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„displacement“-Genese der russischen DPs - Forschungsstelle ...

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52 Anne Kuhlmann-Smirnov<br />

nicht untersucht worden, welchen Anteil die in <strong>der</strong> Mehrzahl vorübergehend in Deutschland<br />

lebenden Displaced Persons am Wie<strong>der</strong>aufbau des Landes hatten und wie ihr Beitrag zum so<br />

genannten „Wirtschaftswun<strong>der</strong>“ zu bewerten ist. Die Versorgung <strong>der</strong> in den Lagern lebenden<br />

<strong>DPs</strong> wurde bis 1951 durch die Bestände <strong>der</strong> Besatzungsarmeen und die internationalen Hilfsorganisationen<br />

gewährleistet. Ihre Arbeit nach dem Krieg insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Landwirtschaft und<br />

bei Aufräumarbeiten in den Städten kam dagegen <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft zu Gute, während<br />

gleichzeitig nur minimale Löhne gezahlt werden konnten. Auch die aus deutschen Beständen<br />

versorgten, nicht in Lagern lebenden <strong>DPs</strong>, die ihren Lebensunterhalt wie die deutsche Bevölkerung<br />

weitgehend selbst bestritten, wurden sehr schlecht bezahlt. Daher müsste neu geprüft<br />

werden, inwieweit die als „Belastung“ dargestellten <strong>DPs</strong> in dieser Hinsicht nicht stärkere Beachtung<br />

finden sollten.<br />

Kommunikationswege<br />

Insgesamt lässt sich für die ersten sechs Jahre nach Kriegsende ein Prozess <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Organisierung sozialer Netzwerke unter den <strong>russischen</strong> Displaced Persons und Flüchtlingen<br />

beobachten. Waren es anfangs vor allem persönliche Beziehungen und die russisch-orthodoxe<br />

Kirche, die in den Lagern sehr schnell Gemeinden bildete, so kam es mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

von Kommunikations- und Transportwegen und durch die zunehmenden Auswan<strong>der</strong>ungen von<br />

<strong>DPs</strong> zur Ausbildung von zunächst innerdeutschen und -europäischen, später auch transatlantischen<br />

Netzwerken. Voraussetzung war ein funktionierendes Informationssystem, das zum einen<br />

durch das Postwesen, zum an<strong>der</strong>en durch Zeitungen hergestellt wurde, <strong>der</strong>en Vertrieb sich<br />

zunehmend internationalisierte. So konnten zum Beispiel über Suchmeldungen Familien zusammengeführt<br />

werden, die seit mehreren Generationen getrennt waren. Nicht nur Migranten<br />

<strong>der</strong> ersten Emigrationswelle nach <strong>der</strong> Oktoberrevolution, son<strong>der</strong>n auch vor <strong>der</strong> Revolution<br />

Ausgewan<strong>der</strong>te suchten Angehörige durch das Internationale Rote Kreuz o<strong>der</strong> einfach durch<br />

Inserate in den <strong>russischen</strong> Zeitungen. Aleksej Nekljudov schil<strong>der</strong>t in seinen Erinnerungen, wie<br />

die ersten internationalen Zeitungen in russischer Sprache, beson<strong>der</strong>s die New Yorker Emigrantenzeitung<br />

Novoe Russkoe Slovo, im besetzten Deutschland erschienen. Darin las er Anzeigen,<br />

in denen Leser um die kostenlose Zusendung von alten Zeitungen baten und gab selbst eine<br />

solche Anzeige auf. Bald darauf erhielt er einen Brief von einer Frau, die ihn für einen Verwandten<br />

hielt. Zwar bestätigte sich die Verwandtschaft nicht, aber es war diese Frau, die den<br />

Nekljudovs in <strong>der</strong> Folge bei <strong>der</strong> Beschaffung eines Affidavits in die USA half. 161<br />

161 Nekljudov: Kak my ušli, S. 82–83.

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