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Psychotherapeutenjournal 2/2011 - medhochzwei Verlag GmbH

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Th.: Muss für Sie damals schlimm gewesen<br />

sein. (Pat. nickt.) Wenn Sie sich erlauben<br />

vorzustellen, Sie könnten ihr heute<br />

mit den Fähigkeiten des Erwachsenen<br />

aber aus dem Herzen des damaligen<br />

Kleinen die Wahrheit sagen, so wie sie<br />

der Kleine empfunden hat, ginge das für<br />

Sie? Was wäre das am ehesten?<br />

Pat.: Ich will nicht nur funktionieren und<br />

vernünftig sein, nur damit Du Job samt<br />

Familie und den Knatsch mit Papa über<br />

die Runden kriegst. Ich will auch mal gesehen<br />

und gemocht werden, will auch<br />

mal ein Zuhause haben, wo man unbeschwert<br />

lachen kann und sich frei fühlt.<br />

Th.: Sie schauen mich jetzt an und haben<br />

eine aufrechte Haltung angenommen,<br />

wie fühlen Sie sich gerade?<br />

Pat.: Es ist, als hätte ich es ihr tatsächlich<br />

gesagt, obwohl das real sowieso nicht<br />

mehr ginge, weil sie nicht mehr lebt,<br />

aber ich oder mein innerer Kleiner habe<br />

in Ihren Augen geglaubt das Verständnis<br />

zu spüren, das ich damals gebraucht<br />

hätte. Ich glaube, das hat mir Mut gemacht,<br />

ihr die Stirn zu bieten und gleichzeitig<br />

stimmt es mich ihr gegenüber im<br />

Augenblick etwas milder. Ich weiß ja,<br />

dass sie es wirklich schwer gehabt hat.<br />

Th.: Es freut mich, wie sehr Sie bei sich<br />

sind und in Ihren Gefühlen relativ klar<br />

wirken, sowohl bei Ihrem JA wie bei<br />

Ihrem NEIN. Das haben Sie Ihrem heilsamen<br />

Zorn zu verdanken, der Sie vor<br />

unzumutbaren Entbehrungen und vor<br />

Selbstaufgabe schützt. Vielleicht könnte<br />

er auch in ihrer jetzigen Lebenssituation<br />

ein hilfreicher Beschützer sein? Da<br />

schauen wir später noch hin. Aber zunächst:<br />

Da war doch noch die Aussage<br />

der anderen Hand. Erinnern Sie sich an<br />

die Gebärde am Anfang, die Sie mit: „Ich<br />

jemanden zu verändern hat. Veränderung<br />

stellt sich allerdings als kalkulierter Sekundäreffekt<br />

ein: „Sehen, was ist, verändert“,<br />

heißt ein wirksames Paradoxon. Es geht<br />

primär darum, beim Patienten oder Klienten<br />

Bewusstheit dafür zu erzeugen, wie<br />

der Betreffende wahrnimmt, sein Erleben<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2011</strong><br />

