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Kinderrechte sind<br />

Ausfaltungen der Menschenwürde<br />

Fragen im Zusammenhang mit der Menschenwürde sind selten zweifelsfrei zu klären. Etwa die<br />

Achtung der Gewissensfreiheit, der Meinungsfreiheit oder der Privatsphäre. Bewirkt die Unverfügbarkeit<br />

der Menschenwürde nicht auch, dass ich auch meine eigene Würde zu bewahren habe und<br />

längst nicht alles mit mir machen lassen darf? Kann die Verweigerung des wirtschaftlichen Existenzminimums<br />

durch blanke Not zu einer entsprechenden ausweglosen seelischen Bedrohung werden?<br />

Kann die ungewollte schulische Ausgrenzung in Sondereinrichtungen zu einem die Menschenwürde<br />

verletzenden Angriff auf das Selbstbild eines Kindes führen? Könnte nicht ein Bildungsminimum<br />

hinsichtlich grundlegender Kulturtechniken durch die Achtung der Menschenwürde geboten sein?<br />

Für die Frage der Menschenwürde ist erhellend, dass sie Eingang in zahlreiche völkerrechtliche<br />

Erklärungen und Übereinkommen gefunden hat. Man erfährt, was „die Menschheit denkt". In<br />

der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 heißt es z.B. in der<br />

Präambel: „Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen<br />

Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit<br />

und Frieden in der Welt bildet ...“ Und in Artikel 1 steht: „Alle Menschen sind frei und gleich an<br />

Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im<br />

Geist der Brüderlichkeit begegnen. ...“<br />

Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November<br />

1950 greift darauf zurück. 1966 folgen zwei bedeutsame Pakte: der Internationale Pakt<br />

über bürgerliche und politische Rechte sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale<br />

und kulturelle Rechte. Am 20. November 1989 werden diese Rechte schließlich im Übereinkommen<br />

der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes gebündelt und daraus eigene Rechte<br />

der Kinder abgeleitet. Es heißt: „... in der Erwägung, dass nach den in der Charta der Vereinten<br />

Nationen verkündeten Grundsätzen die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen<br />

Gesellschaft innewohnenden Würde und der Gleichheit und Unveräußerlichkeit ihrer Rechte die<br />

Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden bildet ... .“<br />

Auf dieser Grundlage ergibt sich eine Reihe bedeutsamer Gesichtspunkte, die die Menschenwürde<br />

als positiven Rechtsbegriff handhabbar machen. Dazu zählt vorab die Vorstaatlichkeit der<br />

Menschenwürde und ihre Unverfügbarkeit: Weder staatliche Instanzen noch der Mensch selbst<br />

können sie antasten. Weiter ergibt sich die Universalität der Menschenwürde und der daraus<br />

abgeleiteten Menschenrechte. Sie sind nicht begrenzt auf eine „Anerkennungsgemeinschaft“,<br />

sondern gelten global. Weltumspannend ist die Menschenwürde die „Wurzel aller Grundrechte“,<br />

wie das Bundesverfassungsgericht es treffend ausdrückt.<br />

Bei der inhaltlichen Ausdeutung stehen in der deutschen Rechtsprechung Identität und Individualität<br />

im Vordergrund. Das Bundesverfassungsgericht folgt der sogenannten Objektformel, nach<br />

der der Mensch „nie zum Objekt, zum bloßen Mittel herabgewürdigt werden“ dürfe. Das ist ein<br />

verlässliches Kriterium, weil man auf ein sicheres Gespür dafür rechnen kann, ob man als Subjekt<br />

ernst genommen wird. Die Kinder, die angeblich unsere Zukunft sind, werden kritische Rückfragen<br />

stellen! Im deutschen Grundgesetz finden sich weitere Aspekte. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht,<br />

das Wahlrecht oder auch das Sozialstaatsprinzip bauen auf Aktivität und Selbstbestimmtheit<br />

der BürgerInnen. Da schimmern das Entwurfsvermögen und die Willensfreiheit im Sinne der Selbstbestimmung<br />

des Menschen durch. Die UN-Kinderrechtskonvention bringt dies noch einmal auf<br />

eigene Weise zum Ausdruck. Im Anschluss an Janusz Korczak gilt das „Recht auf Achtung der Würde<br />

des Kindes“ als „Geist der Konvention“. Daraus leiten sich die drei Säulen der Kinderrechte ab: das<br />

Recht auf Schutz der Identität sowie von Leib und Leben, das Recht auf Förderung der Entwicklung<br />

und das Recht auf Beteiligung als eigenständige Persönlichkeit in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten.<br />

Das sind nicht einfach Grundrechte, die dem Kind zustehen, sondern Ausfaltungen<br />

seiner Menschenwürde und damit Grundwerte von höchstem Rang. Reinald Eichholz<br />

nds 10-2012<br />

3<br />

Dr. Reinald Eichholz<br />

Mitglied der National<br />

Coalition für die Umsetzung<br />

der UN-Kinderrechtskonvention<br />

in Deutschland<br />

ehemaliger Kinderbeauftragter<br />

der Landesregierung<br />

Nordrhein-Westfalen

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