Brustzentrum Spezial – 20 Jahre
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DIAGNOSTISCHES BRUSTZENTRUM Göttingen<br />
Herr Fischer, Herr Baum, Sie haben sich damals beide aus wissenschaftlichen<br />
Stellen an der Universitätsmedizin Göttingen verabschiedet<br />
und das <strong>Brustzentrum</strong> sowie die Praxis für Moderne Schnittbilddiagnostik<br />
gegründet. Welche Ziele haben Sie damit verfolgt?<br />
Fischer: Ich wollte eine Medizin praktizieren, wie ich sie mir immer<br />
vorgestellt habe: mit eigenen Entscheidungen, eigenen Verfahrensmustern<br />
und eben auch einer gehörigen Portion Zeit für die Betreuung<br />
<strong>–</strong> ohne die internen Rangeleien, die es in größeren Institutionen<br />
wie einer Uniklinik gibt.<br />
Baum: Für mich war schnell klar, dass ich nicht unter einem Verwaltungschef<br />
arbeiten will. Das ist heutzutage wirklich ein Dilemma in<br />
den Kliniken und leider auch in Medizinischen Versorgungszentren.<br />
Das hat zur Folge, dass Ihnen Dinge vorgeschrieben werden, die Sie<br />
sich nicht vorschreiben lassen wollen. Konkret sind wir mit dem<br />
Ansatz gestartet, den Zeitraum der Unsicherheit für die untersuchten<br />
Frauen so kurz wie möglich zu halten <strong>–</strong> also die Zeit zwischen<br />
Untersuchung und Kommunikation eines Ergebnisses, das Gewissheit<br />
bietet. Denn psychisch ist das ungewisse Warten in der Früherkennung<br />
für die Frauen die größte Belastung.<br />
Wenn Sie die <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> seit der Gründung Revue passieren lassen,<br />
was waren maßgebliche Entwicklungsschritte?<br />
Fischer: Friedemann Baum und ich tragen zwar im Sinne der Geschäftsführung<br />
die Investitionen und die Verantwortung, aber wir<br />
wollten auch das bestmögliche Expertenteam zur Unterstützung.<br />
Wir konnten damals noch weitere Kollegen an der UMG für unsere<br />
Idee begeistern: eine Oberärztin, drei Medizinisch-technische Assistentinnen<br />
und eine Rezeptionistin <strong>–</strong> die hatten den Mut, mit uns zu<br />
starten, obwohl es so etwas wie das Diagnostische <strong>Brustzentrum</strong> in<br />
Deutschland noch nicht gab. Heute sind wir rund <strong>20</strong> Personen.<br />
Wie haben Sie Ihr Team auf dieses Level gebracht?<br />
Fischer: Unser Schwerpunkt lag anfangs auf der Mammadiagnostik,<br />
wir sind aber darüber hinausgegangen und haben in der Praxis<br />
für Moderne Schnittbilddiagnostik Brustkorb, Abdominalbereich,<br />
Becken, Muskel-Skelett-System und Neurologie mit einbezogen.<br />
Als wir kapazitär an unsere Grenzen stießen, haben wir ein zweites<br />
MRT angeschafft <strong>–</strong> und dafür brauchten wir wiederum jemanden,<br />
der uns beim Muskel-Skelett-System unterstützt. Später haben wir<br />
mit Michael Knauth den damaligen Chef der Neuroradiologie der<br />
UMG für die Neurodiagnostik gewinnen können.<br />
Hat Ihnen die UMG den Braindrain übelgenommen?<br />
Fischer: Inzwischen ist das Verhältnis zur UMG sehr gut, weil unser<br />
ehemaliger Chef im Ruhestand ist und wir uns mit seinem Nachfolger<br />
hervorragend verstehen. Beispielsweise konnte sich eine Kollegin<br />
an einem unserer Geräte habilitieren. Die UMG schickt aber auch<br />
MT-Rs, also Medizinische Technologen für Radiologie, zu unseren<br />
Fortbildungen. Das ist ein Geben und Nehmen.<br />
Sie machen Highend-Medizin: Was können Sie besser als andere?<br />
Fischer: Grundsätzlich können das, was wir machen, andere in Kliniken<br />
oder gut ausgestatteten Praxen auch. Wir haben keinen Zaubertrank,<br />
aber bei uns passen alle Facetten zusammen. Bei den Geräten<br />
