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Ein Flirt mit Paris Mädchen in Uniform Heather - L-Mag

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BUCH<br />

Die biologische Vermessung der Welt<br />

Das Große im Kle<strong>in</strong>en im Bildungsroman „Der Hals der Giraffe“<br />

Wer das Glück hatte, Judith Schalansky<br />

auf der Frankfurter Buchmesse 2008<br />

über die Zukunft der Buchgestaltung<br />

und ihren Erstl<strong>in</strong>g „Fraktur mon Amour“ reden zu<br />

hören, verstand sofort: Bei dieser Frau ist Sprache<br />

zugleich Gestaltung und umgekehrt. Und genau<br />

Lange war sie vom Buchmarkt verschwunden,<br />

die deutsche Übersetzung des ersten<br />

Romans, „Tipp<strong>in</strong>g the Velvet“, von Sarah<br />

Waters aus dem Jahr 1998. „Die Muschelöffner<strong>in</strong>“<br />

erschien 2002 beim Daphne Verlag und<br />

avancierte, wie von der Verleger<strong>in</strong> Susanne<br />

Amra<strong>in</strong> vorhergesehen, zu e<strong>in</strong>em auflagenstarken<br />

Klassiker der lesbischen Literatur. Dass dieser<br />

Roman noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>verlag, der sich<br />

ausschließlich auf lesbische Literatur spezialisiert<br />

hatte, veröffentlicht wurde, war e<strong>in</strong> Glücksgriff<br />

sowohl für den Verlag als auch für die Leser<strong>in</strong>nen.<br />

Mit der Verleger<strong>in</strong> selbst, e<strong>in</strong>er promovierten<br />

Anglist<strong>in</strong> und Kenner<strong>in</strong> lesbischer Sprachkultur,<br />

erhielt er wohl die bisher beste und<br />

orig<strong>in</strong>algetreuste Übersetzung sämtlicher Waters-<br />

Romane <strong>in</strong>s Deutsche. Sarah Waters’ folgende<br />

Bücher – „Solange du lügst“ („F<strong>in</strong>gers<strong>mit</strong>h“),<br />

„Sel<strong>in</strong>as Geister“ („Aff<strong>in</strong>ity“), „The Night<br />

Watch“ („Die Frauen von London“) – bekamen<br />

von den großen Verlagen <strong>in</strong> Deutschland geistlose<br />

Titel, un<strong>in</strong>spirierte Übersetzungen und trotz<br />

e<strong>in</strong>deutig lesbischen Inhalts e<strong>in</strong>e neutralisierte<br />

Vermarktung. Um „Die Muschelöffner<strong>in</strong>“ war es<br />

ab 2006 still geworden, die Hardcover-Ausgabe<br />

Judith Schalansky<br />

das macht ihre Bücher zu etwas<br />

sehr Besonderem. In „Der Hals<br />

der Giraffe“ studiert die Biologielehrer<strong>in</strong><br />

Inge Lohmark ihre<br />

Umwelt vordergründig ab geklärt<br />

und zynisch unter naturwissenschaftlichen<br />

Gesichtspunkten:<br />

die sterbende Infrastruktur ihres<br />

Heimatdorfes <strong>in</strong> der ehemaligen<br />

DDR, das zur Schließung verurteilte<br />

Gymnasium, an dem sie<br />

lehrt, die Schülerschar und auch<br />

alles eventuell emotional Behaftete.<br />

Nur so ergeben Kle<strong>in</strong>igkeiten<br />

und das unfassbar Große e<strong>in</strong>en<br />

tröstlichen S<strong>in</strong>n. Doch ebenso wenig wie es<br />

dem menschlichen Verstand gel<strong>in</strong>gt, das unendliche<br />

Konstrukt des Alls s<strong>in</strong>nstiftend zu begreifen,<br />

so scheitert auch Inge Lohmark. Dass ihr jahrelang<br />

verfe<strong>in</strong>erter Schutzmechanismus unmerkliche<br />

Risse bekommen hat, wird der Leser<strong>in</strong> schneller<br />

abverkauft, e<strong>in</strong>e Neuauflage zwar angekündigt,<br />

sie erschien aber nie. Susanne Amra<strong>in</strong> starb im<br />

Frühjahr 2008 und ihr <strong>E<strong>in</strong></strong>-Frauen-Verlag<br />

Daphne, <strong>mit</strong> sämtlichen Büchern und Lizenzen,<br />

lag beim Nachlassverwalter. Anfang 2011 kaufte<br />

bewusst als ihr. Denn nach und nach gew<strong>in</strong>nt<br />

Erika, e<strong>in</strong>e ihrer Schüler<strong>in</strong>nen, immer mehr an Bedeutung<br />

für die 50-Jährige. Es ist e<strong>in</strong> Kampf, ke<strong>in</strong>e<br />

erlösende Liebesgeschichte, die Judith Schalansky<br />

<strong>in</strong> dem passend dazu gesetzten und gestalteten<br />

Buch beschreibt. Und so ist auch die bewusst e<strong>in</strong>gesetzte<br />

spröde Sprache Konzept, das absichtsvoll<br />

die emotionale Identifikation e<strong>in</strong>es „schnellen<br />

Schmökerns“ verh<strong>in</strong>dert. <strong>E<strong>in</strong></strong> Buch, auf das sich<br />

e<strong>in</strong>gelassen werden soll.<br />

Und zwar abstrahiert und<br />

trotzdem <strong>mit</strong> allen S<strong>in</strong>nen<br />

– e<strong>in</strong>e Gratwanderung.<br />

Simone Veenstra<br />

Judith Schalansky:<br />

„Der Hals der Giraffe“,<br />

Suhrkamp,<br />

221 Seiten, 21,90 Euro<br />

Die Muschelöffner<strong>in</strong> kommt nach Hause<br />

Sarah Waters’ erster Roman beim Verlag Krug & Schadenberg<br />

Foto: Susanne Schleyer<br />

Englands große<br />

lesbische<br />

Schrift steller<strong>in</strong>:<br />

Sarah Waters<br />

der Berl<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>verlag Krug & Schadenberg,<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>er der wenigen unabhängigen Verlage<br />

für lesbische Literatur, den Daphne Verlag<br />

und erhielt so nicht nur viele Schätze der<br />

Lesbenliteratur wie „<strong>Mädchen</strong> <strong>in</strong> <strong>Uniform</strong>“ von<br />

Christa W<strong>in</strong>sloe und Radclyffe Halls „Der Quell<br />

der <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit“, sondern auch die Rechte an der<br />

Übersetzung von Susanne Amra<strong>in</strong>. In der Reihe<br />

k&s classic wurde „Die Muschelöffner<strong>in</strong>“ jetzt<br />

als Taschenbuch neu veröffentlicht. Der Roman<br />

bietet alles, was e<strong>in</strong> dicker Schmöker braucht:<br />

ganz großes Gefühl, atemberaubende Dramen,<br />

dichte Atmosphäre vor viktorianischer Kulisse,<br />

orig<strong>in</strong>elle Sexszenen und glaubwürdige Figuren,<br />

<strong>mit</strong> denen man bis zum<br />

Schluss <strong>mit</strong>fiebert.<br />

Stephanie Kuhnen<br />

Sarah Waters:<br />

„Die Muschelöffner<strong>in</strong>“<br />

Krug & Schadenberg,<br />

578 Seiten, 18 Euro<br />

62 L-MAG<br />

Foto: Presse

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