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Iurratio – Juristische Nachwuchsförderung eV

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88<br />

Ausbildung<br />

Strafe bedroht ist (vgl. § 1 Abs. 1 JGG, d.h. das als eine tatbestandsmäßige<br />

und rechtswidrige, nicht notwendig auch schuldhafte Straftat anzusehen ist).<br />

Meier setzt dem Begriff der Jugendkriminalität mit dem der Jugenddelin-<br />

quenz gleich 7 , während andere Autoren wie P.-A. Albrecht die Delinquenz<br />

bewusst vom Begriff der Kriminalität abgrenzen, und darunter dasjenige Ver-<br />

halten bezeichnen, das von den Strafverfolgungsbehörden gerade nicht re-<br />

gistriert wird.<br />

Wie dem auch sei, es lohnt sich, auch wenn das Studium fortgeschritten ist, ab<br />

und zu in die Niederungen abzutauchen, den alten Fragen nachzugehen, wie<br />

wir wurden, was wir sind.<br />

C. HELLFELD <strong>–</strong> DUNKELFELD<br />

Jugendstrafrecht ist auch ein wenig Empirie. Recherchieren und schnüffeln in<br />

der Polizeilichen Kriminalstatistik zum Beispiel und schon befinden wir uns<br />

im Hellfeld, der registrierten Kriminalität.<br />

Für das Berichtsjahr 2010 wird noch einmal deutlich wie gering letztlich der<br />

Anteil der Kriminalität von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden an<br />

der Gesamtzahl der Tatverdächtigen ist.<br />

Heranwachsende<br />

b.u. 21J<br />

10,4%<br />

Jungerwachsene<br />

b.u. 25J<br />

11,9%<br />

Jugendliche<br />

b.u. 18J<br />

11,4%<br />

Polizeilich registrierte Tatverdächtige.<br />

PKS 2009<br />

Vollerwachsene<br />

25J u.ä.<br />

61,9%<br />

Betrachtet man die Basiswerte der Kinderkriminalität und ihre absoluten<br />

Zahlen, so wird deutlich, dass selbst unerhebliche quantitative Steigerungen<br />

sich sofort in prozentualen Erhöhungen niederschlagen. Zugleich zeigt sich<br />

noch einmal, dass der Anteil der sogenannten Jungerwachsenen relativ hoch<br />

ist, dann aber alsbald ab dem 26. Lebensjahr abfällt. Man könnte das auch als<br />

ein Indiz dafür werten, dass der Prozess der Erwachsenenwerdens in einer<br />

älter werdenden Gesellschaft Verzögerungen erlebt, nach außen aber durch<br />

scheinbare Selbstständigkeit kompensiert werden.<br />

Spannender ist das Dunkelfeld, also das Reich der wirklichen Kriminalität,<br />

dieses können wir natürlich nie ganz erforschen, allenfalls mit Befragungen<br />

stellen wir fest, dass im Dunklen mehr Sexualdelikte ruhen, die nie angezeigt<br />

wurden und viel mehr Wirtschaftskriminalität, die nie ruchbar wurde.<br />

7 Meier/Rössner/Schöch, Jugendstrafrecht, S. 48.<br />

Kinder<br />

b.u. 14J<br />

4,4%<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 2 / 2011<br />

D. JUGENDSTRAFRECHT- ERZIEHUNGSSTRAFRECHT?<br />

Wer Zeitungsberichte über Strafverhandlungen gegen Jugendliche bzw. He-<br />

ranwachsende liest oder gar selbst an solchen Verhandlungen <strong>–</strong> soweit öffent-<br />

lich <strong>–</strong> teilnimmt, stößt immer wieder auf einen Begriff: Erziehung. Aus Grün-<br />

den der Erziehung werde von der „eigentlich“ angezeigten Jugendstrafe noch<br />

einmal Abstand genommen, es wird eine Woche Jugendarrest verhängt, weil<br />

unter dem Gesichtspunkt der Erziehung ein „Schuss vor den Bug“ vonnö-<br />

ten sei, aus erzieherischen Gründen wird die Verhängung von Jugendstrafe<br />

gefordert, deren Vollstreckung allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden<br />

könne. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. „Erziehung“ erscheint danach als<br />

Füllhorn, aus dem sich nach Bedarf im Einzelfall ebenso Strafschärfendes wie<br />

Strafmilderndes ausschütten lässt.<br />

Ob Jugendstrafrecht denn Erziehungsstrafrecht ist oder sein soll, gehört zu<br />

den Grundfragen dieses Rechtsgebiets. Sie ist umstritten 8 und wird es blei-<br />

ben 9 , auch nachdem der Gesetzgeber mit dem berühmten Federstrich zwar<br />

nicht ganze Bibliotheken zu diesem Thema hat überflüssig werden lassen,<br />

aber doch durch Einfügung eines neuen Absatzes 1 in § 2 JGG 10 „zum er-<br />

sten Mal in der Geschichte des Jugendgerichtsgesetzes“ 11 ein Ziel des Jugend-<br />

strafrechts formuliert: „Die Anwendung des Jugendstrafrechts“, heißt es dort,<br />

„soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsen-<br />

den entgegenwirken“.<br />

Damit ist zunächst einmal klar gestellt, dass die Legalbewährung, wenn auch<br />

nicht einziges („vor allem“), so doch zumindest vorrangiges Ziel der Anwen-<br />

dung von Jugendstrafrecht ist. Die Formulierung lässt es zu, daneben auch andere<br />

Sanktionszwecke, insbesondere Belange des Schuldausgleichs etwa bei<br />

der Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld, zu berücksichtigen.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, heißt es weiter in Satz 2:<br />

„sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts<br />

auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.“<br />

E. DIE HERANWACHSENDEN IM JUGENDSTRAFRECHT - § 105<br />

JGG EINE SPANNENDE RECHTSNoRM<br />

Ob, wie es in der Praxis üblicherweise heißt, Jugend- oder Erwachsenen(straf)<br />

recht anzuwenden ist, richtet sich nach § 105 JGG.<br />

§ 105 Abs. 1 JGG enthält zwei gleichrangige Alternativen. Da nur eine der<br />

in den Nummern 1 und 2 genannten Voraussetzungen gegeben sein muss<br />

(„oder“), ist bei der praktischen Anwendung der Vorschrift entgegen der gesetzlichen<br />

Reihenfolge mit der Prüfung von Nr. 2 zu beginnen. Ob eine Jugendverfehlung<br />

vorliegt, ist unter Einbeziehung der dazu ergangenen Rechtsprechung<br />

leichter zu prüfen und zu entscheiden als das Vorliegen der Voraussetzungen<br />

der Nr. 1, deren Feststellung regelmäßig eine umfassendere<br />

und eingriffsintensivere Prüfung erfordert. 12<br />

8 Vgl. etwa P.-A. Albrecht, Jugendstrafrecht, S. 65 ff. : „Das fragwürdige<br />

Leitprinzip ‚Erziehung’“; für eine Abschaffung des Erziehungsziels als<br />

Grundlage des Jugendstrafrechts H.-J. Albrecht, Gutachten, S. D 97 ff.).<br />

9 Vgl. dazu Ostendorf, Jugendstrafrecht, Rdnr. 50 f.<br />

10 Durch das 2. JGG-Änderungsgesetz vom 13.12.2007, BGBl. I, S. 2894, in<br />

Kraft getreten am 1. 1. 2008.<br />

11 BT-Drs. 16/6293, S. 9.<br />

12 Ebenso: Ostendorf, Jugendstrafrecht, Rdnr. 293.

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