Iurratio – Juristische Nachwuchsförderung eV
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Kanzlei Baker & McKenzie. 7 Als Student steht einem ein erfahrener Anwalt<br />
als Mentor zur Seite, mit dem man fachliche und persönliche Fragen klären<br />
kann <strong>–</strong> zum Beispiel die Praxisrelevanz des angedachten Dissertationsthemas<br />
oder wie der Berufsalltag eines Anwalts aussieht. Daneben können die Teil-<br />
nehmer unter anderem an Soft Skill-Seminaren teilnehmen, beispielsweise<br />
rund um die Themen Legal Writing oder Selbstpräsentation, sowie an Fach-<br />
sprachkursen. Insgesamt bietet ein solches Programm gute Möglichkeiten,<br />
sich über einen längeren Zeitraum kennenzulernen und festzustellen, ob man<br />
zueinander passt.<br />
E. SoFT SKILLS <strong>–</strong> PFLICHT & KüR<br />
Einige Soft Skills entwickeln sich im Laufe des Erwachsenwerdens ganz von<br />
alleine: So nimmt man für gewöhnlich Sozialkompetenzen wie einen respektvollen<br />
und höflichen Umgang miteinander aus der Kinderstube mit.<br />
Wie sich Soft Skills im Erwachsenenleben ausprägen, lässt sich in Pflicht und<br />
Kür unterteilen. In nahezu jeder Stellenanzeige tauchen die Kriterien Teamfähigkeit<br />
und Zuverlässigkeit auf <strong>–</strong> sozusagen die Pflicht. Aspekte wie Verhandlungsgeschick,<br />
Argumentations- und Präsentationsstärke, Rhetorik, Didaktik,<br />
Streitschlichtung und Mediation stellen hingegen die Kür dar. Daher sollte<br />
man seine persönlichen Stärken und Schwächen kennen und sich überlegen,<br />
welche Soft Skills man besonders ausprägen möchte.<br />
F. AN SICH ARBEITEN UND SICH VERBESSERN <strong>–</strong> FEEDBACK<br />
UND CoACHING<br />
Dabei steht man zunächst vor der Aufgabe, sich selbst auswerten und beurteilen<br />
zu müssen. Das ist nicht für jeden einfach, aber enorm wichtig, um sich<br />
selbst zu entwickeln. Ebenso bedeutend ist es, sich Feedback geben zu lassen,<br />
beispielsweise nach einer Präsentation oder im Anschluss an ein Praktikum.<br />
Nur so kann man die Selbst- und Fremdwahrnehmung abgleichen und<br />
an sich arbeiten. Man erhält neue Ideen und kann das Publikum als Sparrings-Partner<br />
nutzen. Spricht man zu laut oder zu schnell? Schafft man es,<br />
schwächere Argumente durch Körpersprache und Haltung zu unterstützen?<br />
All diese Punkte lassen sich nur durch Feedback evaluieren und verbessern.<br />
Für das Publikum ist es oft schwierig, hilfreiches und konstruktives Feedback<br />
zu geben. Dem Vortragenden hilft ein „Ja, war ganz gut“ oder „War schlecht“<br />
als Rückmeldung wenig. Es geht vielmehr darum, Eindrücke, die Wirkung<br />
und Verbesserungsvorschläge in Worte zu fassen. Generell gilt: Feedback<br />
sollte man nur auf Wunsch des Vortragenden, immer aus der „Ich“-Perspektive,<br />
konkret und direkt mit dem Verbesserungsvorschlag verknüpft formulieren,<br />
zum Beispiel: „Für mich war Ihre Gestik in der Einleitung zu hektisch.<br />
Sie sollten versuchen, gerade zu Beginn des Vortrags die Gestik akzentuiert<br />
einzusetzen und harmonisch auf den Inhalt abzustimmen“.<br />
Neben Feedback hilft Coaching, die Selbstreflexion zu stärken und an sich<br />
zu arbeiten. Im Rahmen des Coachings, zum Beispiel des systemischen Coa-<br />
7 Weitere Informationen unter: http://www.bakermentorship.de, prämiert<br />
mit dem azur Award 2011 des JUVE-Karrieremagazins azur in der Kategorie<br />
„Referendariat und Praktikum“.<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 2 / 2011<br />
