Red Bulletin - Innovator
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DATEN <br />
ABFRAGE<br />
Über 310.000<br />
Menschen folgen<br />
Alizadehs Account<br />
DariaDaria auf<br />
Instagram, auf<br />
Facebook sind<br />
es rund 60.000.<br />
36<br />
verschiedene<br />
nachhaltige<br />
Fashion-Produkte<br />
bietet Alizadeh<br />
in ihrem Shop<br />
dariadeh.com<br />
10–15 Prozent<br />
beträgt Alizadehs<br />
Gewinnmarge,<br />
die sie langsam<br />
steigern will.<br />
50 Cent<br />
spendet Alizadeh<br />
bei jeder Bestellung<br />
an karitative<br />
Organisationen.<br />
Platz 3<br />
erreichte ihr Buch<br />
„Starkes weiches<br />
Herz“ in der<br />
Bestsellerliste.<br />
Wer sich engagieren will, kann also nicht<br />
unpolitisch bleiben?<br />
Absolut. Am Ende des Tages kommt es halt auch<br />
darauf an, die richtigen Parteien zu wählen.<br />
Trotzdem, lass uns einen Schritt zurückgehen:<br />
Was kann ich im Kleinen für den Planeten tun?<br />
Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Aktivismus ist immer<br />
auch eine Frage persönlicher Ressourcen<br />
– das muss ich vorausschicken. Eine alleinerziehende<br />
Mutter mit drei Kindern kann man nicht<br />
dafür verurteilen, dass sie ihre Baby-Bodys bei<br />
H & M kauft und nicht beim ökofairen Label. Ich<br />
finde, jeder soll machen, was er im Rahmen seiner<br />
Möglichkeiten machen kann – und will. Aber,<br />
um eine Antwort zu geben: Einen Impact auf<br />
unser Klima haben etwa Lebensmittel und Landwirtschaft.<br />
Ich kann mich etwa fragen: Will ich<br />
wirklich dreimal pro Woche Fleisch essen? Oder<br />
bloß einmal im Monat?<br />
Oder gleich vegetarisch essen?<br />
Vegetarier leben nicht automatisch nachhaltiger<br />
– mancher Schweizer Käse hat eine schlechtere<br />
Ökobilanz als eine Avocado. Es geht um das<br />
Bewusstsein, woher die Nahrung kommt und<br />
wie sie hergestellt wird.<br />
Was kann ich in Sachen Kleidung machen?<br />
Für mich fasst es ein Zitat von Designerin Vivienne<br />
Westwood gut zusammen: „Buy less. Choose<br />
well. Make it last.“ Konsumiere weniger. Hinterfrage:<br />
Wie viel Kleidung brauche ich wirklich?<br />
Welche Farben lassen sich vielfältig kombinieren?<br />
80 Prozent des Inhalts unseres Kleiderschranks<br />
hängen meist ungetragen herum. Und<br />
wenn ich mir etwas zulege, sollte ich die Sachen<br />
möglichst lange tragen können, sie richtig pflegen<br />
und gegebenenfalls reparieren. So kann<br />
auch Fast Fashion etwas „nachhaltiger“ werden.<br />
Auf Social Media beschränken viele ihr<br />
Engagement auf Hashtags. #greenplanet,<br />
#changetheworld. Entmutigt das?<br />
Nein. Natürlich ist dieser Pseudoaktivismus<br />
manchmal irritierend. Bei Black Lives Matter<br />
haben alle schwarze Kacheln auf Instagram<br />
gepostet und kundgetan, sie unterstützen Black<br />
Business. Ein, zwei Wochen später war nichts<br />
mehr davon zu hören. Aber das hat es schon<br />
immer gegeben. Es gibt Leute, die ketten sich<br />
tagelang an Bäume, andere tragen nur einen<br />
Anstecker mit „Rettet die Natur“.<br />
Warum kommen die einen in die Gänge,<br />
die anderen nicht?<br />
Wenn jemand sich nicht engagiert, heißt das<br />
nicht, dass er oder sie zwangsweise faul ist. Vielleicht<br />
stecken Ängste dahinter, Unwissenheit, ein<br />
Mangel an Zeit und Ressourcen. Das muss man<br />
evaluieren. Und es müssen auch nicht alle gleich<br />
stark aktiv werden. Wichtig finde ich letztlich<br />
nur, dass es Menschen gibt – vor allem in Machtpositionen<br />
–, die die Dinge ausbalancieren und<br />
für sozial-ökologische Gerechtigkeit<br />
sorgen.<br />
Du hast 2010 als Modebloggerin<br />
begonnen und bist nach drei Jahren<br />
zum Thema Nachhaltigkeit umgeschwenkt.<br />
Wie viele haben dich<br />
für diesen Schritt belächelt?<br />
Interessanterweise habe ich bis heute<br />
oft noch den Stempel des Modepüppchens<br />
– obwohl ich seit sieben Jahren<br />
als Unternehmerin, Aktivistin und<br />
Autorin tätig bin. Ich schätze, man<br />
denkt: „Ah, die ist auf Instagram, die<br />
sieht so und so aus“ – und schon hat<br />
man ein Bild im Kopf, was jemand<br />
macht oder nicht macht.<br />
Wie hast du anfangs den Mut gefunden,<br />
öffentlich Themen anzusprechen,<br />
für die es immer kompetentere<br />
ExpertInnen geben wird?<br />
Es ist ein Prozess. Man muss sich<br />
natürlich einlesen und sich an die<br />
Fakten halten, um keine gefährlichen<br />
Falschinformationen zu verbreiten.<br />
Einen Doktortitel braucht es aber<br />
nicht, um am Diskurs teilnehmen zu<br />
dürfen. Wer nicht gleich als <strong>Red</strong>nerIn<br />
auf die Bühne treten will, kann ja<br />
auch erst mal im Hintergrund einer<br />
Bewegung helfen. Für mich persönlich<br />
war sicherlich wichtig, ein Selbstverständnis<br />
dafür zu entwickeln, dass<br />
ich mir Raum in der Gesellschaft nehmen<br />
darf. Gerade als Frau wird man<br />
ja eher dazu sozialisiert, sich kleinzuhalten<br />
und nicht zu laut zu sein.<br />
Du schreibst in deinem Buch, dass<br />
es helfen würde, weniger elitär<br />
mit dem Mikrofon umzugehen.<br />
Was meinst du damit?<br />
Wir sprechen gerne jenen Menschen<br />
Expertenstatus zu, die ein gewisses<br />
Alter, Erfahrung, Titel oder Verbindungen<br />
haben. Aber diese Menschen<br />
haben nicht unbedingt das Richtige<br />
zu sagen. Oft liegt es tatsächlich an<br />
der jüngeren Generation, mit neuen<br />
Ideen daherzukommen und ein System<br />
aufzubrechen. Fridays for Future<br />
und die Klimaschutzbewegung sind<br />
ein schönes Beispiel dafür. Oder der<br />
TED-Talk mit einer 17-jährigen Schülerin,<br />
den ich auch im Buch zitiere.<br />
Sie sagt zu Beginn: „Ihr erwartet jetzt<br />
sicher, dass ich einen Jugendnobelpreis<br />
gewonnen habe, weil ich auf<br />
der Bühne stehen darf.“ Aber ihr<br />
Vortrag thematisiert bloß, dass wir<br />
jungen Menschen zuhören sollen,<br />
auch wenn sie vielleicht noch nichts<br />
„vollbracht“ haben.<br />
INNOVATOR 27