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Existenz und Humanismus. Sartres und Heideggers - Egon Schütz ...

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dessen Ruinanz- <strong>und</strong> Degenerationsform. Die Kritik trifft nicht<br />

etwa die subtil durchreflektierten Gedanken des Neuhumanismus<br />

<strong>und</strong> der historischen Klassik, wohl aber jene Humanitätstümelei,<br />

in der originäres humanistisches Gedankengut zu Klischees <strong>und</strong><br />

Ideologien herabsank. Den Menschen beurteilen zu können aus sicherer<br />

Einsicht in das, was an ihm richtig oder falsch sei, diese nur<br />

angemaßte <strong>und</strong> darin äußerst inhumane Rechthaberei war Humboldt ebenso<br />

fremd wie Goethe, Herder oder Pestalozzi. Sie fragten dringend,<br />

bohrend <strong>und</strong> durchaus skeptisch nach dem, was der Mensch sei <strong>und</strong><br />

was aus ihm im Guten oder Bösen werden könnte. Sie bemühten sich<br />

um menschliche Urteilskraft, aber nicht um arrogante Urteile über<br />

Menschen. Und sie hätten weder Roquentin noch Sartre ihre Zustimmung<br />

verweigert, wenn es darum geht, die gutgläubigen oder die gefährlich-anmaßenden<br />

Schein- <strong>und</strong> Alibi-Humanisten zu entlarven, die,<br />

weil sie bruchlos alles vereinnahmen können, bar jeder Urteilskraft,<br />

aber leider nicht aller praktischen Folgen sind. Es war,<br />

was manchen erstaunen mag, Wilhelm von Humboldt, der sagte, wenn<br />

man den Menschen kennenlernen wolle, müsse man auf die Straßen<br />

gehen. Das zeugt nicht von jener Weltfremdheit, die den Erbhumanisten<br />

nur allzu deutlich anhaftet. Die Menschenkenntnis, das war<br />

den Klassikern des <strong>Humanismus</strong> durchaus bekannt, ist in die Zeiten<br />

fallendes, aber sich nicht abschließendes Programm. Darin reiht<br />

sich auch Sartre ein, <strong>und</strong> sein anfängliches Plädoyer für einen<br />

ontologischen Realismus in Sachen Mensch ist, selbst im Gegensatz<br />

zur Klassik, einem gemeinsamen Problem, nämlich der Bemühung um<br />

urteilsfähige Selbsterkenntnis verpflichtet. Das konnte auch der<br />

Hinweis auf Herder belegen. Der "erste Freigelassene der Schöpfung"<br />

ist nicht der zur Freiheit Verdammte <strong>Sartres</strong> <strong>und</strong> dennoch sind beide<br />

über die Distanz einiger Generationen verwandt: Als Zeugen der<br />

Freiheit, die nach ihrem Sinn fragt. Der Pädagoge aber kann sich<br />

aus dieser Frage nicht herauslassen. Möchte er sich ihr verweigern,<br />

so wird sie ihm aufgedrängt - <strong>und</strong> sei es auch nur durch den fragenden<br />

Blick eines jungen Menschen, der ihn, den Pädagogen, in<br />

seiner Fragwürdigkeit in Frage stellt. Auch dazu ließe sich bei<br />

Sartre etwas lernen.

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