Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik
Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik
Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Literaturhinweise<br />
Eine kleine KI-Bibliothek<br />
Die very idea <strong>der</strong> KI, das theoretische Konzept <strong>der</strong> GOFAI (Good Old Fashioned Artificial<br />
Intelligence) ist die These, daß Denken auf regelgeleiteter Symbolmanipulation beruht<br />
und daß <strong>denken</strong>de Maschinen deshalb möglich sind, weil wir in diesem Sinne im Grunde<br />
genommen selbst <strong>Computer</strong> sind. Diese These hat ideengeschichtliche Wurzeln, sie bedarf<br />
einer inhaltlichen Präzisierung und sie hat ihre ungelösten Probleme (das gilt auch für<br />
ihre Gegner). John Haugeland, Philosoph und intimer Kenner und Dialogpartner <strong>der</strong><br />
US-KI-Szene, hat sich mit seinem Buch ein dreifaches Ziel gesetzt: ” verständlich und unvoreingenommen<br />
erklären, was KI eigentlich ist; . . . die philosophischen und wissenschaftlichen<br />
Zeugnisse ihrer außerordentlichen Anziehungskraft vorlegen; . . . einen Überblick<br />
verschaffen, was die KI bisher erreicht hat und wo ihre Schwächen liegen“ (1987, S. 2).<br />
Man muß sagen, das ist ihm alles ausgesprochen gut gelungen. Falls jemand vorhat, nur<br />
ein Buch über KI zu lesen, empfehle ich dieses. 47<br />
Nach traditioneller Auffassung hat Sprache wesentlich die Funktion, die Wirklichkeit beschreibend<br />
abzubilden und als Kommunikationsmittel Informationen zu übertragen, im<br />
Rahmen von Wissenschaft möglichst objektiv, formalisiert und kontextfrei, situationsund<br />
interpretationsunabhängig. Diese Sicht <strong>der</strong> Sprache, die auch grundlegend für die<br />
<strong>Informatik</strong> und große <strong>Teil</strong>e <strong>der</strong> KI-Forschung ist (Standardredeweise: ” Modellierung von<br />
Weltausschnitten“), wird seit einigen Jahrzehnten von vielen Seiten (z. B. Phänomenologie<br />
und Hermeneutik, Neurobiologie und Konstruktivismus, Sprechakttheorie) kritisiert:<br />
dabei werde unterschlagen bzw. vernachlässigt, daß Gebrauch und Verstehen von Sprache<br />
geprägt sei durch einen niemals vollständig zu explizierenden ” Hintergrund“, ein ” Vorverständnis“<br />
und ” In-<strong>der</strong>-Welt-sein“, daß Worte Zeichen für die sprachliche Koordination<br />
von Handlungen zwischen Mitglie<strong>der</strong>n einer sozialen Gemeinschaft seien, die in einem<br />
ständigen schöpferischen, ” autopoietischen“ Prozeß sich selbst und ihre Welt hervorbringen,<br />
Wirklichkeit konstituieren, daß Sprechen selbst Handeln sei, Handeln in vielfältiger<br />
Form, mit unterschiedlichen Intentionen, Geltungsansprüchen und Verpflichtungen, mit<br />
einer intersubjektiven Produktion von ” Sinn“ und ” Bedeutung“. Terry Winograd & Fernando<br />
Flores kritisieren — unter Rekurs auf die Arbeiten von Heidegger, Gadamer,<br />
Maturana, Austin und Searle — die ” rationalistische Tradition“ <strong>der</strong> <strong>Computer</strong>technologie<br />
und verwerfen <strong>der</strong>en meist unhinterfragten Grundannahmen über Repräsentation,<br />
Berechenbarkeit, Intelligenz und Sprachverstehen. Bei Fragen wie ” <strong>Können</strong> <strong>Computer</strong> <strong>denken</strong>?“<br />
geht es ihnen ” nicht so sehr um die Lösung als um die Auflösung dieser Fragen“<br />
— zugunsten einer neuen Sicht auf den <strong>Computer</strong> in Hinblick auf ” die Rolle, die er als<br />
Mittler und För<strong>der</strong>er von sprachlichem Handeln als charakteristisch menschliche Tätigkeit<br />
spielt“, mit dem Ziel, ” ein neues Verständnis für den Entwurf von <strong>Computer</strong>werkzeugen<br />
zu verbreiten, die für menschliche Verwendungszwecke und Bedürfnisse geeignet<br />
47 Es ist selbstverständlich erfreulich, wenn an<strong>der</strong>e diese Einschätzung teilen — auch wenn man dabei<br />
auf Belege für den in <strong>der</strong> Einleitung beklagten Umgang <strong>der</strong> ” Zwei Kulturen“ miteinan<strong>der</strong> stößt: ” Das<br />
Buch gehört zur Pflichtlektüre jedes <strong>Informatik</strong>ers, aber auch zu <strong>der</strong> jedes Deutsch- o<strong>der</strong> Gemeinschaftskundelehrers,<br />
<strong>der</strong> — im Dienst einer sogenannten informationstechnischen Bildung — sich legitimiert<br />
glaubt, über <strong>Computer</strong> und ihre Auswirkungen auf Wirklichkeitsaneignung und Selbstverständnis des Menschen<br />
daherzureden.“ (Rüdeger Baumann, LOG IN 2/1989, S. 57; nebenbei: Baumann unterscheidet bei<br />
Büchern zur KI zwischen ” wissenschaftlich-informatischen“ Werken einerseits und ” allgemeinverständlichphilosophischen“<br />
an<strong>der</strong>erseits. Ist das nun ein Kompliment an die Philosophie?)<br />
35