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Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH

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Recht: Aktuell<br />

Internetpsychotherapie – Rechtslage, Einordnung, Regelungsbedarfe<br />

Johann Rautschka-Rücker<br />

Psychotherapeutenkammer Hessen<br />

Zusammenfassung: Bei dem Beitrag handelt es sich um die<br />

Ausarbeitung eines Vortrages auf der Klausurtagung der Landespsychotherapeutenkammern<br />

zum Thema Internetpsychotherapie<br />

am 12. März <strong>2011</strong> in Hamburg. Dort sollten erste<br />

Eckpunkte der Profession für den Umgang und die Bewertung<br />

von Angeboten der „Internetpsychotherapie“ erarbeitet werden.<br />

Der Beitrag geht von dem Begriff der „psychotherapeutischen<br />

Fernbehandlung“ aus. Er kommt zu dem Ergebnis, dass<br />

Fernbehandlungen sozialrechtlich gegenwärtig nicht zulässig<br />

sind. Aufgrund haftungsrechtlicher Standards wird der Versuch<br />

unternommen, Problemfelder zu identifizieren, die bei Fernbehandlungen<br />

auftreten können. Die Antworten auf die Probleme<br />

sind fachlich und nicht rechtlich zu geben. Deshalb wird<br />

vorgeschlagen, dass die Profession fachliche Mindeststandards<br />

für psychotherapeutische Behandlungen diskutiert und festschreibt.<br />

Der Begriff „Internetpsychotherapie“<br />

ist einigermaßen<br />

unscharf, sehr unterschiedliche<br />

therapeutische Angebote<br />

werden unter diesem Label<br />

zusammengefasst (Hardt &<br />

Ochs, <strong>2011</strong>, mit weiteren Nachweisen).<br />

Deshalb möchte ich,<br />

um Fehlschlüsse von vornherein<br />

zu vermeiden, den Begriff<br />

„psychotherapeutische Fernbehandlung“<br />

gebrauchen. Sie<br />

liegt dann vor, wenn Angaben<br />

über eine Erkrankung, insbesondere<br />

Symptome oder Befunde<br />

einem Psychotherapeuten<br />

von einem Kranken oder<br />

Dritten übermittelt werden und<br />

dieser, ohne den Kranken gesehen<br />

zu haben, eine Diagnose<br />

stellt, einen Behandlungsvorschlag<br />

unterbreitet und/<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2011</strong><br />

oder die Behandlung durchführt<br />

(Almer, 2008, S. 14).<br />

Die Fernbehandlung weist spezifische<br />

Problemstellungen auf,<br />

die der Bewältigung bedürfen.<br />

An erster Stelle möchte ich die<br />

Schwierigkeit, das Gegenüber<br />

zuverlässig zu identifizieren,<br />

nennen. Soweit für mich erkennbar<br />

ist, hat bislang niemand<br />

problematisiert, dass<br />

z. B. bei E-Mail-Kommunikation<br />

beiderseits nicht gesichert<br />

ist, wer eigentlich „auf der anderen<br />

Seite“ schreibt. Darüber<br />

hinaus wird vielfach die durch<br />

Anonymität erreichte Niedrigschwelligkeit<br />

als besonderer<br />

Vorzug von Online-Angeboten<br />

gesehen (Wenzel, 2008, S.<br />

95). Wie lange darf aber ein<br />

therapeutischer Kontakt anonym<br />

bleiben?<br />

Die mit Fernbehandlung zwingend<br />

verbundene „Kanalreduktion“<br />

wird einerseits als besonderer<br />

Vorteil beschrieben,<br />

andererseits aber die Gefahr<br />

gesehen, dass Verzerrungseffekte,<br />

wie z. B. Missverständnisse<br />

wegen fehlender nonverbaler<br />

Signale schwieriger<br />

zu bemerken und korrigieren<br />

sind (Wagner & Lange, 2008,<br />

S. 118).<br />

Abschließend sei auf das Problem<br />

der Sicherheit des Übertragungsweges<br />

hingewiesen.<br />

Schweigepflicht und Datenschutz,<br />

aber auch die Gefahr<br />

der Manipulation durch Dritte<br />

sind Stichworte, die dieses<br />

Problemfeld umreißen. Auf<br />

all diese Themen will ich hier<br />

nicht näher eingehen, sondern<br />

zunächst einmal den rechtlichen<br />

Rahmen beschreiben,<br />

in dem psychotherapeutische<br />

Fernbehandlungen sich bewerten<br />

lassen müssen.<br />

Jede Ausübung von Psychotherapie<br />

findet in einem Raum<br />

statt, der rechtlich geprägt ist.<br />

Dabei wird man zwar in der<br />

Regel keine 1 Gesetzesregelungen<br />

finden, die sich ausdrücklich<br />

mit psychotherapeutischen<br />

Fernbehandlungen befassen.<br />

Allerdings gibt es einerseits die<br />

berufsrechtlichen Vorgaben der<br />

jeweiligen Kammer, anderseits<br />

sind Standards zur Vermeidung<br />

haftungsrechtlicher Risiken<br />

zu beachten und – sofern es<br />

sich um eine Psychotherapie<br />

im Rahmen der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung handelt<br />

– setzt das Sozialrecht einen<br />

klar definierten rechtlichen<br />

Rahmen.<br />

Beim Berufsrecht handelt es<br />

sich um Setzungen durch die<br />

Kammern, wobei höherrangiges<br />

Recht beachtet werden<br />

muss. Hier ist insbesondere<br />

Art. 12 GG von Relevanz und<br />

es gab beispielsweise wegen<br />

des Werbeverbots der ärztlichen<br />

Berufsordnungen mehrfach<br />

Gerichtsentscheidungen,<br />

die berufsrechtliche Anpassungen<br />

erzwangen. Auf das<br />

Berufsrecht möchte ich erst<br />

in meiner abschließenden Betrachtung<br />

zurückkommen.<br />

Die haftungsrechtlichen Standards<br />

(landläufig als Facharztstandard<br />

bezeichnet) beruhen<br />

insbesondere auf den vertragsrechtlichen<br />

Regelungen des<br />

1 Eine Ausnahme stellt § 9 Heilmittelwerbegesetz<br />

dar; die<br />

Regelung betrifft allerdings<br />

lediglich Werbung für Fernbehandlungen,<br />

nicht deren Zulässigkeit.<br />

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