein Jahr vor der Veröffentlichung. Opus 26 ist eine<br />
Symphonie für Mezzosopranstimme und Orchester.<br />
Vermutlich waren sich die beiden Künstler sogar<br />
schon früher begegnet; denn in dem von Klaus<br />
Simon im Schott-Verlag herausgegebenen Schulhoff-Werk<br />
»Sämtliche Lieder, Bd. 2, Frühe Lieder<br />
II (1911–1915)« findet sich bereits eine Vertonung<br />
des Textes »Der Apfel« von Kuhlemann. Seine<br />
Geburtsstadt Köln ehrte den Schriftsteller mit<br />
einer Straßenbenennung in dem Stadtteil Altstadt-Süd.<br />
Landschaft<br />
Die Türen sind zugeweht<br />
lang. Aber die kalten Kissen<br />
schluchzen der Lust nach. Schräg<br />
rauscht der Vorhang<br />
herein, wie die Liebe kommt,<br />
tiefrot und zum Weinen.<br />
Schmücke mit Silber und Eis<br />
und brich ein Fenster<br />
der hoch andrängenden Welt.<br />
Landschaft<br />
(Marie Laurencin)<br />
Alle Frauen weinen. Der graue Prinz<br />
hat seinen Vater erschlagen. Er reitet<br />
durch der Frühe singende Schneedome<br />
der Lilie nach, die seine vollendeten<br />
Hände halten. Aber<br />
ein Haus ist, dessen bange Wölbung<br />
er nie verlassen wird. Bis in die Keller<br />
fällt Regen böse Jahre lang.<br />
Bitter starren die toten Adern<br />
der Erde. Doch in den höheren Lüften<br />
singt Ariel einsam.<br />
Landschaft<br />
Demut faltet den Raum. Wir müssen<br />
sterben. Aus nächtlichen Spiegeln<br />
zittert Unruh. O Woge<br />
des Monds! Es ruft<br />
über den Fluß. Und hoher,<br />
aller Tage gekrönter Stern<br />
ist unterwegs, hebt<br />
hinter der Wand der Meere sich auf.<br />
Ich kann den Tod nicht, wie<br />
den Abend lieben. Am Ende<br />
steht der Engel: mitten<br />
unter dem Tor. Ihm bergen<br />
lauschendes Haupt die Völker. Auch mir<br />
rauscht am Boden das Gras. Die Pfade<br />
enden im schaurigen Herzen mir.<br />
Junges Mädchen stirbt im Hospital<br />
In meinem Bette flieg ich durch den Raum.<br />
Schneewälder wiegen mich in neuen Düften.<br />
Noch sengen Erdenfeuer aus den Lüften<br />
der letzten Berge düster meinen Traum.<br />
Noch bin ich weich von Schmerz. Hier ist der Saum.<br />
Im Tale brechen leise meine Hüften<br />
und sehnen sich zu ruhn in jungen Grüften,<br />
gebadet und gesalbt. Ich weine kaum<br />
und sinke. Menschen stehn um mich gehäuft,<br />
verliebte, fremd, beladen mit Gerüchen,<br />
Tabak und Blumen aus der alten Welt.<br />
Und Dinge klirren wie verlornes Geld<br />
im Saal, aus dessen bunten Bibelsprüchen<br />
ein letztes Mal Gespräch und Liebe träuft.