kann nicht mehr ... lieber tot sein.“ übersetzten?<br />

Haben Sie dazu noch einen inneren<br />

Zugang? Was ist aus ihr geworden?<br />

Lassen Sie sich am besten von Ihrer Hand<br />

führen.<br />

Pat: (Schließt die Augen und lässt der<br />

Hand etwas Spiel.) Es fühlt sich an,<br />

als wolle sie eigentlich zärtlich und anschmiegsam<br />

sein. Das ist fast peinlich zu<br />

sagen, denn ich hab doch Angst, wieder<br />

zurückgestoßen und ausgelacht zu werden.<br />

(Pat. stampft wieder fast unmerklich<br />

mit seinem Fuß auf, was die Therapeutin<br />

etwas verstärkend und mit aufmunternden<br />

Blick spiegelt, worauf der Pat.<br />

schmunzelnd mit kräftigem Aufstampfen<br />

antwortet und sich mit tiefem Einatmen<br />

spürbar aufrichtet.) Ich will mich nicht zurückweisen<br />

lassen!<br />

Th. im gleichen Tonfall: Ich stehe zu mir,<br />

ich spüre meine Kraft, meine innere Weite,<br />

meine Lebensfreude und meine sensiblen<br />

Fähigkeiten?<br />

Pat: (Nickt, atmet nochmals tief durch mit<br />

entspanntem Gesicht.) ... Wenn ich in meiner<br />

Kraft bin, traue ich mir zu, zärtlich zu<br />

sein, was ich ja gerne bin. Dann wird alles<br />

gut... Jetzt taucht innerlich meine Frau auf,<br />

wie sie war, als wir uns kennenlernten. Da<br />

hatte sie noch Achtung vor mir. (Die Stimme<br />

wird brüchig, der Blick senkt sich, die<br />

Schultern fallen etwas herunter.)<br />

Th.: Habe ich das gerade richtig verstanden,<br />

am Anfang Ihrer Beziehung haben<br />

Sie sich mit all Ihren Seiten eingebracht?<br />

Das war für beide gut. Und später ist einiges<br />

von Ihnen auf der Strecke geblieben,<br />

haben Sie einiges untergehen lassen?<br />

Pat.: Alles ging unter. Erst mein Mut, dann<br />

die Zärtlichkeit und Intimität. Seitdem sind<br />

wir nur noch eine WG mit Kind.<br />

verarbeitet und sich demgemäß verhält<br />

sowie in Konsequenz davon darum, dass<br />

er eine echte innere Wahlmöglichkeit zum<br />

Bisherigen erkennt, erlebt und diese Freiheit<br />

in Verantwortung nutzt. Diese Prozesse<br />

gelingen nur in achtsamer Grundhaltung<br />

bei Therapeut und Patient.<br />

L. Hartmann-Kottek<br />

Th.: Ich ahne, wie schlimm das ist. Helfen<br />

Sie mir, zu begreifen, wie es dazu<br />

kommen konnte? (Pat. nickt interessiert.)<br />

... Lassen Sie uns hier – mit Ihrer Hilfe –<br />

für alles Untergegangene einen Ort finden,<br />

so, wie es für Sie zusammenpasst<br />

und lassen Sie uns auch Kontakt zu dem<br />

Impuls finden, der für das Untergehen<br />

verantwortlich war und ist.<br />

Im weiteren Verlauf baut der Pat. eine<br />

Szene mit allen intrapsychischen Repräsentanzen<br />

auf, die bei diesem Thema in<br />

Resonanz gegangen sind, auch ein Introjekt<br />

mit vorauseilender Selbstentwertung<br />

und damit nachfolgendem Kontaktabbruch.<br />

Er beseelt nacheinander alle Teilaspekte,<br />

leiht Ihnen seine Stimme, entdeckt<br />

ihren Sinn und Ursprung, ihren unerfüllten<br />

Wunsch und geht in Dialog mit den<br />

eigentlichen Adressaten. Mancher Aspekt<br />

wird zurückgesandt an den Absender, z. B.<br />

seine entwertende Ungeduld mit sich, die<br />

er sich von der unglücklichen Mutter hat<br />

unter die Haut gehen lassen. Er entdeckt<br />

neue, wertvolle Seiten in sich, ordnet die<br />

Teilaspekte neu, gruppiert sie um das Erleben<br />

des Kleinen, der zur geschützten Mitte<br />

wird, behütet vom eigenen Erwachsenen,<br />

und beginnt dabei intrapsychisch ein<br />

ähnliches Verständnis walten zu lassen,<br />

wie er es in der zugewandten, therapeutischen<br />

Beziehung erfährt, die er trotz der<br />

Rollenvorgabe als echt erlebt. Wo innerer<br />

Zwist war, entsteht Akzeptanz und Belastbarkeit.<br />

Aus diesem Selbstverständnis heraus<br />

gelingt ihm die Ablösung des Mutter-<br />

Übertragungsschattens auf seine Frau fast<br />

spontan, der sich zunächst an ihrer Kritikfähigkeit<br />

festgemacht hatte. Er entdeckt<br />

seine Frau neu und überrascht sie durch<br />

seine wiedergewonnene Spontaneität.<br />

(Das Beispiel mit Eingangsdialog, intrapsychischer<br />

Aufstellung, Nachverarbeitung,<br />

und ehelicher Beziehungsklärung ist eine<br />

Verdichtung von fünf Doppelstunden.)<br />

Die Therapeutische Beziehung<br />

Gestalttherapie verbindet dabei primär die<br />

Kultur der Achtsamkeit mit seinem komplexen,<br />

therapeutischen Beziehungsverständnis,<br />

das stets auf allen fünf Ebenen<br />

zugleich läuft, jedoch je nach Bedürftigkeit<br />

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