27.02.2013 Aufrufe

Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH

Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH

Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

der Deutschen Suchthilfestatistik 6.750<br />

Personen mit einer Hauptdiagnose pathologisches<br />

Glücksspielen registriert,<br />

die in ambulanten und stationären Einrichtungen<br />

in Deutschland behandelt<br />

wurden (Steppan, Künzel & Pfeiffer-Gerschel,<br />

2010). Somit steht pathologisches<br />

Glücksspielen, gemessen an der Fallzahl<br />

der Betreuten, nach Alkohol, Opioiden<br />

und Cannabis an vierter Stelle der<br />

Suchthilfestatistik in Deutschland. Eine<br />

Hochrechnung der 896 registrierten Behandlungsfälle<br />

in Bayern ergab insgesamt<br />

2.456 Glücksspieler, die im Jahr 2009 in<br />

Suchthilfeeinrichtungen in Bayern behandelt<br />

wurden (Sassen & Kraus, <strong>2011</strong>). Eine<br />

ambulante Behandlung erfolgte hochgerechnet<br />

bei 2.300 pathologischen Spielern<br />

(2.093 Haupt- und 207 Sekundärdiagnosen),<br />

während 156 Glücksspieler im<br />

stationären Setting behandelt wurden.<br />

Hinsichtlich der Versorgungssituation der<br />

Betroffenen wird von einem erheblichen<br />

Missverhältnis zwischen der geschätzten<br />

Prävalenz pathologischer Glücksspieler in<br />

der Bevölkerung und der Inanspruchnahme<br />

professioneller Hilfsangebote ausgegangen.<br />

In Europa weisen Daten aus der<br />

Schweiz auf einen Anteil von 2,8% bis<br />

3,1% von aktuellen Spielern hin, die sich<br />

in Beratung oder Behandlung befinden<br />

(Toneatto & Nett, 2006). In Deutschland<br />

wird der Anteil pathologischer Glücksspieler,<br />

die im Jahr 2008 in Suchthilfeeinrichtungen<br />

behandelt wurden, nach eigenen<br />

Berechnungen auf etwa 3,8% bis 10,7%<br />

geschätzt.<br />

Die geringe Nutzung von Hilfesangeboten<br />

durch pathologische Glücksspieler stellt<br />

eine erhebliche Herausforderung für die<br />

Gesundheitsversorgung in Deutschland<br />

dar. Eine zusätzliche Ressource können<br />

möglicherweise PP sein. Aufgrund der<br />

fachlichen Kompetenz wäre bei ihnen<br />

auch eine (Mit-)Behandlung des hohen<br />

Anteils psychischer komorbider Störungen<br />

gewährleistet. Allerdings liegen über die<br />

Behandlung pathologischer Glücksspieler<br />

durch PP bisher keine Informationen vor.<br />

Um den möglichen Beitrag von PP an der<br />

Behandlung pathologischer Glücksspieler<br />

zu erfassen, wurde für eine erste Orientierung<br />

eine Pilotstudie in Bayern durchgeführt.<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2011</strong><br />

