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GLASWELT Sonderheft Montagepraxis 2019

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Foto: IVRSA<br />

Foto: Olaf Vögele<br />

Das Berechnen der Auszugskräfte für die richtige<br />

Auswahl der Befestigungsmittel ist kein Hexenwerk.<br />

Die Richtlinie des IVRSA hilft hier sehr effektiv.<br />

Schnell übersehen, noch schneller ein Problem. Die Nichteinhaltung von Rand- oder Bohrlochabständen<br />

führt unweigerlich zu Reduzierung der berechneten Lasten und damit zu fehlerhaften oder gar gefährlichen<br />

Montagen. Ein Detail, das viele Fachbetriebe leider nicht sehr ernst nehmen.<br />

Gleichzeitig ändert sich stetig die Bauweise von Häusern. Waren es in den<br />

70er-Jahren noch die Betonbauten und Kalksandsteine, kam danach der<br />

Gasbeton, gefolgt von den Hochlochziegeln und WDVS. Heute entwickeln<br />

die Mauersteinhersteller fragile Steinelemente, die auf der einen Seite hervorragende<br />

Dämmwerte produzieren, man auf der anderen Seite aber keine<br />

hohen Auszugskräfte pro Befestigungspunkt mehr realisieren kann, wenn<br />

es um auskragende Lasten wie z. B. bei Markisen geht.<br />

Und dann gibt es noch die Ständerbauwerke und die Fertighäuser, die mehr<br />

und mehr in Mode kommen. Und „Last but not least“ das Thema Gesetze,<br />

Normen, Vorschriften und Richtlinien etc., wie z. B. die EnEV, die ständig geändert<br />

und verschärft wird. Auf den Punkt gebracht: Was vor 30 Jahren gültig<br />

war, kann man heute (fast) vergessen, wenn man an einen aktuellen<br />

Neubau mit Passivhausbauweise kommt.<br />

Wissen ist Macht<br />

Während sich die Gebäude und Vorschriften stetig weiter entwickeln, bleiben<br />

diese Steps im Bereich der Handwerker leider zu oft aus. Reden wir mal<br />

nicht von den oberen 20 Prozent der Fachbetriebe, die das Thema Weiterentwicklung<br />

im Griff haben und auf der Höhe der Zeit sind. Es geht um die<br />

restlichen 80 Prozent, die leider zu oft der Meinung sind, dass gepflegtes<br />

Halbwissen ausreicht. Das führt in vielen Fällen zur Selbstüberschätzung<br />

von eigenen Fähigkeiten und verleitet zur Annahme von Aufträgen, die<br />

dann nicht hundertprozentig abgewickelt werden können.<br />

Betrachtet man die derzeitige Entwicklung in verschiedenen Internetforen,<br />

so kann man hier zwei unterschiedliche Vorgehensweisen feststellen. Die<br />

einen nehmen an Diskussionen teil, murren zwar über die erhöhten Anforderungen,<br />

nehmen aber dann Ratschläge und Empfehlungen, die aus einer<br />

Mischung von Erfahrung, Normen und Richtlinien resultieren an und setzen<br />

diese dann mehr oder weniger um. Die anderen finden eine gemeinsame<br />

Lösung, die allen zusagt und verweisen auf die bisherigen Erfahrungen.<br />

Regelwerke wie Normen und Richtlinien werden hier eher als Behinderung<br />

oder Bedrohung gesehen, denn es hat ja schließlich die letzten 30<br />

Jahre auch funktioniert. Gezielte Weiterbildung findet beim Suchen einer<br />

gemeinsamen Lösung also nicht unbedingt statt.<br />

rechnen, statt aus dem bauch heraus zu handeln<br />

Ein klassisches Thema ist die Wahl und die Menge der Befestigungsmittel.<br />

Würde man alle Markisenbestellungen in Deutschland analysieren, könnte<br />

man schnell auf die Idee kommen, dass fast 90 Prozent der Markisen auf<br />

Beton montiert werden sollen. Warum ist das so? Die Lösung ist eigentlich<br />

ganz einfach. Die vielfältigen Hilfen der Hersteller werden zu oft nicht genutzt<br />

und das Nachrechnen von statischen Kräften wie Auszugslasten werden<br />

als zu kompliziert empfunden. Leider setzen sich viele der Fachbetriebe<br />

erst gar nicht mit dem Thema auseinander und entscheiden lieber „Pi mal<br />

Daumen“, und da ist es wieder, dieses „das machen wir seit 30 Jahren so“.<br />

Setzt man sich mit den Beispielen in der Montagerichtlinie des ITRS/IVRSA<br />

auseinander und folgt den Rechenbeispielen, zeigt sich sehr schnell wie einfach<br />

es eigentlich ist, eine Markise sauber zu berechnen oder Befestigungspunkte<br />

so anzupassen, dass man mit den niedrigen Auszugskräften der heutigen<br />

Mauersteine auch gut hinkommt. Bei Sonderkonsolen sollte generell<br />

darauf geachtet werden, dass diese beim Hersteller mitbestellt oder von einem<br />

nach Eurocode zertifizierten Unternehmen hergestellt werden.<br />

Der Monteur zwischen den fronten<br />

Das große Dilemma zeigt sich beim Monteur. Ungeachtet seiner Ausbildung<br />

befindet er sich in einer eigentlich unangenehmen Situation, da er<br />

weisungsgebunden arbeitet, aber auch für sein Handeln selbst verantwortlich<br />

gemacht werden kann. Wenn es zum Schaden kommt, gilt die Ausrede,<br />

„das hat mein Chef so gesagt“ leider nicht und der Monteur muss die Konsequenzen<br />

seines Handelns mittragen. Ganz abgesehen davon, kann man<br />

bei vor Gericht verhandelten Schadensfällen immer wieder feststellen, dass<br />

die Monteure zu oft mit einem mulmigen Gefühl nach Hause gehen, weil<br />

sie Angst haben sich den Vorgaben ihrer Chefs zu widersetzen und andere<br />

Vorschläge ins Spiel zu bringen. Leidtragender ist in vielen Fällen natürlich<br />

auch der Kunde, weil er nach Jahren eine teure Neumontage bezahlen<br />

muss. Aber genau dieses Dilemma muss gar keines sein, wenn die Monteure<br />

weitergebildet werden. Dann kann sich der Chef sicher sein, dass bei einem<br />

Einwand des Monteurs diesem auch zu folgen ist. —<br />

Olaf Vögele<br />

<strong>Sonderheft</strong> <strong>Montagepraxis</strong> | glaswelt 69

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