Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH
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eim Aufzählen. Etwas hat mich sehr erstaunt:<br />
Ich glaubte immer toll informiert<br />
zu sein durch Berufsverbands- und Kammerkanäle,<br />
aber da fehlt mir nichts. Es<br />
gibt ja auch politische Kanäle jenseits der<br />
Kammern, und es gibt gesellschaftliche<br />
Ebenen, wo nicht so ein Gewese um Vertraulichkeit<br />
in Mammutgremien gemacht<br />
wird, wie bei den Kassengeld-Verteilungsorganen<br />
im Gesundheitswesen.<br />
Herr Dr. Wittmann, Sie waren volle<br />
zwei Wahlperioden Präsident und<br />
haben die Geschicke der Psychotherapeutenkammer<br />
Niedersachsen<br />
maßgeblich mitgestaltet. In der<br />
Rückschau – was war Ihr wichtigster<br />
Erfolg in den letzten 10 Jahren?<br />
Das waren keine Einzel-Highlights sondern<br />
ganze Themengruppen. Ich glaube die<br />
Profession ist mehr zusammengewachsen<br />
und hat im Gesundheitssystem des Landes<br />
Niedersachsen eine verlässliche Wahrnehmung<br />
und Ansehen erlangt. Ob ich da mein<br />
Ackern für die Bundeskammergründung<br />
und das <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> (PTJ)<br />
oder unsere PKN-Pro-PiA-Politik, unsere<br />
kontinuierliche Nachwuchsförderung nehme,<br />
ob ich materielle Sicherungsanstrengungen<br />
(Versorgungswerk, KV-Nachzahlungen,<br />
Selektivverträge, Rechtsberatung),<br />
Fortbildungsanstrengungen, Zusatzqualifikationen,<br />
solide Finanzpolitik, konzeptuelle<br />
Arbeit und Veröffentlichungen betrachte,<br />
alles zusammen hat gewirkt und alles zusammen<br />
hat nur wirken können, weil es<br />
immer hochmotivierte und ideenreiche<br />
MitstreiterInnen und jetzt NachfolgerInnen<br />
gab.<br />
Was hat Ihnen am meisten Spaß<br />
gemacht?<br />
Ich war gerne in der Bütt bei Psychotherapeutentagen<br />
oder ähnlichem, am meisten<br />
emotional angesprochen war ich aber<br />
durch das Vertrauen der MitarbeiterInnen,<br />
das ich durch kontinuierliche Personalentwicklungsarbeit<br />
in der Geschäftsstelle zu<br />
rechtfertigen suchte.<br />
Was war die schwierigste Situation?<br />
Hart war die Trennung von einer Vorstandskollegin<br />
nach wenigen Tagen Amtszeit und<br />
die Trennung von einer Geschäftsführerin,<br />
<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
noch härter aber war die Zeit um und nach<br />
Detlev Kommers Erkrankung und Tod.<br />
Was genau hat sich dadurch für Sie<br />
verändert?<br />
In den Monaten vorher hatte ich immer<br />
wieder versucht das Auseinanderdriften<br />
der Landeskammern zu verhindern und<br />
war gleichzeitig durch die Bundesvorstandsloyalität<br />
eingebunden. In dem Moment,<br />
wo ich dann ganz gefordert war, die<br />
Kontinuität in der BPtK-Arbeit zu wahren,<br />
aber auch einen Neuanfang mitzutragen,<br />
bin ich selbst – das erste mal in meinem<br />
Leben – sehr schwer erkrankt und habe<br />
meinen Stuhl für den Neuanfang geräumt,<br />
den ich doch gerne in vorderster Front mit<br />
gestaltet hätte.<br />
Wie kam es dazu, dass Sie sich für<br />
die Kammer engagierten?<br />
Ich war Beamter und teilzeit-niedergelassen<br />
seit Anfang der Neunziger. Mein<br />
Interesse hat sich Mitte der Neunziger<br />
kontinuierlich von gewerkschaftlichen und<br />
hochschulpolitischen Auseinandersetzungen<br />
