σ Fachliteratur - PD Dr. Wolfgang Schindler
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<strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. W. <strong>Schindler</strong>. Einführung in die Germanistische Linguistik Seite 12<br />
B) Bildung neuer Wörter (WORTBILDUNG, LEXIKALISCHE MORPHOLOGIE): 3<br />
4.2. Grundbegriffe<br />
4.2.1. WORT: als LEXIKALISCHES WORT (WORT-LEXEM) eine abstrakte Einheit des Lexikons, die verschiedenen<br />
konkreten (Text-)WORTFORMEN (bei flektierbaren Wörtern zugleich SYNTAKTISCHE WÖRTER)<br />
zugrunde liegt bzw. durch verschiedene Wortformen repräsentiert wird. Ein Lexem kann durch<br />
ein oder mehrere ORTHOGRAPHISCHE WÖRTER repräsentiert sein: Er sagt: „Die Sonne geht auf“ und<br />
Er sagt, dass die Sonne aufgeht. – Lexeme wie Eimer sind SIMPLIZIA, solche wie Reim+er<br />
WORTBILDUNGSPRODUKTE. Auch MEHRWORTLEXEME gibt es, z. B. jmdm. am Arsch vorbeigehen, frech<br />
wie Oskar ‚sehr frech’ oder das Gelbe vom Ei; sie heißen PHRASEOLOGISMEN. 4<br />
4.2.2. WORTSTAMM: Teil eines komplexen Wortes, der nach Tilgung der Flexionsaffixe übrigbleibt:<br />
BAHNHOF(s), HÄUS(ern),LUSTIG(ere), ERKLÄR(st), (ge)LES(en), LES(en) etc. Bei st. V. lassen sich<br />
Präsens-, Präterital- und Partizipialstamm unterscheiden: SING-st, SANG-st, ge-SUNG-en.<br />
4.2.3. ZITIERFORM/NENNFORM eines Wortes: Nominativ Sing. beim Nomen (Haus, Maus), Infinitiv<br />
beim Verb (lachen, denken; Stämme: lach, denk!), Positivform beim Adjektiv (groß, leise).<br />
4.2.4. MORPHEM: kleinste bedeutungstragende Spracheinheit bzw. kleinste Einheit mit einer<br />
nicht-phonologischen Funktion. Synonyme Minimalzeichen wie werf/wirf oder Haus/Häus fasst<br />
man zu einem Morphem {WERF}, {HAUS} zusammen. Jede Wortform ist mindestens einem Morphem<br />
zuzuordnen. Wortformen sind häufig Morphemkombinationen bzw. Kombinationen von<br />
Allomorphen, vgl. Lateinlehrers und {LATEIN}, {LEHR}, {N.AGENTIS} und {GENITIV}.<br />
ALLOMORPH: ungleiche Formen mit gleicher Funktion/Bedeutung = Varianten eines Morphems.<br />
Das Morphem {RAD} umfasst die lautlichen Allomorphe (Varianten) {[Ra:t]}, {[Ra:d]}, {[Rε:d]},<br />
{[Rε:t]}, schriftsprachlich aber nur zwei: {}, {}. Allomorphie bei {PLURAL}: Mond-e,<br />
Frau-en, Häus-er, Auto-s etc. Ist der Plural nicht markiert wie in (der) Raucher, (die) Raucher,<br />
dann spricht man von einem NULLALLOMORPH (Raucher-0 vs. Männ-er)<br />
MORPH: Formelement, dessen Zugehörigkeit zu einem Morphem noch nicht bestimmt wurde<br />
(Menge homonymer Minimalzeichen): -er, vgl. Kind-er (Pl.), schnell-er (Komp.), Lehr-er (N-Suffix).<br />
4.2.5. UNIKALES MORPHEM: synchron bedeutungsloses Element, das nur in einem Wort vorkommt:<br />
Blau-/ Stachel-/ HIM-beere. Auch: LIND-wurm (ahd. lind ‚Schlange‘; der Lindwurm ist ja kein<br />
‚Wurm, der lind ist‘, vgl. linde Lüfte, lindgrün mit lind ‚sanft, schwach‘), Nacht-igall (‚Nachtsängerin’,<br />
germ. *galan ‚singen‘); ge-ling-en (mhd. lingen ‚vorwärtskommen‘).<br />
4.2.6. FUGENELEMENT: vgl. ohne Fuge Manndeckung und Verfugung des Erstgliedes vor der Komposition<br />
wie in Mannsbild, Mannesalter, Männerarbeit. Manche Fugenelemente entwickelten<br />
sich aus einstigen Flexionssuffixen (Pfaffenrock). Später breiteten sie sich analogisch auch dort<br />
aus, wo sie als Flexeme gar nicht auftreten konnten (Liebesroman):<br />
3<br />
4<br />
Die WB ist die wichtigste Methode, den deutschen Wortschatz auszubauen. Wortschatzerweiterung ist auch<br />
ohne WB möglich, z.B. durch (a) Entlehnung (Computer, Brunch, picobello), (b) „Binnenentlehnung“ aus einem<br />
Dialekt (Wrack, wringen) oder (c) Phraseologisierung (in Teufels Küche kommen, altes Haus ‚alter Freund‘).<br />
Phraseologismen sind Wortverbindungen, die semantische (IDIOMATIZITÄT) und nicht selten auch formale Irregularitäten<br />
– wie auf gut(*es) Glück (keine Adjektivflexion) oder Schlange(*n) stehen (kein Plural möglich) – aufweisen,<br />
so dass sie also nicht frei produziert, d. h. Wort für Wort zusammengesetzt, sondern als Einheiten („feste<br />
Wendungen“) gespeichert und reproduziert werden.