Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik
Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik
Können Computer denken? Teil 1 - Didaktik der Informatik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
3 KI als Technik<br />
Von alters her hat <strong>der</strong> Mensch Werkzeuge, Maschinen und Verfahren ersonnen, mit <strong>der</strong>en<br />
Hilfe menschliche Tätigkeiten schneller, präziser, ohne Ermüdung, automatisch, auch<br />
unter ungünstigen Bedingungen, billiger usw. ausgeführt werden können (nach Gehlen<br />
ist diese planmäßige Herstellung von Werkzeugen zum späteren Gebrauch gerade das,<br />
was den Menschen zum Menschen macht). Waren es früher nur technische Hilfsmittel zur<br />
Verbesserung und Erweiterung <strong>der</strong> mit den Gliedmaßen verrichteten Arbeit (Bewegung,<br />
Heben, Materialbearbeitung . . . ), so entstanden spätestens mit den ersten mechanischen<br />
Rechenmaschinen auch Werkzeuge für die Arbeit mit dem Gehirn. Der programmierbare<br />
Universalcomputer ist also keineswegs das erste ” Denkzeug“, dennoch handelt es sich bei<br />
ihm um einen völlig neuen Typ von Maschine. Diese ” zweite“ 12 Maschine wandelt nicht<br />
mehr (in erster Linie) Kraft, Energie o<strong>der</strong> Stoff um, son<strong>der</strong>n Information. Während es<br />
sich bei den traditionellen Maschinen um die materielle Realisierung je eines zuvor erdachten<br />
und beschriebenen Verfahrens handelt, ist <strong>der</strong> programmierbare Digitalcomputer<br />
nur materieller Träger beliebig vieler als Programm geschriebener Verfahren; die formale<br />
Darstellung des Verfahrens selbst bestimmt den Ablauf, die Software ist nun die ” eigentliche“<br />
Maschine.<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Technik zählt beim Nachbau natürlicher Prozesse nur die Leistung, nicht<br />
die analoge Funktion: Rä<strong>der</strong> sind zur Fortbewegung meist besser geeignet als künstliche<br />
Beine, ein Hubschrauber imitiert nicht den Vogelflug. Entsprechend interessieren sich<br />
Ingenieure bei <strong>der</strong> Entwicklung und Produktion von KI-Systemen für den tatsächlichen<br />
Ablauf menschlicher Denkprozesse und intelligenter Handlungen nur insofern, als daß sie<br />
daraus Anregungen für eine eigene Umsetzung gewinnen können — ihr Ziel ist nicht <strong>der</strong><br />
technische Nachbau des Gehirns. Dabei ist — wie schon erwähnt — die Grenze zwischen<br />
konventioneller EDV und KI im engeren Sinne nur schwer zu ziehen. 13 Versuchsweise kann<br />
man sagen, daß es bei <strong>der</strong> KI um komplexere Wahrnehmungs- und Verstehensleistungen<br />
statt bloßen Rechnens und Datenabgleichs, um Heuristiken anstelle streng algorithmischer<br />
Lösungen, um die Darstellung von Wissen und die Verarbeitung von komplexeren Symbolen<br />
statt alphanumerischer Daten geht. Aber eine solche Charakterisierung ist nicht<br />
ganz befriedigend, es bleibt das Problem <strong>der</strong> angemessenen Beschreibungsebene: auch bei<br />
KI-Programmen werden ” letztlich“ nach festen Algorithmen Dualzahlen verrechnet. Überhaupt<br />
erscheint die Arbeit erfolgreicher KI-Programme (nicht die <strong>der</strong> Programmierer!) bei<br />
näherer Analyse als erstaunlich simpel, es fällt schwer, die ” Intelligenz“ im umgangssprachlichen<br />
Sinne zu entdecken (daher auch die spöttische Definition ” If it works it’s no AI!“). 14<br />
12<br />
Vgl. den von Gotthard Günther (1963c) gewählten Aufsatztitel.<br />
13<br />
” Heute sind zwei völlig verschiedene Definitionen <strong>der</strong> KI allgemein im Gebrauch:<br />
KI–1: Die Verwendung von <strong>Computer</strong>n zur Lösung von Problemen, die bisher nur durch Anwendung <strong>der</strong><br />
menschlichen Intelligenz zu lösen waren.<br />
KI–2: Die Verwendung einer bestimmten Reihe von Programmiertechniken, die als heuristische bzw. regelbezogene<br />
Programmierung bezeichnet werden. Bei diesem Ansatz werden menschliche Experten einer<br />
Untersuchung unterzogen, um festzustellen, welche heuristische Methoden bzw. Faustregeln sie bei <strong>der</strong><br />
Problemlösung anwenden. [ . . . ] Diese Regeln werden dann verschlüsselt als Eingaben für ein Programm<br />
verwendet, das sich demgemäß verhalten soll. Mit an<strong>der</strong>en Worten, das Programm soll ein Programm so<br />
lösen, wie Menschen es zu tun scheinen. Bemerkenswert ist, daß KI in <strong>der</strong> ersten Definition als eine Reihe<br />
von Problemen angesehen wird, während KI in <strong>der</strong> zweiten als eine Reihe von Techniken betrachtet wird.“<br />
(David L. Parnas (1986), S. 63 f.) Zur KI–2 mehr im Abschnitt 3.3.<br />
14<br />
Dazu noch einmal D. L. Parnas: Die erste Definition hat eine gleitende Bedeutung. Im Mittelalter<br />
”<br />
dachte man, die Arithmetik erfor<strong>der</strong>e Intelligenz. Heute haben wir erkannt, daß es sich um eine mechanische<br />
17