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audimax I.T. 11-2022 - Karrieremagazin für ITler

Ferne Liebe rostet nicht? Alles was für eine gute Fernbeziehung entscheidend ist *** Mind the cloud: Was die IT mit Wolken zu tun hat *** Ausgespielt? Die Gaming-Branche 2023 *** Grün, grüner, IT – Wie wird's grüner durch IT *** Frauen in der IT *** Auf welcher Bühne würde Max Raabe gerne mal auftreten? Er hat's ausgefüllt in Mut Zur Lücke

Ferne Liebe rostet nicht? Alles was für eine gute Fernbeziehung entscheidend ist *** Mind the cloud: Was die IT mit Wolken zu tun hat *** Ausgespielt? Die Gaming-Branche 2023 *** Grün, grüner, IT – Wie wird's grüner durch IT *** Frauen in der IT *** Auf welcher Bühne würde Max Raabe gerne mal auftreten? Er hat's ausgefüllt in Mut Zur Lücke

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UNILEBEN<br />

von Zauberern, Tierärzten und Superhelden<br />

Der ersten Konfrontation mit dem späteren Berufsleben stelle ich mich<br />

in der Grundschule. Meine Deutschlehrerin möchte wissen, was wir später<br />

einmal werden wollen. Von Zauberer, über Tierärztin bis hin zu Superheld<br />

ist im Klassenverband so ziemlich alles dabei. Die Gedankenspiele<br />

dazu sind bunt und unentschlossen. Und gefühlt ändert sich das<br />

bis zu dem Tag, an dem ich mein Abiturzeugnis in der Hand halte, wenig<br />

bis gar nicht. Wer weiß in meinem zarten Alter schon, welcher Beruf<br />

es bis zum Lebensende werden soll? Klar <strong>für</strong> mich ist: Ich muss studieren.<br />

Wozu hab ich sonst mein Abitur gemacht? Was – das ist mir allerdings<br />

völlig schleierhaft. Der Plan: Ein Jahr jobben im Ausland soll Klarheit<br />

bringen. Tut es aber nicht. Trotzdem trete ich zwölf Monate später<br />

ein Studium an. Nach dem dritten Semester breche ich ab. Viel zu spät,<br />

denn dass sowohl die Art des Studiums, wie auch der Inhalt nichts <strong>für</strong><br />

mich sind, merke ich schon ganz zu Beginn. Was mich lange von diesem<br />

Schritt, der mir viel vertane Zeit ersparen würde, abhält, ist der vermeintliche<br />

gesellschaftliche Druck. Studienabbruch kommt in meinem Kopf<br />

dem gesellschaftlichen Ausstoß gleich. Dass das absoluter Nonsens ist,<br />

hätte ich gerne eher gewusst. Wildfried Schumann leitet den psychologischen<br />

Beratungsservice von Universität und Studentenwerk<br />

in Oldenburg und hat jeden Tag mit Studierenden zu tun,<br />

die mit Sorgen und Nöten kämpfen. Ein Drittel der<br />

Anfragen bezieht sich dabei auf das Studium. Zur<br />

gesellschaftlichen Aktzeptanz in Sachen Stu-<br />

Bachelor folgt der Master und dann noch eine Doktorarbeit. Danach:<br />

Zeitverträge an verschiedenen Orten. Das ist nichts <strong>für</strong> mich,« so Ryan.<br />

Zu Ende bringen möchte er das Studium neben der Ausbildung trotzdem:<br />

»Die Bachelorarbeit habe ich fast abgeschlossen – als Archäologe werde<br />

ich jedoch nicht arbeiten. Nach dem IHK-Abschluss möchte ich mich als<br />

Kaufmann <strong>für</strong> Versicherungen und Finanzen selbstständig machen. Aber<br />

vielleicht werde ich mal einen Neubau versichern, der auf archäologisch<br />

wertvollem Grund gebaut werden soll – das Themenfeld in unserer Branche<br />

ist vielfältig.«<br />

No risk, no story.<br />

Eine meiner größten Ängste damals war, beruflich nie wieder Fuß fassen<br />

zu können. Mein Horrorszenario: Unendliche Rechtfertigungen –<br />

etwa beim Bewerbungsgespräch. Aber tatsächlich sind die Unternehmen,<br />

mit denen ich darüber spreche, von diesem Schritt eher angetan.<br />

Eine Argumentation, die in diesem Zusammenhang oft fällt ist, dass Studienaussteiger<br />

nach einem Perspektivwechsel in der Regel deutlich fokussierter<br />

in Bezug auf die Berufswahl sind. Auch Verena School, Leiterin<br />

im Bereich Learning und Training beim Versicherungsunternehmen<br />

ERGO, ist diesbezüglich offen: »Wir freuen uns seit jeher auf Bewerbungen<br />

von Studienaussteigerinnen und Studienaussteigern <strong>für</strong> alle unsere<br />