Praxis & Karriere<br />
chings, lassen sich Probleme jeglicher Art identifizieren, etwa übermäßiges<br />
Lampenfieber vor einem Vortrag oder Prüfungsangst. Zusammen mit dem<br />
Coach erarbeitet man anschließend eine Lösung. Coaching unterstützt, die<br />
eigenen Soft Skills auszubilden, es bietet aber aus meiner Sicht nicht für jeden<br />
den Schlüssel zum Erfolg. Für den einen oder anderen ist es effizienter, durch<br />
Selbstreflexion und Feedback an den eigenen Soft Skills zu arbeiten.<br />
G. EINZELSEMINARE oDER GESAMTPAKET<br />
Wenig effizient sind Einzelseminare, die sich nur theoretisch mit einem Soft<br />
Skill-Thema beschäftigen. Während eines Wochenendseminars zum Thema<br />
Rhetorik bekommt man zwar einen Einblick in dieses Thema <strong>–</strong> jedoch ohne<br />
den Transfer zur Vortrags- oder Verhandlungssituation. Daher sollten Seminare<br />
mit praktischen Elementen verknüpft und als Gesamtpaket gestaltet sein.<br />
Diese Idee schlägt sich im Angebot der Universitäten nieder, wird aber nicht<br />
konsequent verfolgt, da bereits ein Leistungsnachweis aus einem Rhetorik-<br />
Seminar den Gesamtbereich Soft Skills abdeckt. Es wäre zu wünschen, dass<br />
die Universitäten künftig an diesem Punkt ansetzen.<br />
Wer sich nicht nur für Soft Skill-Puzzleteile sondern für das komplette Puzzle<br />
interessiert, sollte sich nach einem Gesamtpaket umschauen. Eine Möglichkeit,<br />
die eigenen Soft Skills und die Persönlichkeit insgesamt zu entwickeln,<br />
bieten Moot Courts8 , vor allem die großen weltweiten Wettbewerbe<br />
wie der Willem C. Vis Moot Court on International Commercial Arbitration9 oder Philipp C. Jessup International Law Moot Court Competition10 sowie<br />
weitere Moot Courts. 11<br />
Ein Moot Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung. Die Teilnehmer<br />
schlüpfen in die Rolle der Parteivertreter, entwerfen Schriftsätze für die jeweilige<br />
Partei und treten in mündlichen Verhandlungen gegeneinander an. Unter<br />
Umständen gibt es einen kleinen Vorteil im anglo-amerikanischen Curriculum,<br />
denn dort sind Moot Courts großenteils Bestandteil der universitären<br />
Ausbildung. 12<br />
Der Reiz liegt nicht nur darin, in der Praxis rechtlich zu argumentieren und<br />
im Team zu agieren. Man bereitet sich auch auf verschiedene Charaktere als<br />
Gegner vor, lernt Elemente des Teammanagements, Strategie und bisweilen<br />
psychologische Aspekte. Bereits am Anfang eines Moot Court-Projekts sind<br />
persönliche Fähigkeiten gefragt, um Unterstützung und Sponsoren für die<br />
Teilnahme13 zu finden.<br />
Außerdem zeigt sich der Charakter des Soft Skill-Pakets14 in der Projektdauer<br />
von mehreren Monaten. Während der gesamten Zeit ist es notwendig,<br />
8 Die Teilnahme wird teilweise von den Universitäten oder einzelnen<br />
Lehrstühlen unterstützt bzw. gefördert.<br />
9 Weitere Informationen unter: http://www.cisg.law.pace.edu/vis.html.<br />
10 Weitere Informationen unter: http://www.ilsa.org/jessup/index.php.<br />
11 Darunter beispielweise der FDI Moot Court (http://www.fdimoot.org)<br />
oder ELSA Moot Courts (http://www.elsa-germany.org/aa/moot_court/de).<br />
12 So Beispielsweise: http://www.law.harvard.edu/academics/courses/2011-<br />
12/?id=9644.<br />
13 Beispielsweise für Reisekosten oder Buch- und Kopierkosten.<br />
14 Im Weiteren werden insbesondere persönliche Erfahrungen des Verfassers<br />
bezüglich des Willem C. Vis Moot Courts einbezogen.<br />
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