Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 23/24
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ein sofortiger Ausstieg daraus so<br />
dringend.<br />
Dieses Thema ist so groß und<br />
die Aussichten sind so trüb,<br />
dass sich viele Menschen<br />
überfordert fühlen und Zuflucht<br />
bei populistischen oder<br />
extremistischen Parteien suchen.<br />
Hast Du die Sorge, dass<br />
sich diese Entwicklung bei<br />
fortschreitender Klimakrise<br />
noch verstärken wird?<br />
Natürlich, wenn wir keine wirklich<br />
gute Klimakommunikation betreiben,<br />
die den Leuten erklärt, was da<br />
gerade passiert und welche unausweichlichen<br />
Konsequenzen es jetzt<br />
schon gibt. Die aber auch erklärt,<br />
was man noch tun kann, um das<br />
Ganze aufzufangen und Handlungsoptionen<br />
für die Zukunft zu bewahren.<br />
Es wäre fatal, wenn wir in der<br />
Mitte der Gesellschaft ein kommunikatives<br />
Vakuum lassen, das natürlich<br />
von populistischen Vereinfachungen<br />
gerne gefüllt wird. Das<br />
würde den Klimaschutz immer weiter<br />
ausbremsen. Was die Populisten<br />
versprechen, ist nicht haltbar. Wir<br />
haben auch keine zehn Jahre mehr,<br />
um irgendwie Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen, wie manche behaupten.<br />
Das ist an Naivität nicht zu überbieten.<br />
Wer so argumentiert, der glaubt<br />
auch, die Erde sei eine Scheibe. Wir<br />
können es uns nicht leisten, dass in<br />
der Politik derartig naiv, oder aber<br />
böswillig argumentiert wird.<br />
Wir müssen uns endlich klarmachen,<br />
dass Klimaschutz, Naturschutz<br />
und Umweltschutz gleichbedeutend<br />
sind mit Menschenschutz.<br />
Unsere Gesellschaft kann nur funktionieren,<br />
wenn sie verlässliche Lebensgrundlagen<br />
hat. Nur dann sind<br />
wir stressfrei genug, um miteinander<br />
kooperativ leben zu können.<br />
Dauerstress kann eine Gesellschaft<br />
nicht aushalten. Wir müssen also<br />
in der Klimakommunikation konstruktiver<br />
werden. Wir müssen die<br />
Balance hinbekommen zwischen<br />
dem Erklären krasser Wahrheiten<br />
einerseits und dem Darstellen der<br />
jetzt noch wirkungsvollen Maßnahmen<br />
andererseits, die uns eine<br />
Chance geben, das Klima auf dem<br />
aktuellen Stand zumindest zu stabilisieren.<br />
Siehst Du darin auch die Aufgabe<br />
von Filmstudierenden?<br />
Absolut. Jeder, der in der Lage ist,<br />
ein kommunikatives Medium halbwegs<br />
seriös zu bespielen, sollte es<br />
jetzt als seine Aufgabe akzeptieren,<br />
diese extreme Krise zu kommunizieren.<br />
Und zwar so, dass man die<br />
Dringlichkeit versteht, gleichzeitig<br />
aber auch sagt: Ich übernehme Verantwortung<br />
dafür. Ich weiß natürlich<br />
auch, dass man das als Individuum<br />
nicht leisten kann. Das geht<br />
nur über gesamtgesellschaftliches<br />
Zusammenkommen. Wir müssen<br />
die Verantwortung auf viele Schultern<br />
verteilen.<br />
Du bist auch Teil von<br />
Expert*innengremien. Hast<br />
du den Eindruck, dass das<br />
Problem von den Verantwortlichen<br />
in Politik und Wirtschaft<br />
verstanden wird? Gibt<br />
es also Hoffnung, dass jetzt<br />
entsprechend gehandelt wird?<br />
Das ist leider eine sehr bunte Mischung.<br />
Es gibt gute Leute in der Politik,<br />
die verstehen, worum es geht.<br />
Aber das ist leider eine Minderheit.<br />
Ich habe schon erlebt, dass Politiker<br />
eine Tagesordnung geändert haben<br />
und nach ihrem eigenen Beitrag gegangen<br />
sind, damit sie nicht mit Klimawissenschaft<br />
konfrontiert werden.<br />
Solche Vermeidungsstrategien sieht<br />
man leider bei fast allen Parteien. Natürlich<br />
wissen wir auch, wie manche<br />
Medien manipuliert oder von Interessenverbänden<br />
gelenkt werden.<br />
Die <strong>Filmakademie</strong> könnte hier potenziell<br />
eine große Wirkung entfalten.<br />
Aber es muss die Bereitschaft da sein,<br />
diese Verantwortung jetzt zu übernehmen<br />
und alle verfügbaren Ressourcen<br />
dafür zu nutzen. Dabei müssen<br />
keine perfekten Produkte mit<br />
drei- oder vierjähriger Herstellungszeit<br />
herauskommen. Die Dringlichkeit<br />
ist so hoch, dass wir das Thema<br />
jetzt ständig bespielen müssen, mit<br />
dieser Mischung aus Realität und Tatendrang.<br />
Wir müssen selbst die Akzente<br />
setzen und dürfen nicht reaktiv<br />
sein. Wir müssen das Thema immer<br />
wieder nach außen tragen und nicht<br />
warten, bis die rechte Seite wieder etwas<br />
veröffentlicht hat, an dem wir<br />
uns dann abarbeiten. Wir müssen mit<br />
der Wahrheit und der Realität selber<br />
vorne weggehen. Ich hoffe sehr, dass<br />
die Studierenden und auch die Lehrenden<br />
an der <strong>Filmakademie</strong> diese<br />
immens wichtige Aufgabe jetzt noch<br />
wahrnehmen werden.<br />
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