Wie dokumentarfilme die innerschWeiz folklorisieren - 041 ...
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WOrt<br />
binders gesammelte glauser-bilder<br />
seinen strich kennen alle, <strong>die</strong> im «nzz-Folio» des Vexierbildes<br />
ansichtig werden und darob nicht verzweifeln, sondern sich tüchtig<br />
anstrengen, um Verstecktes ausfindig zu machen (und gegebenenfalls<br />
auf einer hinteren seite <strong>die</strong> auflösung zu konsultieren).<br />
<strong>die</strong> Älteren unter uns erinnern sich an Binders mitarbeit beim<br />
hamburger «sounds» und beim «züritipp». zuletzt hat man eigens<br />
dafür geschaffene Binder-Bilder in christoph kühns Film<br />
«glauser» auf der kinoleinwand sehen können.<br />
hannes Binder, der illustrator. so fing es für den 1947 geborenen<br />
zürcher zeichner in sachen glauser an, mehr als ein Vierteljahrhundert<br />
ist das nun her: mitte der 1980er bekam er den auftrag,<br />
<strong>die</strong> cover für <strong>die</strong> broschierten glauser-Bücher im zürcher<br />
arche-Verlag zu gestalten. und Friedrich glauser (1896–1938)<br />
lässt ihn nicht mehr los, bis heute.<br />
das stattliche neue Buch «glauser» versammelt sechs Binderarbeiten,<br />
<strong>die</strong> es seit 2005 in der inzwischen vergriffenen ausgabe<br />
«nüt appartigs …» gibt, und eine neue, eigene namens «glauser<br />
im kopf». ein text und grosszügige Bilder dazu, Binder-autobiografisches,<br />
wo <strong>die</strong> zeiten und orte – zürich, mailand, hamburg,<br />
gomera, auch Lausanne – durcheinander geraten und ineinander<br />
verwoben sind.<br />
glauser in comic-form<br />
<strong>die</strong> sieben geschichten sind in rückwärtschronologie abgedruckt,<br />
mit den jeweiligen erhellenden Vor-/nachworten/Werkstattgesprächen<br />
von krimiautor Peter zeindler, glauser-Verfilmer<br />
kurt gloor und glauser-herausgeber Frank göhre.<br />
am anfang, bereits in rigorosem schwarz-Weiss, sind es noch<br />
«ordentlich» gestaltete striche und Flächen. Bis Binder zu seiner<br />
zeichnerischen unverwechselbarkeit findet. es ist <strong>die</strong> Binder-typische<br />
technik, auf schabkarton das Weisse aus der schwarzen<br />
oberfläche herauszuschaffen. und dabei das Filigrane mit dem<br />
bisweilen schwindel erregenden zeichnerischen ausdruck zu verbinden.<br />
immer tut es Binder im <strong>die</strong>nste von glausers literarischem<br />
und biografischem geist.<br />
Binder, der illustrator, macht sich alsbald selber an <strong>die</strong> adaption<br />
eines glauser-Werks ins comic-Form. so erschien 1988 der als<br />
«krimi-comic» untertitelte Band «der chinese» nach glausers<br />
studer-krimi nummer vier, gefolgt von «krock & co.» («<strong>die</strong> speiche»,<br />
roman nummer sechs, 1990). in beiden Fällen sind im eigentlichen<br />
sinn comics entstanden, in denen Binder, ausgehend<br />
vom originaltext, verdichtet, strafft, konzentriert. Binder recherchiert<br />
schauplätze und findet Figuren.<br />
Binder beginnt sich mit den Jahren gleichsam von glauser zu<br />
«emanzipieren». es fängt bei der dritten adaption an. Für «knarrende<br />
schuhe» (1992) wählt Binder <strong>die</strong> gattungsbezeichnung<br />
«Bilder-krimi». zwar verwendet er auch noch seitenunterteilungen<br />
durch einzelne Bilder, aber ein eigentlicher comic ist das<br />
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nicht mehr. der text ist jetzt separat als Lauftext gesetzt, neben<br />
<strong>die</strong> Bilder, oder er funktioniert als eine art Legende unter den<br />
Bildern.<br />
zur vollständigen erfindung, immer noch in sachen glauser,<br />
findet Binder 1996 in «Wachtmeister studer im tessin». <strong>die</strong>se<br />
«Fiktion» (so auch deklariert als untertitel) um mysteriöses treiben<br />
spielt im schweizer süden, wo sich in einem durcheinander<br />
der zeiten ausser der romanfigur studer auch <strong>die</strong> beiden autoren<br />
glauser und Binder tummeln, dazu gesellen sich Prominente wie<br />
hannah arendt, Patricia highsmith, hermann hesse, Johannes<br />
robert schürch, max Frisch und der zürcher krimiautor Peter<br />
zeindler.<br />
fieberkurve als collage<br />
nochmals einen schritt weiter geht hannes Binder in «glausers<br />
Fieber» (1998), wo Biografisches zu glauser, Werk (der roman<br />
«<strong>die</strong> Fieberkurve») und Wirklichkeit zu einem neuen collagiert<br />
werden. hannes Binder wollte hier <strong>die</strong>se verschiedenen elemente<br />
kombinieren, miteinander konfrontieren und vermischen:<br />
«das ganze ein einziger Fiebertraum, in den hinein immer wieder<br />
Fragmente aus der realität – Briefstellen, tagebuchaufzeichnungen<br />
– eindringen, <strong>die</strong> ich dann mit eigentlich filmischen mitteln<br />
wie überblendungen einfüge, und so <strong>die</strong> ‹Fieberkurve› zu einer<br />
einzigen collage verarbeite.» alles in allem sind alle sieben<br />
Binder-arbeiten dem von seinem adapteur geschätzten autor<br />
Friedrich glauser und seinem Werk äusserst würdig.<br />
Urs Hangartner<br />
Hannes Binder: Glauser. Sieben gezeichnete<br />
Geschichten von, zu, mit und um Friedrich<br />
Glauser; Limmat Verlag, Zürich 2012.<br />
560 Seiten. Ca. Fr. 68.–<br />
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