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Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik

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Rechner bleibt gar nichts an<strong>der</strong>es übrig, als die Zahl <strong>der</strong> zu untersuchenden Kombinationen<br />

drastisch einzuschränken, z. B. dadurch, daß man dem Gegner immer den vermeintlich<br />

besten Zug unterstellt und an<strong>der</strong>e unberücksichtigt läßt. Egal wie gut die Verfahren zur Begrenzung<br />

<strong>der</strong> untersuchten Kombinationen optimiert wurden, die durchschnittliche Anzahl<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Vorausschau betrachteten Halbzüge (die sog. Suchtiefe) muß, um beispielsweise<br />

im Zeitrahmen von Turnierschach zu bleiben, begrenzt werden, es kann nicht jede Alternative<br />

bis zum sicheren Matt zu Ende gerechnet werden. Um nun den besten Zug zu finden,<br />

müssen die verschiedenen Positionen bewertet werden. Das geschieht durch eine Bewertungsfunktion,<br />

die je<strong>der</strong> Position eine Zahl zuordnet. Im einfachsten Fall kann das dadurch<br />

geschehen, daß nur das ” Material“, d. h. die Anzahl und Stärke (z. B. Bauernäquivalente)<br />

<strong>der</strong> Figuren, betrachtet wird. Aber auch weitere Faktoren (Beherrschung des Zentrums,<br />

Beweglichkeit <strong>der</strong> Figuren, offene Linien und <strong>der</strong>en Beherrschung, Frei- und Doppelbauern<br />

. . . ) können berücksichtigt werden, indem auch diese Faktoren durch Zahlen bewertet werden<br />

und ihnen eine weitere feste Zahl als ” Gewicht“ je nach Anteil dieses Faktors an <strong>der</strong><br />

Gesamtbeurteilung <strong>der</strong> Position zugeordnet wird. Die Auswahl <strong>der</strong> Faktoren, ihre Bewertung<br />

und ihre Gewichtung durch den Programmierer erfor<strong>der</strong>n viel Erfahrung und Wissen<br />

und sind häufig gut gehütete Geheimnisse. Die schematische Bewertung einer Position<br />

nach einer fest vorgegebenen Anzahl von Halbzügen birgt offensichtlich ein Risiko: eine<br />

vom Gegner großzügig angebotene Dame, die sich erst einige Züge später als ” vergiftet“<br />

erweist, kann im Rahmen <strong>der</strong> Suchtiefe zu einer zu guten Bewertung <strong>der</strong> Position und<br />

damit zu Verlusten führen (Horizont-Effekt). Hier können zusätzliche Algorithmen helfen,<br />

durch die in bestimmten Situationen (eindeutig erzwungene Züge (z. B. bei Mattdrohung),<br />

unabgeschlossener Figurentausch) selektiv die Suchtiefe erhöht wird. Weiter können für in<br />

<strong>der</strong> Schachliteratur gut untersuchte Standardsituationen (Eröffnung, Endspiel) spezielle<br />

Programme und Bibliotheken eingesetzt werden.<br />

Angesichts <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten kombinatorischen Explosion besteht kurz gesagt die Kunst<br />

darin, möglichst nur die sinnvollen statt aller möglichen Züge zu betrachten. Die oben<br />

genannten, in die Bewertungsfunktion eingehenden Regeln sind Beispiele für sogenannte<br />

heuristische Verfahren zur Einschränkung des Suchraumes: sie garantieren — im Gegensatz<br />

zu echten“ Algorithmen — nicht den jeweils besten Zug, sollen aber — wie die<br />

”<br />

Anfängern angeratenen Faustregeln — möglichst immer gute Züge liefern (die Verwendung<br />

solcher Heuristiken ist typisch für die KI, die Bezeichnung heuristisch“ ist aber etwas miß-<br />

”<br />

verständlich: <strong>der</strong> Gegensatz zu algorithmisch“ ist nur eine Frage <strong>der</strong> Perspektive, auch<br />

”<br />

die heuristischen Verfahren müssen vom Menschen für den Rechner durch Algorithmen<br />

verfügbar gemacht werden). Der Zeitgewinn durch solche Verfahren ist beträchtlich, wie<br />

beim Schach können häufig Probleme gar nicht an<strong>der</strong>s durch <strong>Computer</strong> bearbeitet werden;<br />

das dabei eingegangene Risiko liegt an<strong>der</strong>erseits klar auf <strong>der</strong> Hand: sehr ungewöhnliche,<br />

” geniale“, erst später voll wirksame Züge können übersehen o<strong>der</strong> unzutreffend bewertet<br />

werden.<br />

Zur Leistungssteigerung von Schachcomputern kann man also zwei Wege gehen bzw. kombinieren:<br />

immer größere Suchtiefen durch immer schnellere und mächtigere hardware (so<br />

wird z. B. diskutiert, ob ein brute force Rechner mit einer Suchtiefe von 20 Halbzügen,<br />

” <strong>der</strong> nur auf das Material achtet“, Weltmeister werden kann) o<strong>der</strong> sehr ausgefeilte Bewertungsfunktionen<br />

und Algorithmen (bei kommerziellen Schachcomputern mit bezahlbarer<br />

Technik wird darauf viel Mühe verwendet). Das gegenwärtig (1992) stärkste Schachsystem<br />

DEEP THOUGHT verfügt über mehrere speziell entworfene Chips zur verteilten Erzeugung<br />

und Bewertung von Positionen mit einer Leistung von mehr als einer Million Po-<br />

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