σ Fachliteratur - PD Dr. Wolfgang Schindler
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<strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. W. <strong>Schindler</strong>. Einführung in die Germanistische Linguistik – Seite 39<br />
>> q (ein Satz p präsupponiert q), wobei man q i.d.R. als Satz formuliert. Ein wichtiger Unterschied<br />
wird zwischen semantischen FOLGERUNGEN und pragmatischen PRÄSUPPOSITIONEN angenommen:<br />
(106) Kuno schaffte es, rechtzeitig mit dem Rauchen aufzuhören<br />
(107) Kuno hörte rechtzeitig mit dem Rauchen auf (Folgerung)<br />
(108) Kuno versuchte, rechtzeitig mit dem Rauchen aufzuhören (Präsupposition)<br />
(109) Kuno schaffte es nicht, rechtzeitig mit dem Rauchen aufzuhören<br />
(110) folgt nicht: Kuno hörte rechtzeitig mit dem Rauchen auf (Folgerung von NEG betroffen)<br />
(111) >> Kuno versuchte, rechtzeitig mit dem Rauchen aufzuhören (Präsup. nicht von NEG betroffen)<br />
Während mit (106) auch die Sätze (107) und (108) gelten, gilt mit der Negation in (109) nur noch<br />
(108) (bzw. (110)), nicht aber (107). Negieren kann ich nur etwas Semantisches, also Folgerungen,<br />
nicht aber pragmatische Präsuppositionen. Hier handelt es sich um eine LEXIKALISCHE PRÄ-<br />
SUPPOSITION, die das Verb schaffen (>> versuchen) auslöst (weiteres Beispiel: vergessen präsupponiert,<br />
dass jemand etwas tun sollte oder etwas tun wollte, vgl. Pia vergaß (nicht), das Licht<br />
auszumachen >> Pia sollte/wollte das Licht ausmachen).<br />
FAKTIVE VERBEN können ebenfalls Präsuppositionen (sog. FAKTIVE PRÄSUPPOSITIONEN) auslösen. Ein<br />
faktives Verb wie bedauern setzt voraus (vgl. (112) und (113)), dass das in seiner (satzwertigen<br />
oder satzförmigen) Akkusativergänzung Ausgesagte tatsächlich der Fall ist (man vgl. dagegen ein<br />
nicht-faktives Verb in (114)).<br />
(112) <strong>Dr</strong>acula bedauerte (nicht), Herrn Brezlhuber gebissen zu haben<br />
(113) <strong>Dr</strong>acula hat Herrn Brezlhuber gebissen<br />
(114) <strong>Dr</strong>acula gab vor (nicht-faktives Verb), Herrn Brezlhuber gebissen zu haben<br />
Bei der folgenden EXISTENZPRÄSUPPOSITION<br />
(115) <strong>Dr</strong>acula hat sich (nicht) mit der Orthographiereform befasst<br />
>> Es gibt <strong>Dr</strong>acula und >> Es gibt eine bzw. „die“ Orthographiereform<br />
wird mittels definiter Nominalphrasen die Existenz einer bestimmten Person namens <strong>Dr</strong>acula<br />
bzw. einer bestimmten Orthographiereform präsupponiert, wobei die Existenzpräsupposition<br />
wieder unter Negation konstant bleibt.<br />
8. TEXTLINGUISTIK<br />
8.1. Was ist ein Text (vgl. lat. textus ‚Geflecht, Gewebe‘)?<br />
(a) Satzorientierte Sicht: eine Folge von Sätzen, die durch textbildende Verfahren wie die Wiederaufnahme<br />
(Die Blume ... . Sie ...) und durch inhaltliche Verflechtung (Kuno schläft heute aus.<br />
Er hat nämlich einen freien Tag) vertextet werden. Dadurch ergibt sich ein schriftlich fixiertes,<br />
relativ abgeschlossenes Ganzes (ein Liebesbrief, ein Wetterbericht etc.).<br />
(b) Kommunikationsorientierte Sicht: Texte sind soziale Handlungen, die aus Äußerungen bestehen,<br />
die Sprechakte realisieren, Merkmale der Konnexität (Pron, Konj, ...) tragen und einer bestimmten<br />
Textsorte (Kommunikationskonstellation) zugeordnet werden können.