14.09.2023 Aufrufe

Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 23/24

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

SPOTLIGHT: KLIMAKRISE<br />

nicht mehr in die Richtung fließen<br />

oder zum Erliegen kommen können.<br />

All diese Dinge wären katastrophale<br />

Kipppunkte im System.<br />

Vielleicht noch nicht global, aber<br />

zumindest regional haben all diese<br />

Prozesse bereits begonnen. Das<br />

ist ein wirklich krasses Warnsignal.<br />

Innerhalb der nächsten Jahre<br />

werden wir die 1,5 Grad Erwärmung<br />

überschreiten, das steht<br />

jetzt schon fest. Die meisten globalen<br />

Kipppunkte liegen zwischen 1,5<br />

und 2 Grad durchschnittlicher Erwärmung.<br />

Wir kommen also in absehbarer<br />

Zeit in diese Gefahrenzone.<br />

Und wenn wir die Emissionen<br />

nicht massiv runterfahren, dann<br />

werden wir sie überschreiten, und<br />

dann ist irgendwann der Ofen aus.<br />

Dann können wir nur noch zuschauen,<br />

wie das System sich immer<br />

weiter in extreme Temperaturbereiche<br />

fährt, an die Menschen<br />

sich nicht anpassen können. Kipppunkte<br />

sind also ein extrem wichtiges<br />

Thema.<br />

Wie konnte es dazu kommen,<br />

dass das System so aus dem<br />

Gleichgewicht geraten ist?<br />

Am besten lässt sich das über das<br />

Konzept des Kohlenstoffbudgets erklären:<br />

Um unseren Planeten herum<br />

gibt es einen geschlossenen<br />

Kreislauf von Kohlenstoff und Wasser,<br />

eine fixe Menge, die über Millionen<br />

Jahre zwischen lebendigen<br />

und toten Elementen in einem konstanten<br />

Austausch war. Dieses verlässliche<br />

Gesamtvolumen haben wir<br />

verändert, indem wir über fossile<br />

Verbrennung Kohlenstoff – Kohle,<br />

Öl, Gas – aus dem Boden geholt<br />

haben. Das alles belastet die Atmosphäre<br />

zusätzlich, überfordert das<br />

System und erschöpft das verfügbare<br />

Kohlenstoffbudget. Über den<br />

Zusammenhang zwischen diesen<br />

110<br />

vielen klimaschädlichen Gasen in<br />

der Atmosphäre können wir die<br />

Temperatur sehr präzise vorhersagen.<br />

Das ist einfach nur angewandte<br />

Physik. Daher wissen wir, dass<br />

der Bereich bis zum Erreichen der<br />

Kipppunkte bei ungefähr 1,5 Grad<br />

liegt.<br />

Für das Kohlenstoffbudget sind aber<br />

nicht nur die Emissionen selbst zu<br />

beachten, sondern auch natürliche<br />

Speicher, die der Atmosphäre<br />

wieder Kohlenstoff entziehen. Das<br />

sind etwa Wälder, Moore oder Ozeane.<br />

Alles, was Leben ist, speichert<br />

Kohlenstoff. Da wir aber parallel zu<br />

den Emissionen immer mehr Lebensräume<br />

vernichten, zum Beispiel<br />

Wälder weiter abholzen, landet<br />

all das auf der negativen Seite<br />

dieser Kohlenstoffgleichung. In Kanada<br />

brennt gerade eine Rekordfläche.<br />

In zwei Monaten sind bereits<br />

über 4 Millionen Hektar Wald abgebrannt,<br />

die nicht mehr als Kohlenstoffspeicher<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Das heißt, wir nähern uns immer<br />

schneller diesen Kippelementen.<br />

Wir haben quasi keinen Stoff,<br />

kein Budget mehr. Wir müssten also<br />

JETZT maximal die Emissionen senken,<br />

nicht erst in ein paar Jahren.<br />

Die nächsten Jahre sind für uns daher<br />

wirklich entscheidend.<br />

Trotzdem gibt es offensichtlich<br />

noch sehr viele Menschen<br />

und Kräfte, die diese Fakten<br />

negieren oder nicht davon<br />

überzeugt sind. Was müsste<br />

denn auf globalem Level passieren,<br />

um das Schlimmste<br />

noch abzuwenden?<br />

Es muss ein Ruck durch unsere Gesellschaft<br />

gehen. Wir müssen endlich<br />

verstehen und akzeptieren, dass<br />

der Klimawandel zu 100 Prozent<br />

menschengemacht ist und dass die<br />

Aussagen der Klimawissenschaft absolut<br />

verlässlich sind. Wir bewegen<br />

uns definitiv auf diese Kipppunkte<br />

zu. Wenn man das nicht wahrhaben<br />

möchte, ist das einfach nur eine<br />

Verweigerung der Realität. Aber<br />

als Menschheit können wir es uns<br />

nicht leisten, diese Verweigerung<br />

weiterzubetreiben. Aktuell gibt es<br />

zusätzlich noch das Phänomen El<br />

Niño im Pazifik. Das ist ein natürlicher<br />

Zyklus, der aber auch wieder<br />

verstärkt wird durch die klimaschädlichen<br />

Gase. In den nächsten<br />

12-18 Monaten werden wir extreme<br />

Temperaturen in einer nicht geahnten<br />

Dimension erleben. Die Ozeane<br />

weisen weltweit Rekordtemperaturen<br />

auf. Es war noch nie so viel<br />

Energie in den Ozeanen. Das sorgt<br />

für weitere Verdunstung und extreme<br />

Regenfälle. Das moderate Klima<br />

der letzten 10.000-12.000 Jahre ist<br />

jetzt schon Schnee von gestern.<br />

Gerade für Landwirtschaft und<br />

Ackerbau brauchen wir verlässliche<br />

Bedingungen, aber die lassen<br />

wir gerade hinter uns. In Kanada<br />

wird Öl aus sandigen Bodenschichten<br />

gefördert. Dafür wurden riesige<br />

Flächen vernichtet. Dadurch<br />

wiederum wird eine gewaltige Trockenheit<br />

ausgelöst. Die riesige Provinz<br />

Alberta wird einen kompletten<br />

Ernteausfall haben. Auch Kansas in<br />

den USA wird einen Ernteverlust<br />

von 50-70 Prozent haben. In China<br />

wird es ähnlich sein. Die Extrembedingungen<br />

in diesen großen<br />

Kornkammern der Welt haben gravierende<br />

Konsequenzen für unsere<br />

Ernährung. Das ist umso dramatischer,<br />

wenn man weiß, dass wir in<br />

Deutschland auf 60 Prozent der Fläche<br />

Nahrungsmittel anbauen, die<br />

wir an Tiere verfüttern.<br />

All diese Zerstörung hängt nachweislich<br />

mit der fossilen Energieförderung<br />

zusammen. Deshalb ist

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!