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Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik

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Hier prallten offensichtlich nicht nur unterschiedliche Meinungen, son<strong>der</strong>n völlig unvereinbare<br />

Traditionen des Nach<strong>denken</strong>s über das Denken in ihrem gegenseitigen Unverständnis<br />

aufeinan<strong>der</strong>. Später überlegte ich mir, warum ich über diesen Vortrag und die Diskussion<br />

so erstaunt war; ich hielt mich nämlich für gut informiert über das Gebiet, von dem ich nun<br />

wußte, das man es kurz mit KI“ bezeichnete. Hatte ich mich doch in vielen Veranstaltun-<br />

”<br />

gen meines Lieblingsphilosophieprofessors Gotthard Günther (ein gelernter Hegelianer,<br />

<strong>der</strong> — nach seiner Emigration 1938 — in <strong>der</strong> USA eine neue Heimat fand und später<br />

am Biological <strong>Computer</strong> Laboratory, Department of Electrical Engineering <strong>der</strong> Universität<br />

von Illinois über reflexive, mehrwertige Logik-Systeme forschte) mit seiner These von<br />

<strong>der</strong> transklassischen Maschine als Objektivation und Bild <strong>der</strong> menschlichen Subjektivität<br />

und dem Bewußtsein von Maschinen“ beschäftigt; und dabei immer wie<strong>der</strong> gerne und<br />

”<br />

amüsiert seinen Berichten und Anekdoten über die Begegnungen und die Zusammenarbeit<br />

mit Kybernetikern und <strong>Computer</strong>theoretikern — z. B. W. Ross Ashby und Warren<br />

S. McCulloch — gelauscht (amerikanischer Pragmatismus meets deutschen Idealismus:<br />

” Sie sprechen hier immer von ,Reflexion‘, ,Bewußtsein‘ und ,Selbstbewußtsein‘. Sagen Sie<br />

mal, können Sie das bauen?“ Natürlich nicht!“ Wenn Sie das nicht bauen können, dann<br />

” ”<br />

haben Sie nicht wirklich verstanden, wovon Sie reden. Wenn Sie mir aber genau sagen<br />

können, was Sie damit meinen, dann baue ich Ihnen das auch.“). Hatte ich doch an Veranstaltungen<br />

<strong>der</strong> (theoretischen) <strong>Informatik</strong> zusammen mit Logikern des philosophischen<br />

Seminars über Entscheidbarkeit und Berechenbarkeit teilgenommen; formale Sprachen,<br />

Automaten, Turingmaschinen und das Halteproblem waren mir durchaus vertraut. Wie<br />

gesagt, ich hielt mich für gut informiert — allerdings hatte ich noch nie einen <strong>Computer</strong><br />

auch nur aus <strong>der</strong> Nähe gesehen, geschweige denn selbst programmiert.<br />

Erst viel später — nach Diskussionen über Atomenergie und Gentechnologie mit ähnlichem<br />

Unverständnis auf beiden Seiten — begriff ich, daß <strong>der</strong> Vortrag über KI und meine<br />

Reaktion darauf Ausdruck waren <strong>der</strong> tiefen Kluft zwischen den von Snow1 so genannten<br />

” Zwei Kulturen“, <strong>der</strong> literarisch-geisteswissenschaftlichen und <strong>der</strong> naturwissenschaftlichtechnischen<br />

Kultur“. Bei Vertretern bei<strong>der</strong> Denktraditionen findet sich häufig ein tiefes<br />

”<br />

gegenseitiges Unverständnis, in extremen Fällen Verachtung und Feindseligkeit; ein Symptom<br />

dafür ist, daß sich selbst als durchaus gebildet einschätzende Vertreter einer Kultur“<br />

”<br />

freimütig zugeben, von zentralen Begriffen <strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en Kultur“ nicht das gering-<br />

”<br />

ste zu verstehen und auf dieses Unwissen auch noch stolz sind. Nicht nur für den Umgang<br />

mit und <strong>der</strong> Bewertung von Technik, erst recht für die sozial und ökologisch verträgliche<br />

Gestaltung von Technik ist aber eine Überwindung dieser Kluft durch einen interdisziplinären<br />

Dialog und eine darauf folgende Zusammenarbeit in Forschung, Wirtschaft und<br />

Schule dringend geboten. 2 Das gilt — im Hinblick auf eine humane Gestaltung von Arbeit<br />

und Freizeit in Richtung einer Ökologie des Geistes“ — auch für die Informations- und<br />

”<br />

Kommunikationstechnik und speziell für die Künstliche Intelligenz (bei einem Gebiet, an<br />

dem so viele und so unterschiedliche Disziplinen — u. a. <strong>Informatik</strong>, Elektronik, Meß- und<br />

Regelungstechnik, Philosophie, Linguistik, Psychologie, Neurobiologie — beteiligt und bei<br />

dem so unterschiedliche Anwendungen — von <strong>der</strong> Produktion bis zur medizinischen Diagnose<br />

— intendiert sind, gibt es viele Möglichkeiten, aneinan<strong>der</strong> vorbei zu reden und zu<br />

arbeiten).<br />

Ich begann, mich für die Frage ” <strong>Können</strong> <strong>Computer</strong> <strong>denken</strong>?“ genauer zu interessieren (und<br />

2<br />

1 Vgl. Charles P. Snow (1987).<br />

2 Dabei kann und sollte m. E. die Philosophie eine wichtige Rolle spielen, mehr dazu in Golecki (1992).

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