01.12.2023 Aufrufe

Ausgabe 11 | Winter 2023

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ausʼn Leben<br />

Böhm geah<br />

In früheren Jahrhunderten sorgten oftmals schlechte Ernten für große Hungersnöte. Ebenso<br />

wie beim Berchteln gehen, handelt es sich beim »Böhm« gehen in Alpbach um einen Heischebrauch.<br />

Das unerkannte Betteln und Heischen von Lebensmitteln ist aber heute längst nicht<br />

mehr die Motivation für die Brauchausübung – die Nachbarschaftspflege steht im Vordergrund.<br />

Der Müllner Franz Moser, geboren 1910,<br />

ist oft »Böhm« gegangen, so schreiben es<br />

Wolfgang Pfaundler und Johann Zellner<br />

im Dorfbuch Alpbach im Jahre 1994:<br />

Franz Moser war sich ganz sicher, dass<br />

der Name »Böhm« – von den Böhmen<br />

her stammt. Als vor dem 1. Weltkrieg, also<br />

Anfang der 1910er Jahre, arbeitslose Böhmen<br />

herumgezogen sind. In der Vorweihnachtszeit<br />

sind diese auch immer nach<br />

TEXT & FOTO: Barbara Moser<br />

Alpbach gekommen. Es waren alte, verarmte<br />

Männer, die bei den Bauern Essen<br />

bekommen haben. Die Männer blieben<br />

meist einen Tag und eine Nacht im Dorf,<br />

bevor sie am nächsten Morgen wieder<br />

weiterzogen. Für diese kurze Zeit waren<br />

sie gern gesehene Gäste, verstanden sie<br />

es doch ausgezeichnet, zu musizieren und<br />

ihr Handwerk auszuüben.<br />

Jahre später sind dann auch die Alpbacher<br />

Männer selbst »Böhm« gegangen. Die<br />

»Böhm« trugen keine Masken, sondern<br />

hatten einen Hut tief in das angerußte<br />

Gesicht gezogen oder trugen Zipfelmützen.<br />

Die »Böhm« waren »ganz schiach«<br />

angezogen, manchmal auch mit langen<br />

weißen Unterhosen. Manche »Böhm«<br />

trugen auch hässliche, alte Frauenkleider.<br />

So angezogen gingen die »Böhm« am<br />

letzten Donnerstag vor Weihnachten von<br />

Wirtshaus zu Wirtshaus. Als Musikinstrumente<br />

dienten ein alter Bass, eine Gitarre,<br />

eine »Tampa« (kleine Trommel) und eine<br />

ausgediente Trompete. Damit spielten<br />

die »Böhm« auf, unterhielten gesellig<br />

die Gäste und bekamen dafür Bier und<br />

Schnaps. Viele Männer sind oft über<br />

Jahre gemeinsam »Böhm« gegangen. Sie<br />

starteten beim Bögler und zogen dann<br />

weiter zum Bischofer, Jakober und Knolln.<br />

Auf dem Nachhauseweg fiel ihnen nicht<br />

selten auch so mancher Unfug ein. Unter<br />

anderem wurde auf einem der besuchten<br />

Bauernhöfe eine Windmühle betrieben.<br />

Diese füllten die Männer mit Heublumen<br />

und wirbelten sie durch die Stube, sodass<br />

es fürchterlich staubte und alle zum<br />

Nießen brachte. Seit den 2020er Jahren<br />

gehen die acht jungen Männer am letzten<br />

Donnerstag vor Weihnachten zu den<br />

abgelegeneren und älteren Höfen in Alpbach.<br />

Mit dabei sind natürlich »Lapp« und<br />

»Lappin«, Schmied, Schuasta, Schneider,<br />

Schindelmacher und zwei Musikanten<br />

mit Ziehharmonika und Teufelsgeige. So<br />

können sich Bauern und Gastgeber wieder<br />

über den althergebrachten Brauch<br />

erfreuen. »Beim ersten mal »Böhm geah«<br />

haben wir nicht gewusst, wie das bei<br />

den Leuten heutzutage ankommen wird.<br />

Als wir uns da versammelt haben, wo<br />

in der Küche Licht gebrannt hat, waren<br />

wir schon alle ein bisschen nervös. Aber<br />

dann ist es losgegangen. Der »Maurer<br />

Jogg« hat die Tür geöffnet und der »Alstn<br />

Hias« ist spielend mit der Ziehharmonika<br />

eingetreten. Und auf einmal waren wir zu<br />

zehnt in der kleinen Küche vom »Tal-Hof«,<br />

haben getanzt, musiziert und mit dem<br />

Werkzeug gehandwerkt.«, sagt Moaringer<br />

Alexander Klingler voller Freude und<br />

Begeisterung.<br />

136 Unterlandlerin<br />

Unterlandlerin 137

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!