BOGENSPORT MAGAZIN 4/2023

ENDLICH WOCHENENDE,
ENDLICH EINMAL KEINE
ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN MÜSSEN!?
Tom’s CORNER
Dieser Bericht handelt vom Bogensportfrühschoppen, der
Anfahrt dorthin, den Entscheidungen, die man trifft, und
den Menschen, die mit mir zusammen den so ziemlich besten
Sport der Welt zur frühesten überhaupt möglichen Zeit ausüben.
Nun, ich fuhr auf der A52 wie gewohnt. Es gibt da eine Baustelle,
die stellenweise 60 oder 80 km/h fordert. Wie in solchen Baustellen
üblich war die linke Fahrspur auf zwei Meter Breite eingeschränkt.
Da der Verkehr auf der rechten Spur gerade weit unter dieser Fahrgeschwindigkeit
lag, wechselte ich auf die schmale linke Spur. Ich
bin umsichtig, ich achte sehr genau auf alles um mich herum, das ist
geradezu Routine, eigentlich viel mehr Pflicht! Zu groß ist die Gefahr,
sich zu „verunfallen”. Neu war dann allerdings, dass diese Fahrspur
in die Gegenfahrbahn verlegt war. Gut, kein Problem, das ist doch
eigentlich eine Standardsituation. Aber dann kam der Moment, wo
ich auf einmal über Entscheidungen nachdenken sollte! Während
ich auf der umgeleiteten Fahrspur kaum Fahrzeuge vor mir hatte
und die volle pace gehen konnte, „überholte” ich wohl so an die fünfzig
Fahrzeuge, die auf der rechten Fahrspur geradezu standen oder
Schritttempo fuhren. Die richtige ENTSCHEIDUNG im richtigen
Moment ist so etwas von Gold wert! Im wörtlichen Sinne, Bogenschütze!
Und das war der Anlass für mich, über die konkrete Einzelentscheidung,
ja genau genommen über alle Entscheidungen des
Lebens tiefer nachzudenken. Während ich da so mit den erlaubten
80 km/h an den angestauten Fahrzeugen vorbeifuhr, dachte ich über
alle möglichen Entscheidungen nach. Einzelne Entscheidungen prägen
unseren Lebenslauf… natürlich immer!
Entscheidungen! Ja, sie bestimmen unseren Werdegang. „Ach ich
kann das nicht, ich gebe auf”, „Ich will das auf jeden Fall, egal, was
auch immer das von mir verlangt, ich bin bereit, alles zu geben”.
Wir sind immer „unserer Entscheidung Schmied”! Ich sprach heute
(Sonntag) noch mit Didi darüber, dass ich als Bogenschütze gerade
mal ein Jahr schieße, aber selber schon bereits mehr als fünf Dutzend
Jahresringe abzähle…
Didi zielt über sein Visier, Nasenspitze und Kieferkontakt
sichern sein präzises Ankern.
Ich lerne nicht mehr so schnell wie junge Schützen, wenn diese zwei
bis dreimal die Woche schießen gehen. Nein, ich benötige fünf Termine
die Woche! Montag, Mittwoch, und dann alle Tage von Freitag
bis Sonntag. Meine Fortschritte sind sehr gering, der Fortschritt
ist insgesamt sehr schwer erkennbar, obwohl ich gut 400 Pfeile die
Woche fliegen lasse. Was bringt mir das dann eigentlich überhaupt?
Nun, nur genau deshalb genau diese kleinen Fortschritte, die ich zelebriere!
Ein Bogenschütze „normalen” Alters lernt bereits bei drei
Sitzungen dazu… Didi und ich nickten beide ab, ja ab dem Alter von
35 Jahren muss man mehr Energie in den Körper und in den Geist
stecken…
Nun, meine Entscheidung, fünfmal zum Training zu gehen, hat sich
gerade in der letzten und auch in dieser Woche als richtig herausgestellt.
Ich schoss so um die 474, 484… die letzten Ergebnisse waren
dann 498, 494, 494, 504, 500, 498, 502, 498… tendenziell geht es nach
oben. Die Entscheidung, nicht nach siebzig Pfeilen aufzuhören, belohnte
mich mit besseren Ergebnissen. Schieße ruhig drei Durchgänge
á zehn Passen! Du brauchst ja auch die Kondition, Tom! Komm,
mach immer weiter! Du willst ja FITA Halle „in the long run” machen…
Was ich bis jetzt verheimlichte… Philipp Räder hat mir am Freitag
ein Training gezeigt, und er sagte mir: „Wenn’s weh tut, sag es mir”…
verdammt… es schmerzte… Ich sagte es ihm NICHT… ICH WILL…
ich hielt durch, obwohl das Training mehrfach an die Grenzen ging.
Der Grund dafür? Der von einem Tumor und Krebs zerstörte Humeruskopf.
Da hat sich seit 1999 nichts verbessert. Ist leider so.
Vom Krebs zerfressener
Kugelkopf: Kein Training =
kein Mitleid!
Ich sagte ihm, dass ich da die asiatische Mentalität des Schmerzempfindens
verehre. Ich glaube ja, Philipp wusste selbstverständlich ganz
genau, dass ich mehr als das Erträgliche erduldete, er ist schließlich
ein Pro … „ich höre das bei Dir, Tom”… knack, knack, knack, knack,
knack… ja… das Gelenk zeigte klar, dass ich mich in untrainierte Zonen
wagte… Aber es war meine Entscheidung: Ich mache das! Es
war grenzwertig, aber ICH wollte das! Die Ergebnisse waren göttlich!
Der linke Arm hob sich wenigstens 20 Grad mehr als zuvor an. Auch
unter Schmerzen kann ich endloses Glück empfinden!
Anschließend schoss ich bei ihm noch auf seinem 13-Meter-Parcours
so an die 24 Pfeile. Phillip zeigte mir, dass ich trotz fehlender
Visiereinstellung – einfach mal quasi blank schießend – vier von
sechs Pfeilen im Gold gruppierte. Ich habe einfach ähnlich wie ein
Blankbogenschütze abgeschätzt und auf die Acht sechs Uhr gehalten…
Das funktionierte…
Aber das Ergebnis ist genau genommen überhaupt nicht wichtig:
Wichtiger ist es, dass Philipp versuchte, mit mehreren Motivationen
meinen Schießstil zu verbessern. Wir verglichen die Haltung vorhergegangener
Sitzungen mit Hilfe seiner Video-Aufzeichnungen. Letztendlich
half ein Schuhlöffel, der mein Gelenk berührte, um mich
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