Almanah 2015
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
almanah<br />
Wir<br />
stehen<br />
erst am<br />
Anfang<br />
Flüchtlingsstrom<br />
reduzieren, Menschen,<br />
die da sind, integrieren.<br />
Das sind die Ziele, die<br />
wir 2016 verfolgen. Ein<br />
Gastkommentar von<br />
Sebastian Kurz.<br />
Österreich stand <strong>2015</strong> ganz im Zeichen<br />
der Flüchtlingskrise. Dabei<br />
geht es mir um zwei Ziele: Einerseits<br />
müssen wir den Flüchtlingsstrom<br />
reduzieren, andererseits die Menschen, die<br />
nun da sind, integrieren. Denn neben hunderttausenden<br />
Transitflüchtlingen suchten<br />
rund 80.000 bis 90.000 Menschen in Österreich<br />
um Asyl an. Es ist davon auszugehen,<br />
dass davon rund die Hälfte langfristig in<br />
Österreich bleiben wird. Und hier dürfen<br />
wir keinesfalls die Fehler der Vergangenheit<br />
wiederholen und die Menschen sich<br />
selbst überlassen. Frühzeitige Integrationsmaßnahmen,<br />
vor allem im Bereich der<br />
Arbeitsmarktintegration, der schnellstmögliche<br />
Spracherwerb und eine Vermittlung<br />
der österreichischen Grundwerte sind<br />
entscheidend.<br />
Die Rahmenbedingungen für eine<br />
erfolgreiche Integration sind heute aber<br />
besser als bei früheren Migrationen.<br />
Österreich hat aus seinen Erfahrungen<br />
und seinen Fehlern aus der Vergangenheit<br />
gelernt und verfügt nunmehr über einen<br />
Plan und über Strukturen, um Flüchtlingen<br />
in Österreich ein selbstbestimmtes Leben<br />
zu ermöglichen. Wir müssen jedoch auch<br />
klar festhalten, dass diese Strukturen<br />
derzeit an ihre Grenzen stoßen. Sollte<br />
der Flüchtlingsstrom im Frühling wieder<br />
anwachsen und keine gesamteuropäische<br />
Lösung gefunden werden, würde die<br />
Aufnahme- und Integrationsfähigkeit<br />
Österreichs überfordert werden. Und wir<br />
müssen sehen, dass schon jetzt die Integration<br />
eine riesige Herausforderung sein<br />
wird. Allein die Arbeitsmarktintegration<br />
wird angesichts der Qualifikationsstruktur<br />
der Flüchtlinge alles andere als leicht. Im<br />
AMS rechnet man, dass in den kommenden<br />
fünf Jahren nur 50 Prozent der Flüchtlinge<br />
einen Job bekommen werden. Im Spracherwerb<br />
müssen wir das Angebot steigern.<br />
Im letzten Jahr haben wir die Mittel von<br />
40 Millionen für rund 30.000 Deutschkursplätze<br />
auf über 50 Millionen für rund<br />
50.000 Plätze steigern können. Darüber<br />
hinaus kommen viele Menschen aus<br />
anderen Kulturkreisen. Ich betone, dass das<br />
überhaupt nicht heißt, dass sie schlechte<br />
Menschen sind, darüber sagt das nichts<br />
aus. Aber es heißt einfach nur, dass sie aus<br />
Kulturkreisen kommen, die von anderen<br />
Anschauungen oder Werten geprägt sind.<br />
Wir werden daher Werteschulungen bzw.<br />
Orientierungskurse machen, in denen<br />
„Wir müssen klar<br />
festhalten, dass unsere<br />
Strukturen derzeit an<br />
ihre Grenzen stoßen.“<br />
Geschichte, Geographie und Grundwerte<br />
wie Demokratie, Rechtsstaat oder Gleichberechtigung<br />
näher gebracht werden.<br />
Ich plädiere dabei dafür, dass wir<br />
zusätzlich jetzt einen Schritt weiter gehen<br />
als bisher, hin zu einer Integrationspflicht.<br />
Es ist zwar davon auszugehen, dass die<br />
Masse der Leute, die zu uns gekommen<br />
ist, bereit ist, sich zu integrieren. Aber wir<br />
müssen trotzdem die Integration als Pflicht<br />
24<br />
JAHRBUCH FÜR INTEGRATION