zur Etablierung der Profession, zur<br />
gesellschaftlichen Anerkennung und zur<br />
materiellen Sicherung der Psychotherapeuten<br />
verschoben. Meine Beamtenstelle<br />
habe ich aufgegeben und habe mich für<br />
die Niederlassung entschieden. Das Sein<br />
bestimmt eben doch das Bewusstsein,<br />
vom wohlbestallten Zuschauer war ich<br />
zum Akteur im Interessenskampf der Niedergelassenen<br />
geworden. Ich habe nach<br />
dem PsychThG die Kammergründung als<br />
unmittelbare Notwendigkeit gesehen und<br />
habe dafür im Landesverband meines Berufsverbandes<br />
geworben. Damals haben<br />
viele Kollegen den Sinn und die Bedeutung<br />
von Kammern für uns noch gar nicht<br />
verstanden. Es gab mir gegenüber so was<br />
wie wohlwollende Ignoranz.<br />
Was meinen Sie, war die wichtigste<br />
Voraussetzung, um diese Aufgabe<br />
als Präsident einer neugegründeten<br />
Kammer zu übernehmen?<br />
Als Provinzler mit Praxissitz an der Nordsee<br />
war ich nicht gerade der geborene Kandidat<br />
für ein Ehrenamt in Hannover. Aber:<br />
Politisch war ich nicht allzu naiv, mein<br />
Berufsverband vertraute mir. Aus meiner<br />
J. Dürkop<br />
Verantwortung für Finanzen im Gründungsvorstand<br />
rührte mein Gefühl für die<br />
Machbarkeiten. Aus der Zusammenarbeit<br />
über alle Verbands- und Professionsgrenzen<br />
hinweg erwuchs Vertrauen.<br />
Welche Fähigkeiten mussten Sie<br />
– muss jemand – in dieser Situation<br />
mitbringen, um dieser Aufgabe<br />
gerecht zu werden?<br />
Neben politischem Gespür gehört eine gewisse<br />
Gremien- und Administrationserfahrung<br />
dazu, die ich als Beratungsstellenleiter<br />
und als ehemaliger leitender Beamter<br />
gesammelt hatte.<br />
Soweit ich mich erinnere, war die<br />
niedersächsische Kammer nach<br />
der Kammer in Bremen die zweite<br />
gegründete. Sie hatten also wenige<br />
Vorbilder. Wo haben Sie Ihre Ideen<br />
hergenommen, wie eine solche Kammer<br />
aufgebaut werden müsste?<br />
In Bremen und Niedersachsen folgten die<br />
Gründungen in wenigen Wochen aufeinander.<br />
Anders als in Bremen hatten wir<br />
dreitausend Mitglieder in einem Flächenland<br />
zu organisieren.<br />
Wir hatten dreierlei: was wir wollten, was<br />
Nachbarkammern machten und ein bisschen<br />
Vorarbeit von Kollegen. Was wir<br />
wollten, war über alle Verbände klar: das<br />
PsychThG mit Leben erfüllen, die Emanzipation<br />
der Profession und ihre materielle<br />
Sicherung. Nachbarkammern und Kollegen<br />
haben mit Vorarbeit geholfen. Ich hatte<br />
schon lange vor der Gründung einen ersten<br />
Entwurf einer Kammersatzung ausgearbeitet<br />
und habe mich da schamlos bei einem<br />
Entwurf von VPP-Kollegen aus Thüringen<br />
sowie bei den Ärztekammern und anderen<br />
Kammern bedient. Juristische Helfer haben<br />
uns toll zugearbeitet. Wir mussten ja das<br />
Rad nicht neu erfinden, sondern einen Karren<br />
zum Laufen bringen. Die ÄKN war hier<br />
ein freundlicher Helfer und Wegbegleiter. In<br />
Niedersachsen hatten wir auch das Glück,<br />
umgängliche und kooperative Partner bei<br />
der Fachaufsicht zu haben.<br />
Sehr geholfen hat auch das Internet. Jeder<br />
wichtige Text war sofort verfügbar, alle<br />
Vorstandsarbeit war per E-Mail leicht kom-<br />
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