Klarheit und gute Nachbarschaft - Evangelische Kirche in Deutschland
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die „Schande“ des Abfalls abwaschen zu müssen. Häufigere Folgen für Konvertiten<br />
s<strong>in</strong>d dort se<strong>in</strong>e Enterbung <strong>und</strong> der Verlust se<strong>in</strong>es Besitzes, se<strong>in</strong>er Arbeitsstelle <strong>und</strong><br />
se<strong>in</strong>er Familie durch Ausstoßung oder Zwangsscheidung. Manche Konvertiten kommen<br />
<strong>in</strong>s Gefängnis, andere werden psychiatrischen Zwangsbehandlungen unterzogen.<br />
Unter Umständen s<strong>in</strong>d sie gezwungen, <strong>in</strong>s Ausland zu fliehen. Käme es <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em islamisch geprägten Land zu e<strong>in</strong>em Gerichtsverfahren – was kaum je<br />
geschieht –, soll der Angeklagte nach der Scharia enthauptet werden. Diese schariarechtliche<br />
Bestimmung wird zwar nur selten angewendet, führt aber dazu, dass<br />
das gesellschaftliche Unrechtsbewusstse<strong>in</strong> bei der familiären Bedrängung des<br />
Konvertiten auch dann äußerst ger<strong>in</strong>g ist, wenn der Betroffene dabei viel leiden<br />
muss oder sogar zu Tode kommt.<br />
Neben der islamistischen Position, die sich am nachdrücklichsten für die<br />
Anwendung der Todesstrafe für Apostaten ausspricht, haben sich <strong>in</strong> Ländern mit<br />
überwiegend muslimischer Bevölkerung auch liberale Positionen formiert, die dem<br />
Gedanken der Gewährung von Menschenrechten nach völkerrechtlichen Standards<br />
größeren Spielraum e<strong>in</strong>räumen. Allerd<strong>in</strong>gs hat es derzeit nicht den Ansche<strong>in</strong>, als ob<br />
sich diese moderateren Auffassungen unter tonangebenden Theologen e<strong>in</strong>flussreicher<br />
islamischer Länder wie Ägypten oder Saudi-Arabien durchsetzen könnten.<br />
Die Lage der Konvertiten <strong>in</strong> islamisch geprägten Ländern ist nicht mit der Situation<br />
der Mitglieder angestammter <strong>Kirche</strong>n zu vergleichen. Zwar geschieht die<br />
Verfolgung dort nicht immer durch den Staat, aber sehr häufig durch die Familie<br />
<strong>und</strong> das Umfeld <strong>und</strong> ist dann nicht weniger lebensbedrohlich. Diese Tatsache sollte<br />
auch bei Asylverfahren zugunsten Verfolgter Berücksichtigung f<strong>in</strong>den. Die<br />
Betroffenen verdienen jede mögliche Unterstützung. Nicht wenige Konvertiten s<strong>in</strong>d<br />
– ebenso wie muslimische <strong>und</strong> nichtmuslimische Islamkritiker – auch hierzulande<br />
ernstzunehmenden Drohungen ausgesetzt. Die Bedrohung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>schüchterung<br />
von Andersdenkenden oder gar der tätliche Angriff auf sie s<strong>in</strong>d selbst dann nicht zu<br />
dulden, wenn man die Werte <strong>und</strong> Normen anderer Kulturen <strong>und</strong> Religionen <strong>in</strong><br />
Rechnung stellt. Daher darf auch <strong>in</strong> westlichen Ländern die Gefahr der Bedrohung<br />
durch Familie, Landsleute oder Geheimdienste nicht verharmlost oder sogar<br />
geleugnet werden. Vielmehr s<strong>in</strong>d Amtspersonen wie Laien dazu aufgerufen, wo<br />
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