Almanah 2015
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almanah<br />
Post in seinem ersten eigenen Apartment<br />
in Braunau verschwand, wollte er das nicht<br />
zur Anzeige bringen. Zu groß war die Angst<br />
vor der Exekutive. Für uns nicht vorstellbar,<br />
für unsere syrischen Gäste schwer aus<br />
dem Kopf zu verdrängen.<br />
„Bei uns musst du die<br />
Polizei erst bezahlen,<br />
damit sie etwas<br />
unternehmen.“<br />
Ciwan D., 27<br />
„Du kannst ja auf einem Esel nach Syrien<br />
reiten.“<br />
Der neunjährige Rasool sitzt zusammengekauert<br />
auf den Polsterkissen. Irgendwo<br />
in Simmering. Seit September besucht<br />
der syrische Junge die Volksschule im 11.<br />
Bezirk. Freunde hat er bis auf seinen älteren<br />
Bruder, Yazan, noch keine gefunden. Auf<br />
die Frage, ob er Heimweh habe, antwortet<br />
Rasool geknickt: „Ich will später zurück<br />
nach Syrien, in mein Land.“ Dass dort<br />
Krieg herrscht, scheint ihn nicht zu stören.<br />
Die Eltern versuchen ihr Kind von diesem<br />
Vorhaben abzubringen. „Ich muss für mein<br />
Land kämpfen“, antwortet der Neunjährige<br />
immer wieder. Sein größerer Bruder<br />
schlägt ihm zynisch vor: „Du kannst ja auf<br />
einem Esel nach Syrien reiten“.<br />
In der Schule war Rasool noch nie. Seit er<br />
sechs Jahre alt ist, wird seine Heimatstadt<br />
Homs vom Assad-Regime bombardiert.<br />
Die neue Sprache und Umgebung scheinen<br />
den Jungen einzuschüchtern. Er sehnt sich<br />
nach dem Leben in Syrien - obwohl seine<br />
Heimatstadt und das Elternhaus in Schutt<br />
und Asche liegen.<br />
Die Eltern können ihren zwei ältesten<br />
Söhnen in der Schule kaum helfen. Der<br />
fünffache Vater Daham, 29, Tapezierer, und<br />
seine Frau Seham lernen selbst Deutsch.<br />
Das Gefühl, ihren Kindern nicht helfen zu<br />
können, zermürbt die jungen Eltern. Auch<br />
der Gedanke, dass Rasool eines Tages nicht<br />
mehr wissen wird, wo er herkommt, nagt<br />
an ihnen. Aus diesem Grund ist der Vater<br />
stolz, wenn der Sohn von Syrien spricht.<br />
Er möchte, dass das friedliche Syrien für<br />
immer im Herzen seiner Kinder bleibt.<br />
„Die sind ja gar nicht hungrig.“<br />
Die Ängste und Schicksale der Flüchtlinge<br />
unterscheiden sich stark voneinander.<br />
Doch die syrische Küche vermissen<br />
sie alle: Hummus, Falafel, Kibbe oder ‣<br />
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION 13