Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH
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nennen. Allen eingesetzten Methoden ist<br />
eigen, dass sie dem Ziel eines ganzheitlichen<br />
Verstehens eigener biographischer<br />
Prägungen und der Anreicherung der Behandlungskompetenz<br />
der Teilnehmenden<br />
verpflichtet sind.<br />
3. Emotionales Erleben als<br />
Kernthema der Selbsterfahrung<br />
Die Reflexion des eigenen emotionalen Erlebens,<br />
der Umgang mit Gefühlen und die<br />
Förderung der emotionalen Selbstentwicklung<br />
stellen einen konstitutiven Teil sinnvoller<br />
Selbsterfahrung dar. Da Psychotherapie<br />
zumeist das Arbeiten mit Gefühlen bedeutet,<br />
ist es zwingend notwendig, dass Ausbildungsteilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer über<br />
eigenes emotionales Erleben reflektieren<br />
und über fundierte Erfahrungen mit der Regulation<br />
von Gefühlen verfügen. Die Arbeit<br />
mit Gefühlen ermöglicht es vergleichsweise<br />
direkt, Grundbedürfnisse und Schemata zu<br />
aktivieren. Dies ist sowohl im therapeutischen<br />
Alltag als auch im Zusammenhang mit<br />
der eigenen Selbstentwicklung von großer<br />
Relevanz (u. a. Greenberg, 2006).<br />
Das emotionale Erleben differenziert zu reflektieren,<br />
kann auch auf schwierige Therapiesituationen<br />
vorbereiten, die ja zumeist<br />
durch die dabei relevanten Gefühle erst<br />
schwierig werden. Die Förderung der Sensibilität<br />
für das emotionale Erleben der Patienten<br />
(Empathie) als auch für das eigene<br />
emotionale Erleben sowie ein adäquater<br />
Umgang damit (z. B. Umgang mit Enttäuschung,<br />
Ärger, aber auch z. B. mit Verliebtheit)<br />
ist daher für uns ein Kernelement der<br />
Selbsterfahrung. Im geschützten Rahmen<br />
der Selbsterfahrung können neue Erfahrungen<br />
mit Gefühlen gemacht werden<br />
(z. B. das Zeigen von Ärger, Trauer etc.)<br />
bzw. es kann unmittelbar erfahren werden,<br />
was es bedeutet, starken Gefühlen (wie<br />
bei Expositionsübungen) ausgesetzt zu<br />
sein. Emotionsklärung und -erkundung ist<br />
für uns daher ein wertvoller Baustein, um<br />
kompetent und verantwortungsbewusst<br />
emotionsfokussierte therapeutische Prozesse<br />
initiieren und anleiten zu können.<br />
Entsprechend der erwähnten Ressourcenorientierung<br />
(siehe Punkt 7) sollten dabei<br />
nicht nur negative Gefühle und Gefühlsreaktionen<br />
(wie Ärger, Angst, Tränen etc.)<br />
im Mittelpunkt stehen, sondern durchaus<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
auch Stolz, Freude und Dankbarkeit, um<br />
nur einige zu nennen.<br />
4. Selbstanwendung verhaltenstherapeutischerInterventionen<br />
Hierzu zählen wir die Selbstanwendung psychotherapeutischer<br />
Verfahren innerhalb der<br />
Selbsterfahrung. Verhaltenstherapeutisch<br />
besonders relevant ist z. B. die Fähigkeit der<br />
differenzierten Beschreibung von Erleben<br />
und Verhalten, die Kompetenz im Erstellen<br />
einer horizontalen und vertikalen Verhaltensanalyse,<br />
das Erkennen spezifischer Auslöser<br />
und spezifischer Lebensumstände, die für<br />
die Aktualgenese eines erlebten Problems<br />
bedeutsam sind. Auch die Erarbeitung und<br />
Formulierung von relevanten Zielen, die<br />
den idiosynkratischen Lebensumständen<br />
des anderen Rechnung tragen, gehören<br />
dazu. Durch gegenseitige Unterstützung bei<br />
der Realisierung von Techniken wird in der<br />
Selbsterfahrungsgruppe ein Umfeld geschaffen,<br />
in dem das Üben einzelner therapierelevanter<br />
Skills möglich wird. Die Teilnehmenden<br />
erleben sich in der Patienten- und in der<br />
