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Manfred Spitzer<br />
digitale demenz<br />
Wie wir uns und unsere kinder um<br />
den Verstand bringen<br />
droemer Verlag München 2012; 19,99 Euro;<br />
ISBn 978-3-426-27603-7<br />
„Computer fördern nicht die Bildung der jungen<br />
Menschen, sondern verhindern sie eher.“<br />
„Bildschirmmedien schaden dem Einfühlungsvermögen<br />
und den sozialen Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten.“<br />
Auf diese beiden Thesen lässt sich – sicher<br />
sehr vereinfacht – der Inhalt dieses Buches<br />
zusammenfassen. Auf fast 400 Seiten belegt<br />
Spitzer engagiert und mit einer imponierenden<br />
Vielzahl von Hinweisen auf wissenschaftliche<br />
Untersuchungen seine Thesen. Er tut das mit<br />
Sorgfalt, brilliant formuliert und – jedenfalls für<br />
mich – sehr überzeugend. Natürlich wundert es<br />
nicht, dass der Autor mit seinem Plädoyer auf<br />
beinharten Widerstand stößt, schließlich geht es<br />
bei der Hard- und Software-Produktion, auch bei<br />
der für Kinder und Jugendliche, um ein Milliardengeschäft.<br />
Kein Wunder also, dass auch anerkannte<br />
Gutachter mit allen Mitteln und in allen<br />
Medien zum (honorierten?) Gegenangriff blasen.<br />
Die Politik verschließt, parteiübergreifend,<br />
vor allen Gefahren die Augen; Ministerien<br />
zeichnen gewaltverherrlichende Computerspiele<br />
aus und natürlich stimmen auch Vertreter der<br />
Kirchen in das digitale Loblied ein. Auch DER<br />
SPIEGEL (37/12) qualifiziert den geachteten<br />
Hirnforscher als „Krawall-Psychiater“ ab, der<br />
mit seiner „Niedergangsthese ... schwadroniert“.<br />
Spitzer, selbstverständlich Computer-(Be-)<br />
Nutzer, geht es gar nicht darum, die digitalen<br />
Medien zu bekämpfen, zu verteufeln oder gar<br />
abzuschaffen; er warnt aber vor deren nega-<br />
tiven Einfluss auf Kinder und Jugendliche, vor<br />
ihrem Suchtpotenzial und vor den vielen schädigenden<br />
Einwirkungen auf Geist und Körper.<br />
Seine Begründungen leuchten ein. Wer mit<br />
Kindern oder Jugendlichen zu tun hat, wird<br />
das Buch jedenfalls mit Gewinn lesen.<br />
Karl-Heinz Platte<br />
Joseph Stiglitz<br />
preis der ungleichheit<br />
Wie die Spaltung der gesellschaft<br />
unsere Zukunft bedroht<br />
Siedler Verlag 2012; 24,99 Euro<br />
Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht<br />
der Bundesregierung liefert die neuesten Zahlen<br />
zur Wohlstandsverteilung in Deutschland, zur<br />
Lohnentwicklung und den verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen.<br />
Die Schere zwischen<br />
Arm und Reich wird größer.<br />
Stiglitz beschreibt, dass die weltweite Ungleichheit<br />
Wirtschaft und Wachstum behindert,<br />
zu weniger Chancengerechtigkeit führt und Politik<br />
und Justiz korrumpiert. Er ruft deshalb auf,<br />
die Ungleichheit nicht einfach hinzunehmen.<br />
Die weltweiten Demonstrationen prangern die<br />
zunehmende Menschenverachtung an und machen<br />
Druck für eine gerechtere Verteilung. Se<br />
Canan und Ibrahim turhan<br />
Junge Muslime in der Schule<br />
probleme und lösungsansätze im<br />
interkulturellen dialog<br />
tectum Verlag 2011; 142 Seiten;<br />
ISBn 978-3-8288-2605-2<br />
Der Islam gehört zu Deutschland. Das sagte<br />
nicht nur Bundespräsident Wulff, das sieht man<br />
auch täglich in Deutschlands Klassenzimmern.<br />
Vermehrt sehen sich LehrerInnen einer wachsenden<br />
Zahl muslimischer Kinder und Jugendlicher<br />
gegenüber. Die AutorInnen bündeln Erfahrungen<br />
von Lehrkräften, PädagogInnen und<br />
muslimischen MigrantInnen in einer sachlichen<br />
Auseinandersetzung über Schwierigkeiten im<br />
Schulalltag. Darüber hinaus definieren sie zentrale<br />
Begriffe wie Kultur, Religion und Ethnizität<br />
und wenden diese auf die Themenfelder<br />
Integration, Identität und Erziehung an. Daraus<br />
erwachsen Handlungsoptionen und praktische<br />
Tipps für den Schulalltag und die interkulturelle<br />
Elternarbeit. Se<br />
Hartmut könig<br />
nds 10-2012<br />
Strukturwandel Bildung<br />
Eine kritische Zeitdiagnose<br />
Verlag Barbara Budrich; 337 Seiten;<br />
ISBn 978-3-8474-0041-1; 36,00 Euro<br />
25<br />
Auf PISA folgte ein Strukturwechsel im Bildungssystem,<br />
der das Lernen und den Sinn der<br />
Bildung grundlegend umgekrempelt hat. König<br />
zeichnet aus kritisch-zeitdiagnostischer Sicht das<br />
erste Jahrzehnt dieser „Bildungsreform" nach.<br />
Sein Buch bietet den Nutzern Orientierungshilfen<br />
für ein Navigieren zwischen bildungspolitischen<br />
Erwartungen und pädagogischen Optionen in<br />
Schulen und Hochschulen. Zentrale Stichworte<br />
sind: Zweigliedrigkeit und Ganztagsbildung, Kompetenz<br />
und Bildung, Bildungsstandards und Schulinspektion,<br />
Evaluation und Qualitätsverständnis.<br />
König beschreibt die ambivalenten Wirkungen<br />
und Folgen des Strukturwandels. Er geht dabei<br />
davon aus, dass die Instrumente der schrittweise<br />
implementierten sog. Qualitätssicherungssysteme<br />
geprägt sind von der Vorstellung organisierbarer<br />
pädagogischer Rationalität. Der dahinter stehende<br />
ökonomisch orientierte Herstellungsimperativ<br />
von Bildung geht auf die Annahme zurück,<br />
Lernen könnte über Standardisierung schulischer<br />
Leistungsanforderung steuerbar und überprüfbar<br />
gemacht werden, was zu einer Verbesserung der<br />
Qualität der Unterrichts- und Schulentwicklung<br />
führen werde.<br />
Die Korrespondenz von theoriegeleiteten und<br />
anwendungsbezogenen Wechselwirkungen bildet<br />
den roten Faden des Buches. Der Autor bezieht<br />
sich auf das Schulsystem in Niedersachsen, seine<br />
Beschreibungen sind jedoch exemplarisch und<br />
gut übertragbar. Eine gründliche, erhellende und<br />
umsichtige Analyse. Lesenswert für BildungsarbeiterInnen,<br />
die ihre pädagogische Arbeit auch im<br />
gesellschaftspolitischen Kontext bewerten. Se