Wie dokumentarfilme die innerschWeiz folklorisieren - 041 ...
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Von Wätterschmöckern, Wildheuern und Bergbauernkindern:<br />
<strong>Wie</strong> <strong>die</strong> Schweizer Dokumentarfilmer<br />
<strong>die</strong> innerschweiz <strong>folklorisieren</strong>.<br />
Von Christoph Fellmann<br />
und über manch eine steile Flanke hob sich manch<br />
eine Wolke. und manch einem kälbli und geissli<br />
wurde ins maul geschaut, und durch manch einen<br />
holztrichter erging der ruf ins tal. in den töpfen briet<br />
das steinpilzrisotto und dampften <strong>die</strong> makkaronen<br />
unter dem alpkäse, und <strong>die</strong> schulkinder stachen <strong>die</strong><br />
guetzli aus dem teig. es hub ein grosses heuen an und<br />
ein allgemeines Jodeln, und es ging über in ein lärmendes<br />
Fasnachten und zurück in <strong>die</strong> stille und <strong>die</strong><br />
kontemplation. «<strong>die</strong> natur birgt manch ein geheimnis»,<br />
weissagte der junge und bärtige mann, «man<br />
muss gar nicht auf den mond hinauf.» über alldem<br />
kreiste der milan und sah vermutlich, dass es gut war,<br />
und der alte und bärtige mann fragte, wie das Wetter<br />
wird.<br />
es ist derzeit nicht einfach, den überblick zu behalten<br />
im schweizer kino; darüber, welche Fluh in welchem<br />
Film von welchem Bergler begangen wird, und<br />
welche kuh von welchem Älpler in welchem stall gemolken.<br />
der einheimische dokumentarfilm berichtet<br />
6<br />
in hoher kadenz über <strong>Wie</strong>senberger, Wildheuer und<br />
Wätterschmöcker, über Betrufer, Bödälär und buspere<br />
kinder vom Berg. und das Publikum geht hin: Wer<br />
<strong>die</strong>ser tage <strong>die</strong> rurale swissness ins kino bringt, darf<br />
zuverlässig mit 20 000 bis 30 000 eintritten rechnen<br />
(siehe kasten). «<strong>die</strong> kinder vom napf» hat es sogar auf<br />
mehr als das doppelte gebracht und damit «das erbe<br />
der Bergler» überholt: mit seinem Film über <strong>die</strong> Wildheuer<br />
hatte erich Langjahr vor sechs Jahren fast<br />
64 000 schweizerinnen und schweizer ins kino gelockt<br />
– und das kommerzielle Potenzial des urchigen<br />
aufgezeigt.<br />
<strong>die</strong> Quote und das geld<br />
der Boom ist tatsächlich neu: 1993 brachte cyrill<br />
schläpfer seine «ur-musig» ins kino. den bis heute<br />
kühnsten und folgenreichsten Film über das folkloristische<br />
erbe sahen damals gerade 5088 Leute. zwanzig<br />
Jahre später bildet sich auch an der kinokasse ab, was<br />
überall zu beobachten ist. in der wiedererwachten<br />
Volkskultur glaubt <strong>die</strong> globalisierte schweiz, ihre