Ausbildungsgänge. Dass jemand sein Studium nicht abgeschlossen hat,<br />

sagt nichts über den Menschen aus, der sich bei uns bewirbt und der bei<br />

uns seine berufliche Heimat findet und Karriere machen möchte.« Die<br />

Entscheidung, vorzeitig aus einem Studium auszusteigen, ist also<br />

ndere Wege haben auch<br />

schöne Steine.<br />

dienabbruch äußert er sich optimistisch:<br />

»Die Zahl derer, die das Studium begonnen<br />

haben, aber nicht zu Ende bringen, bewegt<br />

sich seit sehr langer Zeit auf einem relativ<br />

stabilen Niveau von etwa 25 Prozent.<br />

Man kann daraus ablesen, dass das kein exotisches<br />

Phänomen ist. Es ist extrem verbreitet,<br />

dass Studierende ein Studienfach wählen, das<br />

sich nicht als das <strong>für</strong> sie richtige herausstellt. Hier<br />

muss man sich vor Augen führen, dass sowohl eine Studienentscheidung<br />

als auch Entscheidungen im späteren Berufsleben<br />

immer Risikoentscheidungen sind. Ob es am Ende passt oder nicht –<br />

das erfährt nur, wer es über einen längeren Zeitraum ausprobiert. Insofern<br />

sollte man die Problematik ein Stück weit entdramatisieren und<br />

realisieren, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit, sich mit einem Studienabbruch<br />

konfrontiert zu sehen, immer da ist.«<br />

Wenn du nichts änderst, ändert sich nichts<br />

Um die Erkenntnis reicher, dass Umwege im Leben selten Irrwege sind,<br />

widme ich mich nach dem Studienausstieg einem handwerklichen Beruf<br />

und starte wenige Jahre später einen zweiten Studienanlauf. Dieses Mal<br />

an einer Fachhochschule, weil praxisnah. Und dazu mit einem Studiengang,<br />

der mir wirklich liegt. Mit Erfolg. Dass andere Wege auch schöne<br />

Steine haben, zeigt das Beispiel von Ryan. Er ist 28 Jahre alt und erkennt<br />

nach vier Semestern Jurastudium, dass ihm der Bezug zu diesem Studienfach<br />

schlichtweg fehlt. Ein erster Perspektivwechsel bewegt ihn zur Aufnahme<br />

des Studiums »Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie«. Aber<br />

auch hier wird deutlich: Das ist es nicht: »Ich habe das Studium erst einmal<br />

auf Eis gelegt und mich <strong>für</strong> eine Ausbildung als Kaufmann <strong>für</strong> Versicherung<br />

und Finanzen entschieden. Hier sehe ich <strong>für</strong> mich persönlich<br />

gute Möglichkeiten, auch in Bezug auf das Einkommen. Wer als Archäologe<br />

arbeitet, muss in der Regel promovieren. Das bedeutet: Nach dem<br />

alles andere als zerstörerisch. Trotzdem sollte der Schritt nicht aus einer<br />

Laune heraus gegangen werden. »Man sollte auf jeden Fall die eigenen<br />

Gründe noch einmal reflektieren, die hinter dem Abbruchgedanken<br />

stecken. Ein Beweggrund kann sein, dass man einfach so gar keine<br />

Verbindung zu Studienfach XY aufbauen kann und somit Freude, Neugierde<br />

und der Wille, sich ins Studium zu knien, auf der Strecke bleiben.<br />

Wenn die Erkenntnis reift, die Anforderungen absolut nicht erfüllen zu<br />

können und diesbezüglich jeder Schritt Überwindung kostet, dann sollte<br />

man sich eingestehen, dass es einfach nicht die richtige Entscheidung war<br />

und möglichst schnell die Konsequenzen daraus ziehen. Anders liegt der<br />

Fall natürlich, wenn man grundlegend Lust auf das Studium und das darauffolgende<br />

Berufsleben hat, aber an den eigenen Studienleistungen (ver-)<br />

zweifelt, obwohl man sich im Fach selbst Zuhause fühlt. Hier würde ich<br />

von einem Abbruch abraten. Diese Defizite können durch gezielte Nachhilfe<br />

und bessere Organisation oft ausgeglichen werden«, so Schumann.<br />

Du bist aber mutig!<br />

Vielleicht wird in diesem Zusammenhang die Frage laut, warum Unternehmen<br />

sich gerade <strong>für</strong> Perspektivwechsler entscheiden sollten. Ein<br />

Studienausstieg zeugt doch von absoluter Unentschlossenheit, oder?<br />

Denkste! Ich persönlich habe immer wieder die gleiche Rückmeldung<br />

bekommen. Und die deckt sich so ziemlich mit folgender Aussage: »Sie<br />

sind selbstbewusst und zeigen, dass es kein Scheitern mit Stigma ist. Auch<br />

wenn man das Studium nicht abschließt, hat man trotzdem wertvolles<br />

Wissen, das man einbringen kann. Gerade jetzt ist die Arbeitswelt so dynamisch<br />

wie lange nicht und durch die Digitalisierung ergeben sich viele<br />

Chancen. Ein nicht abgeschlossenes Studium ist auf dem langen Berufsweg<br />

nur eine kleine Episode. Eine Ausbildung ist eine gute Grundlage, auf<br />

der man weiter aufbauen kann«, so Ausbildungsleiterin School. Ich <strong>für</strong><br />

meinen Teil habe auf meinen Umwegen mehr von der (Arbeits-)Welt, allem<br />

voran aber mehr von mir selbst gesehen. Meine Erfahrung zeigt: Man<br />

kommt nicht vom Ziel ab, nur weil man den Weg dahin flexibler gestaltet.<br />

Text: Vivien Herzog | Fotos: ruslanchik/depositphotos.com<br />

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