Therapeutenrolle.<br />
In der Gruppenselbsterfahrung ist hierbei<br />
das Modelllernen bedeutsam: Durch<br />
Beobachten der Anleiterinnen und Anleiter<br />
in der Selbsterfahrung und durch die<br />
gegenseitige Unterstützung innerhalb der<br />
Gruppe können Kompetenzen erworben<br />
werden, die den eigenen Handlungsspielraum<br />
erweitern. Konkret können vielfältige<br />
verhaltenstherapeutische Techniken ebenso<br />
eingesetzt werden wie Techniken der<br />
Problemklärung und Problemlösung (Grawe,<br />
2004).<br />
Auf jeden Fall ist es wichtig, dass (auch)<br />
in der Selbsterfahrung der Klärungsprozess<br />
weitergetrieben wird zum Lösungsprozess.<br />
In der Einzelselbsterfahrung kann<br />
dies wahrscheinlich vertiefter gelingen als<br />
in der Gruppenselbsterfahrung. Dennoch<br />
können auch in der Gruppe bestimmte Interventionen,<br />
wie etwa Verhaltensaufbau,<br />
Rollenspiele oder imaginativ-kognitive Verfahren<br />
(Erstellen einer Lebenslinie zu verschiedenen<br />
Aspekten des Selbsterlebens<br />
etc.) zur Realisierung dieses Bausteins<br />
eingesetzt werden. Um aber zu einem<br />
umfänglichen Einsatz verhaltenstherapeutischer<br />
Interventionen in der Grup-<br />
A. Kämmerer, F. Kapp, S. Rehahn-Sommer<br />
penselbsterfahrung zu kommen, ist es<br />
notwendig, dass die einzelnen Bausteine<br />
der Gruppenselbsterfahrung innerhalb des<br />
Ausbildungsprogramms aufeinander abgestimmt<br />
sind und diese nicht jedes Mal von<br />
anderen Personen mit jeweils neuen Programmen<br />
durchgeführt werden.<br />
5. Anleitung zu verantwortungsbewusstem<br />
und kompetentem<br />
therapeutischen<br />
Handeln<br />
Hierunter verstehen wir, angehenden<br />
Therapeutinnen und Therapeuten zu vermitteln,<br />
dass sie in ihrer Berufsausübung<br />
Verantwortung für den therapeutischen<br />
Prozess übernehmen sollten und sie zu<br />
befähigen, diese Verantwortung auch zu<br />
übernehmen. Dazu gehört nicht nur ein<br />
profundes Wissen und Können, sondern<br />
auch eine angemessene Reflexion der eigenen<br />
Person mit all ihren Möglichkeiten<br />
und Grenzen. Es gilt, Überforderungen<br />
ebenso einschätzen zu können wie Herausforderungen,<br />
die zu meistern sind.<br />
Für die konkrete Gestaltung der Selbsterfahrung<br />
bedeutet das zunächst einmal,<br />
den Raum zu geben für die Reflexion der<br />
Themen Verantwortung und Kompetenz.<br />
Aufbauend auf den Leitideen von Respekt,<br />
Achtung und Ressourcenorientierung, die<br />
in den vorherigen Punkten genannt worden<br />
sind, impliziert dieser Baustein unseres<br />
Selbsterfahrungskonzepts, den Ausbildungskandidatinnen<br />
und -kandidaten eine<br />
kompetenzorientierte Rückmeldung über<br />
bereits vorhandene Fähigkeiten zu geben<br />
– etwa zu bestimmten Prozessen der<br />
Selbsterkundung oder zu dem Verhalten in<br />
der Gruppe. Das bedeutet auch, kritische<br />
Gespräche mit Teilnehmenden nicht zu<br />
scheuen. Denn gerade die Selbsterfahrung<br />
bietet die Möglichkeit, mit eventuell<br />
sichtbar werdenden Eigenarten Einzelner,<br />
die als störend für das therapeutische<br />
Handeln gelten, konstruktiv umzugehen.<br />
Dieser heikle Punkt einer „Eignung“ für<br />
das therapeutische Handeln kann im Verlauf<br />
der Ausbildung an kaum einem anderen<br />
Ort so geschützt thematisiert werden<br />
wie in der Selbsterfahrung. Hier sind die<br />
Ausbilderinnen und Ausbilder zu einem<br />
verantwortungsbewussten Handeln gegenüber<br />
den zukünftigen Patientinnen<br />
und Patienten aufgerufen. Kritische Punkte<br />
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