Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 23/24
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ALUMNI IM FOKUS<br />
meine eigene Geschichte adaptiert habe, ist der Film<br />
kein dokumentarisches Werk. Er gehört in mein Lieblings-Genre:<br />
das der Tragikomödie. Ich habe vieles überhöht<br />
und komödiantisch überspitzt, weil ich denke, dass<br />
man Schreckliches und Trauriges mit einer ehrlichen<br />
Prise Humor besser vermitteln kann und auch das Publikum<br />
einfacher einen Zugang bekommt. Der Umgang des<br />
kurdischen Volks mit seiner Geschichte ist geprägt von<br />
schwarzem, zynischem Humor. Das macht unsere Kultur<br />
und unsere Mentalität aus und prägt natürlich auch meinen<br />
eigenen Humor und meinen Umgang mit der Realität.<br />
Hinzu kommt, dass es sich um einen Kinder- und<br />
Jugendfilm handelt. Da möchte ich natürlich auch Hoffnung<br />
schenken.<br />
Zeit habe ich parallel fünf Serien gemacht, hatte aber immer<br />
diese Sehnsucht nach einem Kinofilm, nach etwas,<br />
das sich mehr Zeit nimmt und eine andere Tiefe hat.<br />
Und wenn alles klappt, werden wir im März nächsten<br />
Jahres mit SIEGER SEIN in den Kinos starten.<br />
Wie schaust Du auf die aktuelle Lage des deutschen<br />
Films, der sich ja mehr Diversität auf die<br />
Fahnen geschrieben hat. Geht es für Dich in die<br />
richtige Richtung oder ist das Ganze eher eine Art<br />
„Woke Washing“?<br />
Wie lief das Casting für den Film ab? Habt ihr<br />
ausschließlich mit Laiendarsteller*innen gearbeitet?<br />
Es war ein sehr langer, aber auch total schöner Prozess.<br />
Angefangen haben wir Ende 2020 mit Suchaufrufen vor<br />
allem in Fußball- und Kulturvereinen. Wichtig war mir<br />
zu verstehen, wie sich das Leben von Kindern und Jugendlichen<br />
heute anfühlt und was ihre aktuellen Probleme<br />
sind. Ich glaube, dass Kinder eine andere Resilienz<br />
haben und sich schneller anpassen können als Erwachsene.<br />
Vielleicht werden sie deswegen oft mit ihren Traumata<br />
übersehen. Deshalb wollte ich das Ganze als ein Sozialprojekt<br />
behandeln. Alles sollte ineinandergreifen: Die<br />
Aufarbeitung meiner eigenen Geschichte, das Sichtbarmachen<br />
der Kinder, in denen ich mich wiederfinde, die<br />
sich aber auch in mir widerspiegeln können. Das und<br />
der Fußball als Klammer, sozusagen als Spielwiese für<br />
das Leben. SIEGER SEIN ist ein Empowerment-Projekt<br />
und ich hoffe, dass man beim Sehen des Films fühlen<br />
wird, welche Kraft dahinter steckt. Eine Kraft, die nicht<br />
nur vom Drehbuch und meiner eigenen persönlichen<br />
Geschichte kommt, sondern aus allem schöpft: Dem Casting,<br />
der Kamera, dem Ton, der Musik - aber vor allem<br />
aus der Kraft dieser Kinder.<br />
Ist SIEGER SEIN ein Kinospielfilm?<br />
Ja, endlich mal wieder Kino! Dieser Film hat meine Seele<br />
geheilt. 2017 habe ich angefangen und den Stoff drei Jahre<br />
lang mit der DCM (Berliner Medienunternehmen, das<br />
v.a. als Filmverleih und Filmproduktionsstudio fungiert,<br />
Anm. d. Red.) und der Initiative „Der besondere Kinderfilm“<br />
entwickelt. Bis alles komplett finanziert und der<br />
Film abgedreht war, hat es fünf Jahre gedauert. In dieser<br />
14<br />
Ich glaube, inhaltlich ist die deutsche Filmlandschaft in<br />
der Krise, weil wir immer noch nicht wissen, für wen<br />
wir die Filme und Serien eigentlich machen. Der kommerzielle<br />
Kinofilm visiert ganz bestimmte Zielgruppen<br />
an. In der TV- Landschaft ist es nicht anders. Dort gehört<br />
er in die Rubrik Krimi und im Kino in die der Romantic<br />
Comedy oder nur Comedy. Dabei bleiben die deutschen<br />
Filme erzählerisch nicht so nah am Publikum, sie unterfordern<br />
es, stülpen ihm vorgekaute Inhalte über, die unterhalten,<br />
aber nichts Neues, nichts Visionäres bieten.<br />
Da wünsche ich mir den Anspruch anderer Länder, wie<br />
zum Beispiel den Skandinaviens, Frankreichs oder auch<br />
Koreas, das als Filmland ganz weit vorne ist im Moment.<br />
In Deutschland sind die immer gleichen Erzählstimmen,<br />
die immer gleichen Produzent*innen und Förderanstalten<br />
gefragt und deswegen bewegt sich kaum etwas.<br />
Wir benötigen einen Diskurs, in dem sich die Gesellschaft<br />
wiederfinden kann. Deswegen ist die Diskussion<br />
um Diversität sehr wichtig. Sie repräsentiert einen freien,<br />
sehr weit gefassten Begriff voller Ideen, Visionen und