sind wir sehr gut ausgestattet, und wir haben uns einen so guten<br />
Ruf erworben, dass die Industrie bei uns neue Geräte testen lässt.<br />
Technisch spielen wir ganz vorne mit, das reicht aber nicht. Man<br />
braucht auch das entsprechende Team, das damit umgehen kann<br />
und die fachliche Breite abdeckt. Mammografie und Ultraschall sind<br />
dabei die Standardmethoden, aber wir haben von Anfang an auch<br />
Untersuchungen mit MRT eingesetzt, weil Frauen, die eine dichtere<br />
Drüsenstruktur der Brust haben, damit besser zu durchschauen sind.<br />
Genau das, was wir seit <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong>n leben, wurde übrigens <strong>20</strong>22 von<br />
Fachgesellschaften endlich auch auf europäischer Ebene empfohlen.<br />
Baum: Ganz wichtig ist zudem der Punkt Empathie, die Fähigkeit,<br />
auf das Thema Angst eingehen zu können. Die Frauen mit einer<br />
guten Diagnose sind leicht zu entlassen. Aber Frauen mit einem<br />
bösartigen Tumor brauchen eine Betreuung über die Praxis hinaus.<br />
Wir haben die entsprechenden Kontakte und können aufzeigen, was<br />
geht <strong>–</strong> hormonell, therapeutisch, operativ. Das können eben nicht<br />
alle, denn dazu muss alles stimmen: Team, Geräte, Motivation. Wir<br />
haben uns ganz bewusst viel Mühe gegeben, dass diese Facetten bei<br />
uns ineinandergreifen.<br />
Wo stehen Sie heute?<br />
Baum: Etwa zwei Drittel unserer Patienten fahren mehr als<br />
100 Kilo meter, um zu uns zu kommen, darunter auch national<br />
bekannte Persönlichkeiten. Es kommt aber auch vor, dass ausländische<br />
Kollegen, die bei uns in einer Fortbildung waren, komplizierte<br />
Fälle zu uns schicken. Unser Status hat sich in dieser Hinsicht etwas<br />
geändert: Wir machen nicht mehr nur Versorgung, sondern sind inzwischen<br />
auch Ansprechpartner für viele Kollegen. Wir sagen selbstbewusst,<br />
dass diagnostische Fragestellungen bei uns im Sinne eines<br />
Problem-Solvers definitiv beantwortet werden.<br />
Fischer: Wir machen deutschlandweit die meisten Mamma-MRTs,<br />
etwa <strong>20</strong> bis 25 am Tag. Wir sind aber auch dahingehend einzigartig<br />
geblieben, dass sich fünf Ärzt:innen nur um die Brust kümmern,<br />
und das im Sinne einer Komplettabklärung inklusive Gewebeproben.<br />
So etwas gibt es nach wie vor in der Form und Größe in<br />
Deutschland nicht. Auch zu unserer eigenen Überraschung ist die<br />
Idee von vor <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong>n mit ihrer inzwischen bundesweiten Ausstrahlung<br />
viel größer und kräftiger geworden, als wir dachten. Weil<br />
wir so viele Untersuchungen im Speicher haben, publizieren wir<br />
dazu auch regelmäßig in Fachjournalen und bieten Fortbildungen<br />
an. Ergänzend kommen noch Projekte mit Industriepartnern hinzu.<br />
Wir sind in dieser Hinsicht sicher keine normale Praxis.<br />
Wie sieht denn der Ausblick auf die nächsten fünf bis zehn <strong>Jahre</strong> aus?<br />
Fischer: Ich habe auf jeden Fall Lust, diese Zeit noch weiter zu praktizieren.<br />
Die Kontakte, die Kurse und die Publikationen halten fit.<br />
Baum: Das gilt genauso für mich. Perspektivisch wollen wir eines<br />
Tages das <strong>Brustzentrum</strong> an Menschen übergeben, die unsere<br />
Leidenschaft teilen. Was wir nicht wollen, ist der Verkauf an große<br />
Unternehmensgesellschaften, die schon seit <strong>Jahre</strong>n intensiv radiologische<br />
Praxen aufkaufen. Dadurch würde das Zentrum Seele und<br />
Herz verlieren.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
SPEZIAL 5