Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 23/24

Ein Interview mit Soleen Yusef, Absolventin Regie / Szenischer Film (2016)
SOLEEN YUSEF WURDE 1987 IN DU-
HOK, IM KURDISCHEN TEIL DES IRAK
GEBOREN. IM ALTER VON NEUN JAHREN
FLÜCHTETE SIE MIT IHRER FAMILIE NACH
DEUTSCHLAND. NEBEN EINER GESANGS-
UND SCHAUSPIELAUSBILDUNG SOWIE EINER
AUSBILDUNG ZUR IHK-MODENÄHERIN
ARBEITETE SOLEEN ALS PRODUKTIONS-,
REGIE- UND VERTRIEBSASSISTENTIN BEI
DER FIRMA MÎTOSFILM. AB 2008 STUDIERTE
SIE AN DER FILMAKADEMIE BADEN-WÜRT-
TEMBERG SZENISCHE REGIE. WÄHREND
IHRES STUDIUMS ENTSTANDEN U.A. ZWEI
AUF MITSCHRIFTEN DES „SZ-MAGAZIN“
BASIERENDE DOKUMENTARFILME ÜBER DEN
NSU-PROZESS SOWIE IHR DRITTJAHRESFILM
TRATTORIA, DEN SIE AUF DER BERLINA-
LE PRÄSENTIEREN KONNTE. DER MIT DEM
FIRST STEPS AWARD AUSGEZEICHNETE
DIPLOMFILM HAUS OHNE DACH WAR ZU-
GLEICH IHR DEBÜT. SOLEEN ERHIELT EIN
DEUTSCHLANDSTIPENDIUM UND NAHM AN
DEM VON DER BADEN-WÜRTTEMBERG STIF-
TUNG GEFÖRDERTEN HOLLYWOOD WORK-
SHOP AN DER UCLA IN LOS ANGELES TEIL.
Nach ihrem Studium war sie für mehrere internationale
Serienproduktionen als Regisseurin tätig, u.a. für
das Hip-Hop Drama SKYLINES (Netflix), für die DDR-
Spionageserie DEUTSCHLAND 89 (Amazon Prime) sowie
für die Miniserie SAM – EIN SACHSE (Disney+).
Aktuell hat sie den Kinderfilm SIEGER SEIN abgedreht,
für den sie sowohl das Drehbuch geschrieben als auch
die Regie übernommen hat.
Hallo Soleen, schön, dass Du Zeit gefunden hast,
mit uns zu sprechen. In dem Film SIEGER SEIN
geht es um die elfjährige Mona, die mit ihrer kurdischen
Familie aus Syrien geflüchtet ist, nun auf
eine Schule in Berlin Wedding geht und die eine
begnadete Fußballspielerin ist. Ich habe gelesen,
dass dieser Film ein Herzensprojekt von Dir
war. Warum?
SIEGER SEIN ist ein sehr persönliches Projekt. Der Film
ist eine Hommage an meinen damaligen Grundschullehrer.
Als ich nach unserer Flucht aus dem Nordirak gerade
ein paar Monate in Deutschland war, wurde ich in
Berlin Wedding in einer Klasse mit hohem Migrationsanteil
aufgenommen. Einer der Lehrer dort war sehr politisch,
ein Anarcho und Sozialist, und er kannte sich mit
den Konflikten im Nordirak und der Kurdenproblematik
sehr gut aus. Nicht zuletzt deswegen habe ich mich von
ihm gesehen und verstanden gefühlt. Außerdem hatte
dieser Lehrer einen besonderen Fokus auf die Stärkung
von Mädchen. Er hatte gerade ein Mädchen-Fußballteam
ins Leben gerufen, dessen Trainer er war, und er hat
mich motiviert, dort mitzumachen. Für ihn war Fußball
eine Spielwiese, aber auch ein Schlüssel für Charakterentwicklung,
Empowerment und Selbstbewusstsein bei
gleichzeitiger Verbesserung der schulischen Leistungen.
Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich vor allem den Straßenfußball
- ich hatte mit meinem Bruder viel auf den
Straßen Kurdistans Fußball gespielt – aber das war meine
erste Berührung mit Teamsport.
Hat dich dein ehemaliger Lehrer auch bei der
Buchadaption beraten?
Er wusste, dass ich diesen Film gerade vorbereite und
hat die Drehbücher zu SIEGER SEIN gelesen. Er hat
mir hartes Feedback gegeben, aber auch sehr guten Input.
Er hatte sogar noch Fotoalben von damals, weil er
so stolz war auf seine erste Mädchenmannschaft.
Was wolltest du bei SIEGER SEIN dem Publikum
vermitteln?
Mir ging es vor allem darum, eine Fluchtgeschichte aus
Kinderperspektive zu erzählen: Gerade in meinem damaligen
Alter von 10 oder 11 Jahren bedeutet Flucht einen
großen Schmerz. Vor allem, wenn man bereits
Wurzeln geschlagen und seine frühe Kindheit in der
Heimat verbracht hat und sich dann in einer absolut
fremden Welt zurechtfinden muss. In einer Welt, in der
andere Regeln gelten und in der man erst mal fremd ist
– und auch unerwünscht.
Oft haben Deine Filme einen biografischen Bezug,
wie z.B. Dein Diplomfilm HAUS OHNE DACH,
der in und rund um Deine Geburtsstadt Duhok
in Kurdistan gedreht wurde. Ist das auch bei
SIEGER SEIN der Fall?
Die Story von SIEGER SEIN ist im Hier und Jetzt angesiedelt.
Obwohl es biografische Bezüge gibt und ich
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