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Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik

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geht die Sonne auf“ zu).<br />

In <strong>der</strong> Mathematik kann und darf sich die Gültigkeit <strong>der</strong> Ableitung einer Konklusion<br />

aus gegebenen Prämissen (z. B. Axiomen) nicht än<strong>der</strong>n, wenn zu den Prämissen weitere<br />

hinzukommen o<strong>der</strong> später auch noch eine an<strong>der</strong>e Schlußfolgerung gezogen wird (diese<br />

Eigenschaft nennt man Monotonie). Im Alltag und in den empirischen Wissenschaften<br />

ist das ersichtlich an<strong>der</strong>s, hier gibt es ständig eine Revision des Wissens. Solches —<br />

nicht-monotones — Denken zu formalisieren, ist eine grundlegende, aber bisher nicht in<br />

<strong>der</strong> nötigen Allgemeinheit gelöste Aufgabe <strong>der</strong> KI. Insbeson<strong>der</strong>e hat sich die Modellierung<br />

und Formalisierung zeitlicher Zusammenhänge und Schlußweisen als ausgesprochen<br />

schwierig erwiesen (wir beziehen uns dabei auf logisch und mathematisch gesehen sehr<br />

unterschiedliche Entitäten: absolute und relative Zeitpunkte, scharf und unscharf abgegrenzte<br />

Zeitintervalle). Im engen Zusammenhang damit steht das schon klassisch zu nennende<br />

Rahmen-Problem <strong>der</strong> KI: wir sehen jemand mit einem Karton unterm Arm aus<br />

einem Geschäft heraus kommen; wir nehmen dabei ganz selbstverständlich an, daß sich<br />

abgesehen von dieser leichten Verän<strong>der</strong>ung des Waren- und Kassenbestandes ansonsten<br />

im Geschäft nichts wichtiges geän<strong>der</strong>t hat, daß ” im wesentlichen“ alles ” normal“ ist und<br />

daß an<strong>der</strong>e Wahrnehmungen, die wir nur am Rande unseres Bewußtseins haben (Autos<br />

fahren vorbei, irgendwelche Lichter gehen an und aus), unwichtig sind. Das alles än<strong>der</strong>t<br />

sich schlagartig, wenn wir entdecken, daß die Person eine Strumpfmaske trägt (in <strong>der</strong><br />

Sprache <strong>der</strong> KI wechselt <strong>der</strong> ” Rahmen“ unseres Wissens, Wahrnehmens und Schließens<br />

von ” Einkauf“ zu ” Raub“). Je nach Situation und Kontext erschließen wir uns nicht nur<br />

neue Fakten, wir entscheiden auch blitzschnell, was sich alles nicht geän<strong>der</strong>t hat und was<br />

davon und von den Verän<strong>der</strong>ungen relevant bzw. irrelevant ist. Die Übertragung dieser<br />

Fähigkeit in ein formales System ist außerordentlich schwierig (als Lösungsansätze wurden<br />

u. a. die oben genannten frames und scripts entwickelt), da bei je<strong>der</strong> Stufe neben den<br />

intendierten Verän<strong>der</strong>ungen und möglichen Seiteneffekten auch explizit angegeben werden<br />

muß, was gleich bleibt und was davon ignoriert (aber nicht vergessen!) werden kann, um<br />

von dieser Basis aus weiter Schlüsse ziehen und dabei zwischen relevanten und uninteressanten<br />

unterscheiden zu können. Ein weiteres Problem bei <strong>der</strong> Formalisierung unserer<br />

Alltagslogik ist unser lockerer und meist problemloser Umgang mit unscharfen Begriffen<br />

(ab wieviel Zentimeter genau ist eine Frau ” groß“? für wen, zu welcher Zeit und an<br />

welchem Ort?). Auch hier gibt es eine lebhafte Grundlagenforschung mit einigen Lösungsansätzen,<br />

die bisher allerdings we<strong>der</strong> allgemein anwendbar noch akzeptiert sind. Durch<br />

Medien und Werbung wird insbeson<strong>der</strong>e die fuzzy logic ins öffentliche Bewußtsein gehoben.<br />

Die bisher vorliegenden technischen Realisierungen dieser ” verschwommenen“ Logik<br />

gehören eher zum Bereich <strong>der</strong> Regeltechnik (z. B. Steuerung chemischer Prozesse, Autofocus<br />

in einer Kamera) in recht gut überschaubaren, eingegrenzten Gebieten; wieweit sich<br />

damit auch Schlußfolgerungen in allgemeineren Zusammenhängen im Kernbereich <strong>der</strong> KI<br />

realisieren lassen, bleibt abzuwarten.<br />

In den letzten Absätzen ist deutlich geworden, daß sich die Grundprobleme <strong>der</strong> adäquaten<br />

Wissensrepräsentation und <strong>der</strong> formalen Beschreibung von Schlußfolgerungen nicht wirklich<br />

trennen lassen; beim Schließen kann nur auf solche Aspekte Bezug genommen werden,<br />

die symbolisch repräsentiert sind, die symbolische Darstellung nützt nichts, wenn nicht<br />

auch dazu passende Ableitungsregeln existieren. Wissen und Schlußfolgern allein reichen<br />

allerdings für in <strong>der</strong> Praxis verwendbare KI-Systeme nicht aus. Je größer das Wissen,<br />

je vielfältiger die Ableitungsregeln, desto größer wird die Anzahl <strong>der</strong> zu untersuchenden<br />

Möglichkeiten. Dabei tritt — wie oben am Beispiel Schach demonstriert — sehr schnell<br />

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