Subjekt und Ideologie Althusser – Lacan –ˇZizek - Reinhard Heil
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3 DER GRAPH DES BEGEHRENS 42<br />
Der große Andere muss seinen Gr<strong>und</strong> selbst setzen <strong>und</strong> diesen Akt der Setzung<br />
ausblenden. 20<br />
Über die dritte Stufen des Graphen wird die reflexive Struktur des Begehrens weiter<br />
entfaltet. Das Begehren wurde weiter oben definiert als das Begehren des Anderen,<br />
das heißt das <strong>Subjekt</strong> stellt sich die Frage nach der Ursache für das Begehren des<br />
Anderen. Warum begehrt der Andere gerade mich <strong>und</strong> was ist es, was er begehrt?<br />
An dieser Stelle trennt <strong>Lacan</strong> zwischen dem Anspruch (demande) <strong>und</strong> dem im Gra-<br />
phen mit d bezeichneten Begehren (désir). Die dritte Stufe des Graphen wölbt sich<br />
in der Form eines Fragezeichens über die untere Ebene des Graphen <strong>und</strong> stellt die<br />
gesamte Prozedur der Anrufung in Frage. Durch die reflexive, auf den Anderen ver-<br />
wiesene Form des Begehrens kommt es zu einer Trennung zwischen dem Anspruch<br />
des Anderen <strong>und</strong> dem ihm vom <strong>Subjekt</strong> unterstellten Begehren. Im Graphen fin-<br />
det sich an dieser Stelle die Frage nach dem Begehren des Anderen: ”Che vuoi?”.<br />
ˇZiˇzek ”übersetzt” diese Frage wie folgt: ”You’re telling me that, but what do you<br />
want with it, what are you aiming at?” ( ˇZiˇzek 1992a:111). Die Antwort auf die Fra-<br />
ge ”Che vuoi?” erfolgt durch das Phantasma (S/ � a). Das Phantasma sagt dem Sub-<br />
jekt, was der Andere wirklich will. Es versucht, das hysterische Fragen des <strong>Subjekt</strong>s<br />
nach dem Begehren des Anderen zu beantworten, indem es ihm ein Objekt anbietet,<br />
durch welches das Begehren des Anderen verkörpert wird. Das Phantasma bietet die<br />
Antwort auf die Frage, was der Andere wirklich will <strong>und</strong> gibt dieser Antwort einen<br />
Körper, das objet petit a. Durch die Antwort des Phantasmas wird die Mangelhaf-<br />
tigkeit des Anderen verdeckt, er wird geschlossen, sein Begehren wird abgewehrt.<br />
(Vgl. <strong>Lacan</strong>:1975:191f.)<br />
Das Phantasma bildet die Gr<strong>und</strong>lage der Überlegungen ˇZiˇzeks zur <strong>Ideologie</strong>. Es ist<br />
<strong>–</strong> wie fast alle Begriffe innerhalb seiner theoretischen Konzeption <strong>–</strong> paradoxal ver-<br />
fasst. In der Diktion <strong>Lacan</strong>s wird das Phantasma mit dem Mathem 21 S/ � a bezeich-<br />
20 Die klassische Vorstellung eines Anderen des Anderen findet sich in den Verschwörungstheorien<br />
<strong>und</strong> allgemein, wie später noch ausgeführt wird, in der <strong>Ideologie</strong>. Verschwörungstheorien versuchen,<br />
hinter der nur in sich selbst gründenden symbolischen Ordnung einen Anderen auszumachen, der die<br />
Fäden zieht. ”Wir haben den Kapitalismus, der von der jüdischen Weltverschwörung als Werkzeug<br />
eingesetzt wird, um die Menschheit zu unterwerfen.” Das heißt, die Erklärung, warum eine Ordnung<br />
ist, wie sie ist, wird aus der Ordnung heraus verlegt in eine Konsistenz garantierende zweite Ordnung<br />
hinter der offiziellen.<br />
21 ”Das Wort Mathem tauchte am 4. November 1971 erstmal in <strong>Lacan</strong>s Rede auf. Es war ausgehend<br />
vom Mythem von Claude Lévis-Strauss <strong>und</strong> vom griechischen Wort mathēma (Kenntnis) gebildet<br />
worden <strong>und</strong> gehörte nicht zum Feld der Mathematik. <strong>Lacan</strong> ging von Cantors Wahnsinn aus: wenn<br />
dieser Wahnsinn, so behauptete er der Sache nach, nicht durch objektive Verfolgung motiviert ist,<br />
so hat er einen Bezug zur Unverständlichkeit der Mathematik selbst, das heißt zu dem von einem