Red Bulletin - Innovator
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Der Schlaf,<br />
hier meisterhaft<br />
von Bernini<br />
(1598–1680) in<br />
Stein gemeißelt,<br />
galt lange als<br />
Zei chen der Faulheit.<br />
Zu Unrecht.<br />
J<br />
resonanztomografie) können Forscher in den Kopf hineinschauen<br />
– und zwischen verschiedenen Schlafphasen<br />
wie dem REM-Schlaf (Rapid Eye Movement), in dem<br />
man träumt, oder dem Delta-Schlaf, der besonders tief<br />
und wichtig ist, unterscheiden. Schlaf, erklärt Matthew<br />
Walker, ist der „bislang beste Versuch von Mutter Natur,<br />
den Tod abzuwehren“. Im Schlaf ruhen Körper und<br />
Geist nicht nur, sondern werden aktiv reorganisiert –<br />
als würde man eine Software über das System jagen, die<br />
Viren killt, den Körper-Cache leert und Junk-Files löscht.<br />
eden Tag bekomme ich Push-Nachrichten von<br />
meinen digitalen Schlaf-Coaches, die sich nicht<br />
nur für mein Nachtleben interessieren. „An einem<br />
gesunden Tag macht man 10.000 Schritte“, mahnt<br />
die App. Wenn der Bewegungsradius zwischen<br />
Home, Home-Kita und Home-Office auf 50 bis<br />
100 Quadratmeter schrumpft, ist das gar nicht<br />
so einfach: Die Updates machen mir jedoch gute<br />
Laune. Bis ich sehe, dass meine Frau, mit der ich mich<br />
im Schlaflabor abwechsle, einen Score von 92 hat –<br />
fünf Stunden Tiefschlaf! Keine Unterbrechung. Sofort<br />
sinkt meine Bereitschaft, nach der Arbeit den Müll rauszubringen.<br />
Mach du das doch, du hast ja so gut geschlafen!<br />
Kurz denke ich darüber nach, ob ich eine Privatsphären-Richtlinie<br />
verletze, wenn ich derart über ihren<br />
Schlaf informiert werde. Aber: Mein Ehrgeiz ist geweckt.<br />
Ich schlafe mich noch in den grünen Bereich!<br />
Schlaf muss man nicht lernen. Eigentlich. Schlaf ist ganz<br />
natürlich. Eigentlich. Aber natürlich ist nichts, was der<br />
Mensch macht, wirklich natürlich. Die innere Uhr, die<br />
Tiere und Pflanzen leitet, wird durch unseren freien Willen<br />
und die Einflüsse der Kultur permanent umgestellt<br />
und verdreht. Durch die Bändigung des Feuers, die Erfindung<br />
von Öllampen und später künstlichem Licht wurde<br />
die Schlafphase immer weiter nach hinten verschoben.<br />
Während die Bauern im 19. Jahrhundert im Rhythmus<br />
von Tag und Nacht lebten, konnte man ab der Industrialisierung<br />
in den erleuchteten Fabrikhallen zu jeder Stunde<br />
ICH BRAUCHE NUR VIER<br />
BIS SECHS STUNDEN<br />
SCHLAF. „ DAS IST<br />
HUMBUG“, SO EXPERTEN.<br />
arbeiten. Kein Wunder, dass Schlaf bald<br />
mit Faulheit und Unproduktivität asso ziiert<br />
wurde. Donald Trump rühmt sich<br />
gern, dass er nur vier bis sechs Stunden<br />
Schlaf bräuchte – Schlafmangel war lange<br />
Statussymbol für Leistungsfähigkeit.<br />
Die Forschung hat all das als Humbug<br />
enttarnt. „Lange dachte man, dass Schlaf<br />
dem Gedächtnis nur deshalb hilft, weil<br />
man keine neuen Informationen aufnimmt“,<br />
sagt Professor Jan Born, Neurowissenschaftler<br />
an der Universität Tübingen<br />
und der renommierteste Schlafforscher<br />
im deutschsprachigen Raum.<br />
Heute weiß man, dass im Schlaf neu aufgenommene<br />
Daten auf neuronaler Ebene<br />
bearbeitet und ins Langzeitgedächtnis<br />
verschoben werden. „Und das ist nicht<br />
nur Copy & Paste“, sagt Born. „Es wird<br />
der Kern der Erinnerung gespeichert –<br />
während Details vergessen werden. Wir<br />
beginnen erst, das genau zu verstehen.“<br />
ALAMY<br />
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