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Filmakademie Baden-Württemberg Campus Magazin 23/24

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ALUMNI IM FOKUS<br />

meine eigene Geschichte adaptiert habe, ist der Film<br />

kein dokumentarisches Werk. Er gehört in mein Lieblings-Genre:<br />

das der Tragikomödie. Ich habe vieles überhöht<br />

und komödiantisch überspitzt, weil ich denke, dass<br />

man Schreckliches und Trauriges mit einer ehrlichen<br />

Prise Humor besser vermitteln kann und auch das Publikum<br />

einfacher einen Zugang bekommt. Der Umgang des<br />

kurdischen Volks mit seiner Geschichte ist geprägt von<br />

schwarzem, zynischem Humor. Das macht unsere Kultur<br />

und unsere Mentalität aus und prägt natürlich auch meinen<br />

eigenen Humor und meinen Umgang mit der Realität.<br />

Hinzu kommt, dass es sich um einen Kinder- und<br />

Jugendfilm handelt. Da möchte ich natürlich auch Hoffnung<br />

schenken.<br />

Zeit habe ich parallel fünf Serien gemacht, hatte aber immer<br />

diese Sehnsucht nach einem Kinofilm, nach etwas,<br />

das sich mehr Zeit nimmt und eine andere Tiefe hat.<br />

Und wenn alles klappt, werden wir im März nächsten<br />

Jahres mit SIEGER SEIN in den Kinos starten.<br />

Wie schaust Du auf die aktuelle Lage des deutschen<br />

Films, der sich ja mehr Diversität auf die<br />

Fahnen geschrieben hat. Geht es für Dich in die<br />

richtige Richtung oder ist das Ganze eher eine Art<br />

„Woke Washing“?<br />

Wie lief das Casting für den Film ab? Habt ihr<br />

ausschließlich mit Laiendarsteller*innen gearbeitet?<br />

Es war ein sehr langer, aber auch total schöner Prozess.<br />

Angefangen haben wir Ende 2020 mit Suchaufrufen vor<br />

allem in Fußball- und Kulturvereinen. Wichtig war mir<br />

zu verstehen, wie sich das Leben von Kindern und Jugendlichen<br />

heute anfühlt und was ihre aktuellen Probleme<br />

sind. Ich glaube, dass Kinder eine andere Resilienz<br />

haben und sich schneller anpassen können als Erwachsene.<br />

Vielleicht werden sie deswegen oft mit ihren Traumata<br />

übersehen. Deshalb wollte ich das Ganze als ein Sozialprojekt<br />

behandeln. Alles sollte ineinandergreifen: Die<br />

Aufarbeitung meiner eigenen Geschichte, das Sichtbarmachen<br />

der Kinder, in denen ich mich wiederfinde, die<br />

sich aber auch in mir widerspiegeln können. Das und<br />

der Fußball als Klammer, sozusagen als Spielwiese für<br />

das Leben. SIEGER SEIN ist ein Empowerment-Projekt<br />

und ich hoffe, dass man beim Sehen des Films fühlen<br />

wird, welche Kraft dahinter steckt. Eine Kraft, die nicht<br />

nur vom Drehbuch und meiner eigenen persönlichen<br />

Geschichte kommt, sondern aus allem schöpft: Dem Casting,<br />

der Kamera, dem Ton, der Musik - aber vor allem<br />

aus der Kraft dieser Kinder.<br />

Ist SIEGER SEIN ein Kinospielfilm?<br />

Ja, endlich mal wieder Kino! Dieser Film hat meine Seele<br />

geheilt. 2017 habe ich angefangen und den Stoff drei Jahre<br />

lang mit der DCM (Berliner Medienunternehmen, das<br />

v.a. als Filmverleih und Filmproduktionsstudio fungiert,<br />

Anm. d. Red.) und der Initiative „Der besondere Kinderfilm“<br />

entwickelt. Bis alles komplett finanziert und der<br />

Film abgedreht war, hat es fünf Jahre gedauert. In dieser<br />

14<br />

Ich glaube, inhaltlich ist die deutsche Filmlandschaft in<br />

der Krise, weil wir immer noch nicht wissen, für wen<br />

wir die Filme und Serien eigentlich machen. Der kommerzielle<br />

Kinofilm visiert ganz bestimmte Zielgruppen<br />

an. In der TV- Landschaft ist es nicht anders. Dort gehört<br />

er in die Rubrik Krimi und im Kino in die der Romantic<br />

Comedy oder nur Comedy. Dabei bleiben die deutschen<br />

Filme erzählerisch nicht so nah am Publikum, sie unterfordern<br />

es, stülpen ihm vorgekaute Inhalte über, die unterhalten,<br />

aber nichts Neues, nichts Visionäres bieten.<br />

Da wünsche ich mir den Anspruch anderer Länder, wie<br />

zum Beispiel den Skandinaviens, Frankreichs oder auch<br />

Koreas, das als Filmland ganz weit vorne ist im Moment.<br />

In Deutschland sind die immer gleichen Erzählstimmen,<br />

die immer gleichen Produzent*innen und Förderanstalten<br />

gefragt und deswegen bewegt sich kaum etwas.<br />

Wir benötigen einen Diskurs, in dem sich die Gesellschaft<br />

wiederfinden kann. Deswegen ist die Diskussion<br />

um Diversität sehr wichtig. Sie repräsentiert einen freien,<br />

sehr weit gefassten Begriff voller Ideen, Visionen und

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