VNW-Magazin Ausgabe 1/2022
Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.
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3<br />
„Und jedem Anfang wohnt<br />
ein Zauber inne.“<br />
Diese Zeile aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann<br />
Hesse kam mir in den Sinn, als die neue Bundesregierung<br />
im Dezember vergangenen Jahres in Berlin ihre<br />
Arbeit aufnahm. Ein eigenes Wohnungsbauministerium<br />
wurde geschaffen. Das Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen<br />
zu errichten, 100 000 davon öffentlich gefördert,<br />
mag ambitioniert sein, ist aber durchaus machbar. Wenn<br />
alle an einem Strang ziehen.<br />
Inzwischen sind einige Wochen ins Land gegangen und<br />
es stellt sich Ernüchterung ein. Das Chaos um den Stopp<br />
der KfW-Effizienzhausförderung, der über Nacht von<br />
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verkündet<br />
wurde, lässt Zweifel daran aufkommen, ob die ganze<br />
Bundesregierung hinter dem Wohnungsbauziel steht.<br />
Unlängst hat Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des<br />
Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, erklärt,<br />
dass auch in diesem Jahr der Anstieg der Baupreise anhalten<br />
werde. Das erschwert den Bau bezahlbarer Wohnungen<br />
erheblich – und ist leider nicht alles. Auf den<br />
Baustellen fehlt es mehr und mehr an Fachkräften, in<br />
den Kommunen sind bezahlbare Grundstücke Mangelware<br />
und in Sachen Bürokratie folgen auf Sonntagsreden<br />
der Verantwortlichen viel zu selten Taten.<br />
In dieser ohnehin für die Wohnungswirtschaft schwierigen<br />
Situation fällt der Bundesregierung nun nichts<br />
anderes ein als bewährte Förderstrukturen zu zerschlagen.<br />
Natürlich gehört die staatliche Unterstützung des<br />
bezahlbaren Wohnens immer wieder auf den Prüfstand.<br />
Der <strong>VNW</strong> und seine im GdW organisierten Schwesterverbände<br />
fordern das angesichts der Herausforderungen<br />
des Klimaschutzes schon seit Jahren.<br />
Was aber nicht geht, ist, dass das Bundeswirtschaftsministerium<br />
über Nacht eine funktionierende Förderstruktur<br />
zerschlägt, ohne einen Ersatz dafür zu haben.<br />
Mehr noch: Man hatte sogar versprochen, dass Wohnungsunternehmen<br />
bis Ende Januar Zeit hätten, ihre<br />
Förderanträge zu stellen. Jeder weiß, dass zum sparsamen<br />
Umgang mit Investitionsmitteln gehört, einen Förderantrag<br />
möglichst spät zu stellen.<br />
All das hat die Verantwortlichen im Habeckschen Ministerium<br />
entweder nicht interessiert oder war ihnen<br />
unbekannt. Beides ist beunruhigend. Dieses chaotische<br />
Vorgehen hat bei Wohnungsunternehmen zu einem<br />
erheblichen Vertrauensverlust in die Politik geführt.<br />
Schlimmer ist jedoch, dass <strong>VNW</strong>-Unternehmen Fördermittel<br />
in Höhe von mehr als 52 Millionen Euro verloren<br />
gegangen sind. Der Neubau von mehr als 2000 öffentlich<br />
geförderten Wohnungen steht auf der Kippe. Einfach<br />
so per Federstrich.<br />
Wer jetzt noch bezahlbare Wohnungen bauen soll, dafür<br />
interessiert sich in einigen Teilen der Bundesregierung<br />
offenbar kaum jemand. Denn auch das Wendemanöver<br />
von Minister Habeck – der Stopp des Stopps – ändert im<br />
Kern wenig: Alle Anträge für ein Haus im KfW 55-Effizienzstandard<br />
werden seit Mitte Januar nicht mehr bewilligt.<br />
Anträge auf eine KfW 40-Förderung sind nur noch<br />
bis Ende dieses Jahres möglich und der Fördertopf ist bei<br />
einer Milliarde Euro gedeckelt.<br />
Zugleich kündigt der Bundeswirtschaftsminister neue<br />
Förderprogramme an, die wie Drohungen klingen: nur<br />
noch KfW 40-Standard, der aber verschärft. Dazu will<br />
man die Sanierung in den Fokus rücken. Die Überlegung,<br />
die staatliche Förderung auf die Sanierung von<br />
Wohngebäuden zu konzentrieren, mag in die richtige<br />
Richtung gehen. Dort sind die CO 2<br />
-Einsparpotenziale am<br />
größten. Aber so eine Entscheidung am grünen Tisch<br />
ohne (ernsthafte) Rückkopplung mit den sozialen Vermietern<br />
zu treffen, das trägt den Samen des Scheiterns<br />
in sich.<br />
Geradezu gefährlich ist der Versuch von Bundesminister<br />
Habeck, die politische Verantwortung für den Bau<br />
bezahlbarer Wohnungen und für den Klimaschutz zu<br />
trennen. Während Bundessozial- und Bundesbauministerium<br />
den Bau von Sozialwohnungen fördern sollen,<br />
will er ohne Rücksicht darauf die Klimaschutzauflagen<br />
erhöhen. Das ist nicht nur ein Geschäft zu Lasten Dritter,<br />
sondern auch der Anfang vom Ende aller Bemühungen<br />
um Nachhaltigkeit und Klimaschutz.<br />
Das bezahlbare Wohnen ist die wichtigste soziale Frage<br />
unserer Zeit, der Klimaschutz die größte Herausforderung.<br />
Unsere Gesellschaft wird beide Herausforderungen<br />
nur meistern, wenn das Soziale stets mitgedacht<br />
wird.<br />
Andreas Breitner, <strong>VNW</strong>-Vorstand und Verbandsdirektor