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„displacement“-Genese der russischen DPs - Forschungsstelle ...

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„Stiller als Wasser, tiefer als Gras“ 17<br />

Geschichte wie<strong>der</strong>geben, sind die untersuchten Briefe, aber auch „Das DP-logische Alphabet“<br />

in <strong>der</strong> geschichtlichen Situation selbst verortet. Die Interviews und biografischen Skizzen enthalten<br />

daher immer auch Bewertungen <strong>der</strong> damaligen Situation durch die Betroffenen heute,<br />

während die Briefe von den Notwendigkeiten <strong>der</strong> Zeit selbst geprägt sind. Auch in den Briefen<br />

spielt natürlich Selbstdarstellung eine Rolle, aber sie entspricht den subjektiven und objektiven<br />

Bedingungen einer Person in <strong>der</strong> historischen Zeit. In den Interviews hatte ich dagegen den<br />

Eindruck, dass in einigen Fällen ein gescheiterter Auswan<strong>der</strong>ungswunsch bis heute als Nie<strong>der</strong>lage<br />

empfunden wurde und dass sich die Betroffenen entsprechend ungern an ihre Bemühungen,<br />

Deutschland zu verlassen, erinnerten. Da es jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich war,<br />

Gespräche mit erfolgreich Ausgewan<strong>der</strong>ten zu führen, wurden statt dessen schriftlich fixierte<br />

Erinnerungen dieser Personengruppe herangezogen. Diese boten darüber hinaus einen umfassenden<br />

Einblick in die Lebenswelt <strong>der</strong> <strong>russischen</strong> Displaced Persons, wie sie die bisher vorwiegend<br />

aus dem Blickwinkel von Verwaltung und Politik entstandenen Darstellungen kaum geben<br />

können. Im Folgenden sollen die für diese Arbeit verwendeten „Quellen“, d.h. die Personen<br />

o<strong>der</strong> Autoren, die befragt wurden, vorgestellt werden. Zum einen sind dies meine InterviewpartnerInnen<br />

und die Verfasser von Memoiren, mit <strong>der</strong>en Erinnerungen im Hauptteil gearbeitet<br />

wird, zum an<strong>der</strong>en biografische Erzählungen und Briefe aus den Jahren 1946 bis 1951. Da die<br />

von mir ausgewerteten Briefe aus dem historischen Archiv <strong>der</strong> <strong>Forschungsstelle</strong> Osteuropa an<br />

<strong>der</strong> Universität Bremen größtenteils noch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben wurden,<br />

können sie nur inhaltlich angedeutet bzw. anonym zitiert werden.<br />

Interviewpartner<br />

Die Herstellung von Kontakten mit ehemaligen <strong>DPs</strong> erwies sich anfangs als recht schwierig, da<br />

viele von ihnen sich nur ungern an die Härten <strong>der</strong> Nachkriegszeit erinnerten; hinzu kamen<br />

Absagen aus gesundheitlichen Gründen. Die Kontakte wurden zum einen über ehemalige Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Emigrantensen<strong>der</strong> Radio Free Europe und Radio Liberty, 45 zum<br />

an<strong>der</strong>en über die russisch-orthodoxe Gemeinde in München hergestellt, 46 weshalb einige <strong>der</strong><br />

von mir interviewten <strong>DPs</strong> miteinan<strong>der</strong> bekannt sind. Keine(r) meiner InterviewpartnerInnen ist<br />

nach dem Krieg aus Deutschland ausgewan<strong>der</strong>t. Unter ihnen waren drei zur Zwangsarbeit ins<br />

Deutsche Reich (nach Deutschland und Österreich) deportierte Frauen, zwei „alte“ Emigranten<br />

<strong>der</strong> zweiten Generation (die Kin<strong>der</strong> von <strong>russischen</strong> Revolutions- und Bürgerkriegsflüchtlingen)<br />

und ein Flüchtling. Damit sind nicht alle im vorangegangenen Kapitel genannten <strong>russischen</strong> DP-<br />

Gruppen vertreten. Es ist davon auszugehen, dass etwa ehemalige Kriegsgefangene an<strong>der</strong>e<br />

Erinnerungen an die Zeit nach ihrer Befreiung haben o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Deutungen ihrer Erinnerungen<br />

vornehmen als die von mir befragten Personen. Dies gilt um so mehr für ehemalige Kollaborateure<br />

und Angehörige <strong>der</strong> Vlasov-Armee, die ihrer Repatriierung in die Sowjetunion entgingen.<br />

Auch die Tatsache, dass keine(r) meiner InterviewpartnerInnen in Drittlän<strong>der</strong> weiterwan<strong>der</strong>n<br />

konnte, mag Einfluss auf ihre Lebensberichte haben. Von den aus den Gesprächen gewonnenen<br />

Erkenntnissen kann daher sicherlich keine Repräsentativität erwartet werden. Da bisher zur<br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>russischen</strong> Displaced Persons keine Monografien vorliegen, versteht sich die<br />

vorliegende Arbeit als erste Annäherung an das Thema. Angesichts des fortgeschrittenen Alters<br />

45 Radio Free Europe und Radio Liberty (RFE/RL) sind Produkte des Kalten Krieges und wurden unter direkter<br />

Mitwirkung des amerikanischen CIA gegründet. Im Unterschied zu Voice of America und zum BBC lag die inhaltliche<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Programme von RFE/RL bei Emigranten aus den Län<strong>der</strong>n, in die sie ausgestrahlt wurden. Die<br />

erste Sendung von Radio Free Europe wurde am 4. Juli 1950 in die Tschechoslowakei gesendet. Für Sendungen<br />

direkt in die Sowjetunion wurde kurze Zeit später Radio Liberty gegründet. Am 1. März 1953 wurde erstmals ein<br />

Programm von Radio Liberty in die Sowjetunion ausgestrahlt, später auch in an<strong>der</strong>e Sowjetrepubliken.<br />

46 An dieser Stelle möchte ich Herrn Gabriel Superfin, <strong>der</strong> bis zu seinem Wechsel in das Archiv <strong>der</strong> <strong>Forschungsstelle</strong><br />

Osteuropa an <strong>der</strong> Universität Bremen 1994 bei Radio Liberty gearbeitet hat, für seine weit über das übliche Maß<br />

hinausgehende Beratung und Unterstützung bei <strong>der</strong> Quellen- und Zeitzeugensuche danken. Ohne ihn wäre es nicht<br />

möglich gewesen, diese Arbeit auf einer so breiten Quellenbasis zu schreiben.

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