13.01.2016 Views

Almanah 2015

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

almanah<br />

die letzte Klasse, mit der wir für dieses<br />

Semester unser Schulprojekt durchführen.<br />

Als ich ihr und ihren Mitschülerinnen von<br />

den frauenfeindlichen Aussagen der vorherigen<br />

Klassen berichte, sind die Jugendlichen<br />

nicht überrascht. Alle Mädchen aus<br />

der Klasse haben schon öfters frauenfeindliche<br />

Aussagen erfahren. Auch Sila musste<br />

lernen, sich selbst zu behaupten. Sie war<br />

mit einem Jungen zusammen, der die Auffassung<br />

vertrat, dass sie als Frau nicht<br />

alleine mit ihren Freundinnen rausgehen<br />

darf. Acht Monate machte sie seine Verbote<br />

mit, bis sie nicht mehr konnte und mit<br />

ihm Schluss machte. Darauf beschimpfte er<br />

Sila als Hure, weil sie sich ihm, dem Mann,<br />

nicht unterwerfen wollte.<br />

„Wenn ich in der<br />

Disco aufs Klo gehe,<br />

spüre ich auf dem<br />

Weg hundert Hände<br />

auf meinem Körper.“<br />

„Selber Schuld!“<br />

Silas Klassenkollegin Anastasia * kennt<br />

das Gefühl, wenn Männer sich mächtig<br />

fühlen wollen: „Wenn ich in der Disco aufs<br />

Klo gehe, spüre ich auf dem Weg dorthin<br />

hundert Hände auf meinem Körper.“<br />

Der 18-Jährigen haben schon oft fremde<br />

Männer auf den Arsch gefasst.<br />

„Selber Schuld“, meint der pubertierende<br />

Ahmi, „Wieso gehen Frauen<br />

überhaupt fort?“, erklärt er sich Situationen<br />

wie die von Anastasia. Frauen sind ihm<br />

zufolge selbst schuld, wenn sie belästigt<br />

werden, sie haben es provoziert, indem sie<br />

einen tiefen Ausschnitt tragen oder auch<br />

einfach nur alleine aus dem Haus gehen.<br />

Diskriminierung<br />

Ich habe in den Schulen erlebt, dass die<br />

frauenfeindlichen Aussagen nicht nur von<br />

Schülern mit Migrationshintergrund oder<br />

gar dem Islam als Religionsbekenntnis,<br />

wie man ja sonst oft liest, kommen. Die<br />

Jungs, die diese Aussagen tätigen haben<br />

ALLE EINE Gemeinsamkeit: Sie kommen<br />

aus sozial benachteiligten Familien, fühlen<br />

sich in Österreich diskriminiert und sehen<br />

für sich keine große Zukunft. Sie erleben,<br />

dass sie in unserer ach so liberalen Gesellschaft<br />

als Ahmed oder Ali keine große Rolle<br />

spielen werden und fragen sich offenbar,<br />

warum sie dann unsere Werte auch zu<br />

ihren machen sollten.<br />

Männliche Vorbilder<br />

Spürbar ist bei den Burschen zudem eine<br />

dringende Suche nach männlichen Vorbildern,<br />

die ihnen ihre Väter offenbar nicht<br />

ausreichend sein können. So wird mein<br />

Kollege Amar von allen Jungs verehrt. Sie<br />

machen Fotos von ihm, lachen über seine<br />

Scherze und ist er einmal nicht da, fragen<br />

sie im Minutentakt, wann Amar endlich<br />

kommt. Zuerst hat mich das gestört, doch<br />

ich begriff langsam, dass das gut war. Sie<br />

hatten in Amar ein Vorbild gefunden und<br />

als er ihnen erzählte, wie wichtig die Rolle<br />

der Frau in der Gesellschaft ist und dass<br />

er mit keinem von ihnen befreundet sein<br />

möchte, wenn sie schlecht über Frauen<br />

reden, nahmen sie sich das wirklich zu<br />

Herzen.<br />

Gabalier & Tradition<br />

Ich mache mir keine Illusionen, in einer<br />

Woche kann man ihre Anschauung nicht<br />

komplett ändern. Aber wir haben einige<br />

Burschen zum Nachdenken gebracht<br />

und auch die Mädchen in diesen Klassen<br />

gestärkt. Das wurde mir erst im Nachhinein<br />

bewusst, weil mir das die Schülerinnen<br />

später gesagt haben. Zudem wurde mir<br />

bewusst, wie wichtig der Kampf für Gleichberechtigung<br />

ist. In einer Gesellschaft, in<br />

der Andreas Gabalier gefeiert wird, weil<br />

er sich weigert die Bundeshymne durch<br />

die Töchter zu ergänzen, in der Frauen für<br />

dieselbe Tätigkeit um 23 Prozent weniger<br />

verdienen als Männer – da erwartet man<br />

gerade von den Jüngsten, die das alles mitkriegen<br />

und sich selbst am Abstellgleis<br />

sehen, gendersensibel zu sein?<br />

<br />

* Name von der Redaktion geändert<br />

TIPP:<br />

Flash<br />

Mädchencafé<br />

Im flash Mädchencafé in der Zieglergasse<br />

im siebten Wiener Bezirk, können Mädchen<br />

von 10 bis 21 Jahren untereinander<br />

sein, sich beraten lassen und an Selbstbehauptungsworkshops<br />

teilnehmen.<br />

Mobil: +43 (0)676 897 060 308<br />

Telefon: +43 (0)1 890 30 60<br />

Dieser Artikel erschien das erste Mal in der biber<br />

Juni-Ausgabe <strong>2015</strong><br />

22<br />

JAHRBUCH FÜR INTEGRATION

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!