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„displacement“-Genese der russischen DPs - Forschungsstelle ...

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„Stiller als Wasser, tiefer als Gras“ 45<br />

Eine weitere wichtige Funktion <strong>der</strong> DP-Presse bestand darin, die in einer weitgehend feindlich<br />

gesinnten Umgebung lebenden <strong>DPs</strong> zu einen, ein Identitätsgefühl zu vermitteln und intellektuelles<br />

Potenzial zu zeigen. 135 Gerade dies, so Stepień, müsse Gewicht für die eben noch als „Untermenschen“<br />

deklassierten Osteuropäer gehabt haben, die noch immer im Land ihrer einstigen<br />

Unterdrücker lebten.<br />

Neben den 1945 von den Militärdienststellen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Psychological Warfare Division<br />

von SHAEF (Supreme Headquaters, Allied Expeditionary Forces), für <strong>DPs</strong> herausgegebenen<br />

Publikationen und Rundfunksendungen konnte sich ein DP-eigenes Pressewesen nur in <strong>der</strong><br />

amerikanischen (90 Prozent <strong>der</strong> gesamten Emigrantenpresse), in geringem Maße auch in <strong>der</strong><br />

britischen Zone (10 Prozent) entfalten. In <strong>der</strong> französischen Zone dagegen entwickelte sich<br />

keine eigene DP-Presse. 136 Nachdem seit Mitte 1946 eine „illegale“ („unauthorized“) Publikationstätigkeit<br />

<strong>der</strong> <strong>DPs</strong> bekannt wurde, versuchten die amerikanischen Militärbehörden, das Pressewesen<br />

zu liberalisieren, indem sie die Veröffentlichungen <strong>der</strong> <strong>DPs</strong> fortan nicht mehr vor,<br />

son<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> Veröffentlichung einer Zensur unterwarfen. Ende August 1946 wurde ein<br />

ordentliches Lizenzverfahren für DP-Verleger eingeführt, das 7 lettische, 3 estnische, 4 jüdische,<br />

4 litauische, eine kalmückische, eine weißrussische und eine mehrsprachige Publikation<br />

bestätigte. 137 Im September wurde eine erste reguläre Presseverordnung für Publikationen <strong>der</strong><br />

<strong>DPs</strong> erlassen, die das Propagieren militärischer, rassistischer und anti-demokratischer Ideen<br />

sowie Aufrufe zum Wi<strong>der</strong>stand gegen die Militärregierung o<strong>der</strong> Kritik an <strong>der</strong>en Politik verbot.<br />

Jede Propaganda gegen die Repatriierung war verboten. Die ersten 43 Lizenzen, die am 15. Mai<br />

1947 vergeben wurden, erhielten Esten (6), Letten (11), Litauer (6), Polen (8), Jugoslawen (2)<br />

und Ukrainer (10). 138 Die Auflagen wurden wegen des anhaltenden Mangels an Papier begrenzt<br />

auf jeweils ein Fünftel <strong>der</strong> Gesamtstärke einer ethnischen DP-Gruppe.<br />

Zentren <strong>der</strong> <strong>russischen</strong> Publizistik in Deutschland wurden Frankfurt am Main und München.<br />

Neben einer typischen Lagerpresse entstand mit <strong>der</strong> Gründung von Posev (Die Aussaat) im<br />

Lager Mönchehof bereits ab November 1945 eine regelmäßig erscheinende, russischsprachige,<br />

überregionale Wochenzeitung. Herausgegeben wurde sie von <strong>der</strong> Partei NTS, die wenig später<br />

auch die vierteljährlich erscheinende Literaturzeitschrift Grani (Grenzen) herausbrachte. Vom<br />

25. Mai 1946 bis 9. Oktober 1949 erschien in Regensburg außerdem die Wochenzeitung Echo.<br />

Seit 1947 schlossen sich estnische, lettische, litauische, polnische, jugoslawische und ukrainische<br />

Vertreter <strong>der</strong> Emigrantenpresse im DP-Lager Augsburg zum „Presseverband <strong>der</strong> DP-<br />

Herausgeber in <strong>der</strong> US-Zone von Deutschland“, später umbenannt in „Verband <strong>der</strong> freien Presse“,<br />

zusammen. Noch im selben Jahr traten ihm Vertreter <strong>der</strong> <strong>russischen</strong>, bis 1955 <strong>der</strong> weiß<strong>russischen</strong>,<br />

ungarischen, rumänischen, bulgarischen, slowakischen, tschechischen, kaukasischen,<br />

albanischen und schließlich <strong>der</strong> Kosaken-Presse bei. 139 Die meisten Zeitungen und Bulletins des<br />

ersten Nachkriegsjahres blieben auf den regionalen Raum einzelner Lager o<strong>der</strong> Städte bzw.<br />

Dörfer begrenzt; viele von ihnen bestanden nur für kurze Zeit. Unter den <strong>russischen</strong> Zeitungen<br />

und Zeitschriften fanden sich Publikationen wie etwa das „Informacionnyj bjulleten’ za prava i<br />

svobodu v Rossii“ (Informationsbulletin für die Rechte und Freiheit in Russland) als monatlich<br />

erscheinendes Organ ehemaliger Angehöriger <strong>der</strong> Vlasov-Armee. Auch <strong>der</strong> „Kazačij vestnik“<br />

(Kosakenbote) wurde von ehemaligen Kollaborateuren <strong>der</strong> Deutschen – Kosaken, die sich <strong>der</strong><br />

Zwangsrepatriierung entzogen hatten – herausgegeben. Beide Organe hatten kaum eine Chance<br />

auf Unterstützung durch die UNRRA bzw. die IRO und wurden vermutlich durch Spenden von<br />

Exilorganisationen des westlichen Auslands, hauptsächlich in Frankreich und den Vereinigten<br />

135<br />

Zum Verhältnis <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung zu den <strong>DPs</strong> und zur Ausbildung von DP-Stereotypen vgl. Jacobmeyer:<br />

Vom Zwangsarbeiter, S. 204–218.<br />

136<br />

Verband <strong>der</strong> Freien Presse e.V. (Hg.): Fünfzehn Jahre, S. 9.<br />

137 Jacobmeyer: Vom Zwangsarbeiter, S. 201.<br />

138 Verband <strong>der</strong> Freien Presse e.V. (Hg.): Fünfzehn Jahre, S. 9.<br />

139 Ebd., S. 10.

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