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Existenz und Humanismus. Sartres und Heideggers - Egon Schütz ...

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fraglos auf den Boden einer normativen Unterscheidung von selbstreflexiver<br />

Vernunft <strong>und</strong> vernunftloser, bloß gefühlshafter Weltzugewandtheit<br />

stellt. Diese Unterscheidung wird indes bei Sartre<br />

problematisch. Nicht, daß er dem Dasein Vernunft <strong>und</strong> Bewußtsein abspräche.<br />

Er ist auch in seiner Kritik noch Kartesianer. Aber Vernunft<br />

<strong>und</strong> Bewußtsein sind für ihn situativ <strong>und</strong> vieldimensional.<br />

Deshalb kann er auch einer reinlichen Trennung zwischen bewußten<br />

<strong>und</strong> unbewußt^Schichten des Daseins nicht zustimmen. Und so kommt es<br />

zur Rehabilitierung des nur vermeintlich Irrationalen im Aufweis<br />

des ihm eigenen vor-thetischen Bewußtseins. Dieses "irrationale Bewußtsein"<br />

(im Unterschied zum nationalen Bewußtsein) ist nichts Vorläufiges<br />

oder gar uneigentliches, sondern es ist die elementare<br />

Gr<strong>und</strong>stimmung menschlichen Daseins überhaupt. Die Weise, wie sich<br />

der Mensch im Anderen <strong>und</strong> am Widerstand der Welt entdeckt, wie er<br />

sich im Entzug seiner Welt erlebt, wie er darauf in Angst, Scham,<br />

Ekel, Stolz usf. "antwortet", wie er sich in diesem Erleben vorprädikativ<br />

"bestimmt", hat nichts zu tun mit der Bewußtlosigkeit<br />

des Schlafs der Dinge. Vielmehr ist sein elementares Erleben Bewußtsein<br />

im Vollzug, das erst durch eine relativ künstliche Operation<br />

zu sich selbst auf registrierende Distanz gelangt. Wer also<br />

dem reflexiven Bewußtsein <strong>und</strong> seinem methodischen Zweifel ein Unbewußtes<br />

unterlegt, würde - nach Sartre - den Versuch unternehmen,<br />

dem Menschen die Doppelgestalt eines Ansichseins, das zugleich ein<br />

Fürsichsein ist, zu unterstellen. Der Mensch ist aber nicht erst<br />

ein Ding (ein bewußtlos Seiendes) <strong>und</strong> dann noch (im Sinne einer<br />

Zugabe) ein Bewußtsein, sondern er ist "durch <strong>und</strong> durch" <strong>und</strong> in<br />

mannigfaltigen Abschattungen Bewußtsein. Gerade das aber übersieht<br />

jede Anthropologie, die das Dasein von einer sinnlich-sinnhaften<br />

Basis zur Reflexivität des freien Geistes heraufkonstruiert, der<br />

gleichsam über den Wassern des Unbewußten schwebt. Zwangsläufig<br />

übersieht sie damit aber auch, daß Freiheit nicht erst dort einsetzt,<br />

wo die reine Autonomie reflexiven Bewußtseins ihre gesetzgeberischen<br />

Triumphe feiert. Freiheit als ontologische Daseinsverfassung<br />

ist vielmehr immer schon im Spiel - also auch dort, wo<br />

das präreflexive Bewußtsein in gefühlsgetönten Stimmungen seine<br />

Situiertheit unmittelbar <strong>und</strong> spontan realisiert. Das heißt, auch<br />

die Lebensweise des Kindes, das seine ersten Erfahrungen mit der<br />

Widerständigkeit seiner Um- <strong>und</strong> Mitwelt macht, ist nicht unfrei.

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