Über Anlagenkennzeichnung … Wenn man in diesen stürmischen Zeiten die Gelegenheit hat, sich eine Windkraftanlage von innen anzuschauen, wird man, nachdem man sich von den imposanten Dimensionen dieses Kraftwerks beeindrucken ließ, vielleicht den Blick auf die Einrichtungen am Fuße des Turms werfen. Dort stehen üblicherweise eine Reihe Schränke, auf denen Schilder mit mehr oder weniger kryptischen Zeichen montiert sind, z.B. „=AAC03“ oder „+ASK01“. Der unbedarfte Leser wird sich eventuell fragen: „Was bedeuten diese Codes und w<strong>of</strong>ür braucht man sie?“ Die Experten werden hierüber sicherlich lächeln, denn für sie ist es <strong>of</strong>fensichtlich: es h<strong>and</strong>elt sich um eine st<strong>and</strong>ardisierte Anlagenkennzeichnung, und natürlich wird so etwas benötigt. Alle Kraftwerke, von der kleinsten Solaranlage bis zum größten GuD-Kraftwerk, werden weltweit mit einer systematischen Kennzeichnung versehen und der Grund hierfür steht außer Frage: alle Kraftwerkskomponenten, die überwacht oder inst<strong>and</strong>gehalten werden, müssen eindeutig adressierbar sein. Gerade im Rahmen der vielzitierten Digitalisierung und „Googelisierung“ ist eine unverwechselbare Zuordnung von In<strong>for</strong>mationen zu den davon betr<strong>of</strong>fenen Einrichtungen essenziell, um nicht im In<strong>for</strong>mations-Chaos zu versinken. Ein praktisches Beispiel: wenn Sie Ausfallstatistiken der Motoren der Azimutantriebe Ihrer europaweit von Nordschweden bis Südspanien installierten Windturbinen erheben wollen, dann ist dies nur mit vertretbarem Aufw<strong>and</strong> möglich, wenn alle Antriebe einheitlich gekennzeichnet werden. Also besser: „=G040 MDL<strong>10</strong> MZ0<strong>10</strong> -MA001“ statt „Der erste Motor des Azimut-Antriebssystems der 40. Windturbine”. In der Energietechnik hat sich seit nunmehr fast 50 Jahren das KKS, das „Kraftwerk-Kennzeichensystem“ etabliert. Es ist so etwas wie eine Lingua universalis, denn es wird weltweit einheitlich benutzt. Und so ist es immer wieder faszinierend zuzuhören, wie ein Kraftwerksleiter im ganz fernen Osten unserer Welt in schwer verständlichem Englisch erklärt: „Of course, we use KKS“. Da hat man schon mal eine erste gemeinsame Gesprächsebene gefunden. Vor etwa 20 Jahren entst<strong>and</strong>, hauptsächlich getrieben durch internationale IEC- und ISO-Normen, die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des Kennzeichnungssystems, um für die damals noch jungen Technologien wie Wind- und PV-Anlagen eine strukturierte Kennzeichnung anbieten zu können. Ergebnis war das RDS-PP®, das Reference Designation System <strong>for</strong> Power Plants, das sich vor allem in der Branche der neuen Regenerativen Energien weltweit durchgesetzt hat. Entscheidend für diesen Erfolg ist, dass <strong>vgbe</strong> eine ganze Reihe von praxisnahen Anwendungsrichtlinien publiziert hat und über die Kraftwerksschule – KWS ein umfangreiches Trainingsprogramm anbietet. Abgerundet wird dies durch Beratungsleistungen von Kennzeichnungsexperten, die über den <strong>vgbe</strong> vermittelt werden. Mittlerweile hat sich die Normungswelt wieder weiter gedreht, und herausgekommen ist eine aus unserer Sicht leider bedauerliche Entwicklung: die aktualisierte Kennzeichnungsnorm ISO 81346-<strong>10</strong> ist so abstrakt, dass sie zumindest aktuell in der Energiewirtschaft nicht anwendbar ist. Die Experten vom <strong>vgbe</strong> verfolgen das Thema genau und werden relevante In<strong>for</strong>mationen dazu veröffentlichen, sobald es sinnvoll ist. Bis dahin lautet unsere dringende Empfehlung: bleiben Sie bei KKS und RDS-PP® wie bisher. Warum zwei parallele Kennzeichnungs-Systeme? Ganz einfach, die Umkodierung von Best<strong>and</strong>sanlagen ergibt in den meisten Fällen wenig Sinn, da der Aufw<strong>and</strong> dafür sehr hoch ist. Daher unser Rat: bestehende Kraftwerke und ihre Erweiterungen müssen, nicht zuletzt aus Sicherheitsaspekten, einheitlich nach KKS gekennzeichnet werden. Für neue Anlagen, z.B. im Wind- oder Solarbereich, aber auch für Power-to-Gas-Anlagen bietet sich RDS-PP® hervorragend an, denn es ist das modernere Kennzeichnungssystem mit größerem Funktionsumfang. Zum Schluss noch zwei Empfehlungen: 1. Schreiben Sie in Ihre Lieferverträge, dass die Energieversorgungsanlagen nach KKS oder RDS-PP®, jedoch ausschließlich nach den <strong>vgbe</strong>-Richtlinien in der neuesten Ausgabe gekennzeichnet werden. Es tummeln sich leider eine Menge Konzepte auf dem Markt, die alle wie KKS oder RDS-PP® aussehen, es im Detail dann aber doch nicht sind. Jedoch lässt sich nur dann ein wirtschaftlicher Vorteil erzielen, wenn alle Anlagen einheitlich gemäß den aktuellen Richtlinien nach <strong>vgbe</strong> <strong>energy</strong> gekennzeichnet sind. Wenn Sie Zweifel an den Kennzeichnungsfähigkeiten Ihrer Lieferanten haben, lassen Sie sich ein paar exemplarische Codes bereitstellen und von unseren Experten prüfen. 2. Investieren Sie in das Kennzeichnungs-Know-how Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. KKS und RDS-PP® sind keine einfachen „Sprachen“, denn sie müssen die Komplexität der Energieversorgungsanlagen abbilden. Daher benötigen Sie Fachwissen hierzu in Ihrem Haus, das Sie über Kurse in der Kraftwerksschule – KWS, über die Beschaffung der Anwendungsrichtlinien oder über Expertenberatung bei <strong>vgbe</strong> erlangen können. Nutzen Sie diese Angebote, es lohnt sich. In diesem Sinne: let‘s KKS, let’s RDS-PP! Jörg Richnow Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing Vorsitzender des Technical Committee „Designation & Documentation“ im <strong>vgbe</strong> <strong>energy</strong> e.V. 2 | <strong>vgbe</strong> <strong>energy</strong> <strong>journal</strong> <strong>10</strong> · <strong>2022</strong>
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