Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 23/24
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DREHBERICHT<br />
KAGE<br />
(Schatten)<br />
IM JAHR 1935 PUBLIZIERTE DER JAPANI-<br />
SCHE AUTOR EIJI YOSHIKAWA IN SEINEM<br />
BUCH ÜBER DEN LEGENDÄREN SAMURAI<br />
UND PHILOSOPHEN MIYAMOTO MUSASHI<br />
DAS ZITAT: „ES IST LEICHT, EINEN ÄUSSE-<br />
REN FEIND ZU VERNICHTEN, ABER UNMÖG-<br />
LICH, EINEN INNEREN FEIND ZU BESIEGEN.˝<br />
DIE GESCHICHTE DES VFX-DIPLOMFILMS<br />
KAGE (JAPANISCH FÜR SCHATTEN) MACHT<br />
SICH DIE PHILOSOPHIE UND TUGENDEN DER<br />
SAMURAI ZU NUTZE, UM INNERE KONFLIK-<br />
TE ALS BUCHSTÄBLICHEN KAMPF GEGEN<br />
SICH SELBST ZU INSZENIEREN UND EINEN<br />
MÖGLICHEN UMGANG MIT DIESEN ZU ILLUS-<br />
TRIEREN. DIESE TUGENDEN WEISEN VIE-<br />
LE PARALLELEN ZUM HEUTE BEKANNTEN<br />
BUDŌ AUF, DER PHILOSOPHISCHEN KOMPO-<br />
NENTE DER JAPANISCHEN KAMPFKÜNSTE.<br />
Wir folgen dem jungen Samurai Taka, welcher auf einem<br />
verlassenen mystischen Bergplateau inmitten seines in<br />
Trümmern liegenden Trainingsorts vergeblich versucht,<br />
mit maßlosem Training seinen inneren Konflikt beizulegen.<br />
Dabei wird er – inspiriert vom Schattenarchetyp<br />
der psychoanalytischen Theorie von Carl Gustav Jung<br />
– in einen Kampf mit seinem eigenen Schatten verwickelt<br />
und stellt fest, dass er diesen Kampf nicht gewinnen<br />
kann.<br />
Die Umsetzung dieses Films war eine große Herausforderung.<br />
Wir mussten einen Samurai in einer fiktiven<br />
Umgebung zeigen, einen asynchronen, dreidimensionalen<br />
Schatten darstellen und eine metaphorische Geschichte<br />
in weniger als vier Minuten erzählen. Glücklicherweise<br />
hatten wir ein fantastisches Team von über<br />
100 Menschen, darunter hochambitionierte Studierende<br />
des Animationsinstituts und aus anderen Bereichen der<br />
<strong>Filmakademie</strong> sowie erfahrene Branchenprofis, die diese<br />
Herausforderung gemeinsam gemeistert haben.<br />
Nachdem die Geschichte und die Kernpunkte festgelegt<br />
waren, setzten Lee Huang (ein Mitglied der Stunt-<br />
Crew von Jackie Chan) und sein Team die Kampfchoreografie<br />
in einer ersten Previz um. Zusätzlich erhielten<br />
wir in Online-Konferenzen wertvolle Anregungen aus<br />
erster Hand von Ide Ryusetsu, einem japanischen Samurai-Großmeister,<br />
der bereits für den Charakter Jin<br />
Sakai im Video-Spiel GHOST OF TSUSHIMA als Motion-Capture-Darsteller<br />
agiert hatte. Anschließend übernahm<br />
der Kampfkünstler und Schauspieler Eskindir<br />
Tesfay diese Grundlagen und finalisierte die Kampfchoreografie<br />
zusammen mit den Darstellern Anon Mall (Samurai<br />
Taka) und Bernhard Fuchs (Takas Schatten).<br />
Wir mussten verschiedene VFX-Tests durchführen, einschließlich<br />
der Gestaltung der fiktiven Bergplateau-Umgebung<br />
und des dreidimensionalen Schattens. Eine<br />
KI-gestützte Lösung half uns, die Schattensilhouette freizustellen<br />
und später im Bild abzudunkeln. Um den Aufwand<br />
zu reduzieren, musste das SFX-Maskendepartment<br />
eine Möglichkeit finden, die Augen abzudecken. Denn<br />
Kostüm und Maske sollten bereits eine möglichst dunkle<br />
Grundlage bilden. Das Kostüm des Samurai Taka wurde<br />
dabei nach umfangreicher Recherche der Kriegerbekleidung<br />
der Sengoku-Periode in Japan (15./16. Jahrhundert)<br />
nachempfunden und in aufwändiger Handarbeit gefertigt.<br />
Die authentischen Samurai-Schwerter im Wert von<br />
6.000 Euro wurden eigens für diesen Film von einer Katana-Schmiede<br />
( japanisches Langschwert, Anm. d. Red.)<br />
gefertigt. Für die Kampfszenen wurden aus Sicherheitsgründen<br />
optisch identische Holzattrappen benutzt. Für<br />
den Fall, dass ein Holzschwert zerbrechen sollte, wurden<br />
gleich sechs Exemplare bereitgestellt, um den Drehablauf<br />
durch notwendige Reparaturen nicht zu unterbrechen.<br />
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