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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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saargeschichte|n 57<br />

die ›Großstadt‹. Da war nicht nur das eine Kaffee,<br />

sondern das schöne Schloßkaffee am Wasser, wo<br />

man interessante durchreisende Menschen sah.«<br />

Vermutlich in diesem Szene-Café dürften sich<br />

der expressionistische Lyriker und der böhmische<br />

Komponist und Pianist Schulhoff begegnet<br />

sein. Dieser, damals ein Anhänger des Dadaismus,<br />

hatte am 15. Oktober 1920 eine Stelle als Klavierlehrer<br />

an einem privaten Saarbrücker Konservatorium<br />

angetreten; zwei Unangepasste, bis 1922<br />

in die Diaspora verbannt.<br />

Kennengelernt hatten sich die beiden schon früher.<br />

Denn der damals in Dresden lebende Schulhoff<br />

hatte gute Kontakte in die Künstlerszene<br />

Kölns und Düsseldorfs, etwa zu Otto Dix, der mit<br />

Schulhoffs Schwester Viola liiert war. Dix porträtierte<br />

Hans Koch sowie den Komponisten, der<br />

seinerseits von Dix das Gemälde »Billardspieler«<br />

erwarb .<br />

In der Erwin-Schulhoff-Sammlung im Archiv der<br />

Berliner Akademie der Künste ist die Partitur<br />

»Landschaften op. 26: Fünf Gedichte von Johannes<br />

Theodor Kuhlemann« archiviert mit der Datumsangabe<br />

»23. August 1918«. Schulhoff kannte also<br />

Kuhlemanns Lyrik, zumindest den Zyklus »Das<br />

Herz« und dessen Landschaftsgedichte, bereits<br />

ein Jahr vor der Veröffentlichung. Opus 26 ist eine<br />

Symphonie für Mezzosopranstimme und Orchester.<br />

Vermutlich waren sich die beiden Künstler sogar<br />

schon früher begegnet; denn in dem von Klaus<br />

Simon im Schott-Verlag herausgegebenen Schulhoff-Werk<br />

»Sämtliche Lieder, Bd. 2, Frühe Lieder<br />

II (1911–1915)« findet sich bereits eine Vertonung<br />

des Textes »Der Apfel« von Kuhlemann. Seine<br />

Geburtsstadt Köln ehrte den Schriftsteller mit<br />

einer Straßenbenennung in dem Stadtteil Altstadt-Süd.<br />

Landschaft<br />

Die Türen sind zugeweht<br />

lang. Aber die kalten Kissen<br />

schluchzen der Lust nach. Schräg<br />

rauscht der Vorhang<br />

herein, wie die Liebe kommt,<br />

tiefrot und zum Weinen.<br />

Schmücke mit Silber und Eis<br />

und brich ein Fenster<br />

der hoch andrängenden Welt.<br />

Landschaft<br />

(Marie Laurencin)<br />

Alle Frauen weinen. Der graue Prinz<br />

hat seinen Vater erschlagen. Er reitet<br />

durch der Frühe singende Schneedome<br />

der Lilie nach, die seine vollendeten<br />

Hände halten. Aber<br />

ein Haus ist, dessen bange Wölbung<br />

er nie verlassen wird. Bis in die Keller<br />

fällt Regen böse Jahre lang.<br />

Bitter starren die toten Adern<br />

der Erde. Doch in den höheren Lüften<br />

singt Ariel einsam.<br />

Landschaft<br />

Demut faltet den Raum. Wir müssen<br />

sterben. Aus nächtlichen Spiegeln<br />

zittert Unruh. O Woge<br />

des Monds! Es ruft<br />

über den Fluß. Und hoher,<br />

aller Tage gekrönter Stern<br />

ist unterwegs, hebt<br />

hinter der Wand der Meere sich auf.<br />

Ich kann den Tod nicht, wie<br />

den Abend lieben. Am Ende<br />

steht der Engel: mitten<br />

unter dem Tor. Ihm bergen<br />

lauschendes Haupt die Völker. Auch mir<br />

rauscht am Boden das Gras. Die Pfade<br />

enden im schaurigen Herzen mir.<br />

Junges Mädchen stirbt im Hospital<br />

In meinem Bette flieg ich durch den Raum.<br />

Schneewälder wiegen mich in neuen Düften.<br />

Noch sengen Erdenfeuer aus den Lüften<br />

der letzten Berge düster meinen Traum.<br />

Noch bin ich weich von Schmerz. Hier ist der Saum.<br />

Im Tale brechen leise meine Hüften<br />

und sehnen sich zu ruhn in jungen Grüften,<br />

gebadet und gesalbt. Ich weine kaum<br />

und sinke. Menschen stehn um mich gehäuft,<br />

verliebte, fremd, beladen mit Gerüchen,<br />

Tabak und Blumen aus der alten Welt.<br />

Und Dinge klirren wie verlornes Geld<br />

im Saal, aus dessen bunten Bibelsprüchen<br />

ein letztes Mal Gespräch und Liebe träuft.

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