2. Methodik<br />

2.1 Design und Stichprobe<br />

Die Befragung erfolgte bei niedergelassenen<br />

PP, die Anfang 2010 bei der Psychotherapeutenkammer<br />

(PTK) Bayern<br />

gemeldet waren. Dabei wurden sowohl<br />

selbstständige als auch selbstständige<br />

und gleichzeitig angestellte PP befragt.<br />

Da anzunehmen ist, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten<br />

kaum Personen<br />

mit pathologischem Glücksspielen<br />

behandeln, wurden diese von der Analyse<br />

ausgeschlossen. Dadurch ergab sich für<br />

die Berechnungen eine Gesamtzahl von<br />

2.520 bei der PTK Bayern Anfang 2010 registrierten<br />

PP. Von 726 PP (28,8% der Zielgruppe)<br />

war die E-Mailadresse bekannt.<br />

Diese wurden per E-Mail von der PTK mit<br />

der Bitte um Teilnahme an einem kurzen<br />

Fragebogen angeschrieben. Ein in der E-<br />

Mail enthaltener Link führte zu einem Onlinefragebogen<br />

mit fünf Fragen.<br />

Die Befragung wurde über einen Zeitraum<br />

von acht Wochen, von April bis Juni 2010,<br />

durchgeführt. Insgesamt nahmen 217 der<br />

726 angeschriebenen PP teil. Dies entspricht<br />

einer Antwortrate von 29,9%. Aufgrund<br />

inkonsistenter Angaben wurden die<br />

Angaben von drei PP aus den Berechnungen<br />

ausgeschlossen, so dass die Analysen<br />

auf Informationen von 214 PP basieren.<br />

Alle Angaben beziehen sich auf die im Jahr<br />

2009 behandelten Personen mit glücksspielbedingten<br />

Problemen.<br />

2.2 Instrumente<br />

Der Fragebogen enthielt (rückblickend auf<br />

das Jahr 2009) Informationen zu Prävalenz,<br />

Diagnose und Therapie von Personen<br />

mit glücksspielbedingten Problemen. Die<br />

Informationen beziehen sich dabei sowohl<br />

auf aktive Glücksspieler als auch auf Angehörige.<br />

Die grundsätzliche Behandlung von<br />

glücksspielbedingten Problemen wurde in<br />

der Eingangsfrage erfasst: „Lag bei Patienten/Patientinnen,<br />

die Sie im Jahr 2009 in<br />

Ihrer Praxis behandelt haben, eine Glücksspielproblematik<br />

vor?“ („Wenn ja, bei wie<br />

vielen Patienten/Patientinnen?“). Auf die<br />

Therapie bezogen wurde die jeweilige Anzahl<br />

der Patienten erfragt: „Bei wie vielen<br />

dieser Patienten/Patientinnen bezog sich<br />

die Psychotherapie auf die Behandlung der<br />

L. Kraus, M. Sassen, M. Kroher, Z. Taqi, G. Bühringer<br />

Glücksspielproblematik?“ und „Bei wie vielen<br />

dieser Patienten/Patientinnen haben<br />

Sie in der Antragsstellung die Diagnose<br />

pathologisches Spielen (F 63.0) gestellt?“.<br />

Das weitere Vorgehen nach der Therapie<br />

wurde durch die folgenden Fragen erhoben:<br />

„Haben Sie im Jahr 2009 Patienten/<br />

Patientinnen oder Therapiesuchende mit<br />

einer Glücksspielproblematik an andere<br />

Stellen vermittelt oder ihnen das Aufsuchen<br />

dieser Stellen empfohlen?“ sowie<br />

„Wenn ja, wie viele Personen waren das<br />

ungefähr?“ und „Wenn ja, welche Stelle(n)<br />

haben Sie empfohlen?“. Informationen<br />

über den Therapeuten wurden mittels der<br />

Frage erfasst „Welche therapeutische Ausrichtung<br />

liegt Ihrer Arbeit zu Grunde?“ und<br />

den Antwortkategorien „Verhaltestherapie“,<br />

„Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“,<br />

„Psychoanalyse“ und „Sonstige“<br />

(Mehrfachnennungen möglich).<br />

2.3 Analyse<br />

Um die Gesamtzahl der behandelnden<br />

PP sowie der Behandelten einschätzen zu<br />

können, wurden die Zahlen der Befragung<br />

auf alle bei der PTK Bayern gemeldeten<br />

niedergelassenen oder niedergelassenen<br />

und zugleich angestellten PP (N=2.520)<br />

hochgerechnet. Es wurde dabei davon<br />

ausgegangen, dass die nicht angeschriebenen<br />

PP (n=1.794 ohne bekannte E-Mailadresse)<br />

sich nicht von den angeschriebenen<br />

PP (n=726) unterscheiden. Da<br />

die Stichprobenziehung möglicherweise<br />

selektiv (nur PP mit E-Mailadresse befragt)<br />

und die Antwortrate eher niedrig war, wurden<br />

zwei unterschiedliche Verfahren zur<br />

Hochrechnung angewendet, um eine realistische<br />

Einschätzung der Behandlungssituation<br />

zu gewährleisten. Anhand dieses<br />

Vorgehens konnte ein unterer (konservativer)<br />

und ein oberer (liberaler) Schätzwert<br />

ermittelt werden, wobei der wahre Wert<br />

wahrscheinlich dazwischen liegt.<br />

Bei der ersten, konservativen Hochrechnung<br />

(HR1) wird angenommen, dass<br />

die 512 PP, die nicht geantwortet haben<br />

(70,5% der 726 angeschriebenen PP),<br />

generell keine Behandlung für Personen<br />

mit glücksspielbedingten Problemen anbieten.<br />

Bezogen auf alle 2.520 PP bedeutet<br />

dies, dass 1.777 PP (70,5% von allen<br />

2.520 PP) keine Personen mit Glücksspielproblemen<br />

behandeln. Für HR1 ent-<br />

153

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!