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Iurratio – Juristische Nachwuchsförderung eV

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Titelthema<br />

A. EINLEITUNG<br />

Aktuelle Brennpunkte des öffentlichen wirtschaftsrechts<br />

von Rechtsanwältin Dr. Mona Schnaittacher (Köln)<br />

Rechtsanwältin Dr. Mona Schnaittacher ist Senior Associate<br />

am Kölner Standort der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.<br />

Ihre Beratungsschwerpunkte liegen in der gesellschaftsund<br />

steuerrechtlichen Beratung der öffentlichen Hand<br />

sowie in der haushaltsrechtlichen und preisrechtlichen Gestaltung<br />

bei Privatisierungsprojekten im öffentlichen Sektor.<br />

Die Ansichten über ein optimales Verhältnis von Wirtschaft und Staat un-<br />

terliegen dem ständigen Wandel. Mit verschiedensten Instrumenten ver-<br />

suchen staatliche und überstaatliche Normgeber mehr oder weniger intensiv<br />

auf wirtschaftliche Verläufe Einfluss zu nehmen. Nicht zuletzt aufgrund<br />

des wachsenden Einflusses des Gemeinschaftsrechts und des internationalen<br />

Wirtschaftsrechts handelt es sich bei dem so entstehenden öffentlichen Wirtschaftsrecht<br />

um ein sich ständig in Bewegung befindliches Rechtsgebiet.<br />

Dabei lassen sich verschiedene Trends beobachten. Führte die Öffnung des<br />

Marktes in vielen Bereichen zunächst zu einer umfänglichen Privatisierung,<br />

sind in jüngerer Zeit wieder vermehrt Rekommunalisierungstendenzen<br />

auszumachen.<br />

Entsprechend dieser teilweise gegenläufigen Dynamik steigt die Bedeutung<br />

des öffentlichen Wirtschaftsrechts in der Praxis. Deshalb sollen im Folgenden<br />

zwei aktuelle Entwicklungen beleuchtet werden, die in der anwaltlichen Praxis<br />

derzeit zu vielfältigen und hochaktuellen Problemkonstellationen führen.<br />

B. DIE NEUFASSUNG DES § 9 B STRoMSTG <strong>–</strong> GESETZESäNDERUNG<br />

IN BEZUG AUF DIE EINSCHRäNKUNG DER öKoSTEUERBEFREI-<br />

UNG NACH § 9 ABS. 3 STRoMSTG FüR CoNTRACTING- LöSUNGEN<br />

Zum 01.01.2011 trat mit dem Haushaltsbegleitgesetz 20111 eine Änderung<br />

des Stromsteuergesetzes in Kraft, welche zukünftig eine Steuerentlastung „für<br />

die Entnahme von Strom zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kälte, Druckluft<br />

und mechanischer Energie nur gewährt, soweit die vorgenannten Erzeugnisse<br />

nachweislich durch ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes<br />

oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden sind“,<br />

§ 9 b Abs. 1 S. 2 Stromsteuergesetz. In der Folge entfällt damit die Steuervergünstigung<br />

für sog. Contracting-Lösungen in weiten Bereichen vollständig.<br />

I. BEGRIFF DES CoNTRACTING<br />

Unter Contracting versteht man verschiedene Dienstleistungen im Bereich<br />

des Energiesektors, bei denen (im Hauptanwendungsfall des sog. Energie-<br />

1 HBeglG v. 09.12.2011, BGBl. I 2010, 1885.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 2 / 2011<br />

liefer-Contracting) der Contractor eine bestehende Energieerzeugungsanlage<br />

übernimmt oder eine neue plant, finanziert und errichtet; der Contractingnehmer<br />

bezieht dann sog. Sekundär- oder Nutzenergie wie Licht, Wärme,<br />

Kälte, Druckluft und mechanischer Energie vom Contractor2 statt diese (weiterhin)<br />

selbst zu erzeugen.<br />

Eine Legaldefinition des Contracting existiert bislang nicht. Eine Orientierung<br />

kann aber an europäisch geprägten Begriffen erfolgen. Die europäische<br />

Richtlinie 2006/32/EG3 (EDL-Richtlinie) definiert den Begriff der Energiedienstleistung<br />

in Art. 3 e) als den „physikalische(n) Nutzeffekt, den Nutzwert<br />

oder die Vorteile als Ergebnis der Kombination von Energie mit energieeffizienter<br />

Technologie und/oder mit Maßnahmen, die die erforderlichen Betriebs-,<br />

Instandhaltungs- und Kontrollaktivitäten zur Erbringung der Dienstleistung<br />

beinhalten können; sie wird auf der Grundlage eines Vertrags erbracht<br />

und führt unter normalen Umständen erwiesenermaßen zu überprüfbaren<br />

und mess- oder schätzbaren Energieeffizienzverbesserungen und/ oder<br />

Primärenergieeinsparungen.“<br />

Darüber hinaus kann das Contracting auch als Finanzinstrument im Sinne<br />

dieser Richtlinie angesehen werden. Nach Art. 3 m (EDL-Richtlinien) sind<br />

Finanzinstrumente für Energieeinsparungen „alle Finanzierungsinstrumente<br />

wie Fonds, Subventionen, Steuernachlässe, Darlehen, Drittfinanzierungen,<br />

Energieleistungsverträge, Verträge über garantierte Energieeinsparungen,<br />

Energie-Outsourcing und andere ähnliche Verträge, die von öffentlichen<br />

oder privaten Stellen zur teilweisen bzw. vollen Deckung der anfänglichen<br />

Projektkosten für die Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen<br />

auf dem Markt bereitgestellt werden”.<br />

II. ANDERE ARTEN DES CoNTRACTING<br />

Neben dem Energieliefer-Contracting existieren noch andere Arten des Contracting,<br />

namentlich das Energiespar-Contracting, Betriebsführungs-Contracting<br />

und Finanzierungs-Contracting. Mengenmäßig spielen diese Formen<br />

des Contracting aber eine untergeordnete Rolle; auch fehlt hier häufig<br />

die typische Konstruktion, die zu der genannten steuerrechtlichen Konstellation<br />

führt.<br />

III. EURoPARECHTLICH ERWüNSCHT UND GESCHüTZT<br />

Contracting ist im Rahmen europäischer Gesetze geschützt und soll gefördert<br />

werden. Mit der Einordnung als Finanzinstrument geht gemäß Art. 9 Abs. 1<br />

EDL-Richtlinie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten einher, „nicht eindeutig<br />

dem Steuerrecht zuzuordnende nationale Rechtsvorschriften“ aufzuheben<br />

oder zu ändern, „wenn diese die Nutzung von Finanzinstrumenten auf dem<br />

2 Vgl. Lippert, in: Danner/ Theobald, Energierecht, 66. EL, Kap. VIII a<br />

Rn. 10.<br />

3 Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom<br />

5. April 2006 über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen und<br />

zur Aufhebung der Richtlinie 93/76/EWG des Rates.

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