Subjekt und Ideologie Althusser – Lacan –ˇZizek - Reinhard Heil
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3 DER GRAPH DES BEGEHRENS 44<br />
ˇZiˇzek erläutert beiden Funktionen des Phantasmas am Beispiel des Totalitarismus:<br />
Diejenigen, die behaupten, die stabilisierende Form des Phantasmas verwirklicht<br />
zu haben, z.B. in der Idee der Volksgemeinschaft, müssen sich auf den destabili-<br />
sierenden Aspekt des Phantasmas berufen, um zu erklären, warum es letztendlich<br />
doch zum Scheitern kommt. Dieses Scheitern verdichtet sich in der paranoischen<br />
Obsession der Nazis für die ”jüdische Verschwörung”. ˇZiˇzek sieht in diesen bei-<br />
den Aspekten die beiden Seiten einer Münze: Insofern die Gemeinschaft ihre Rea-<br />
lität als durch die stabilisierende Seite des Phantasmas reguliert erfahren will, muss<br />
sie die inhärente Unmöglichkeit, den Antagonismus des Sozialen verleugnen, in-<br />
dem sie die Verleugnung positiviert, ihr einen Körper gibt. Diese zweite Funktion<br />
des Phantasmas, also die Verkörperung der Unmöglichkeit der Schließung, ist not-<br />
wendig, damit die erste Funktion greifen kann. In beiden Fällen ist das Phantasma<br />
eine Abwehrformation: Es ermöglicht die Symbolisierung <strong>und</strong> verdeckt innerhalb<br />
der Symbolisierung deren inhärente Unmöglichkeit, Vollständigkeit zu erlangen.<br />
ˇZiˇzeks Unterscheidung zwischen der stabilisierenden <strong>und</strong> destabilisierenden Funk-<br />
tion des Phantasmas ist aus diesem Gr<strong>und</strong> irreführend: Beide Funktionen wirken<br />
stabilisierend <strong>und</strong> nur ihr Zusammenspiel ermöglicht es, Gesellschaft als bestimm-<br />
te wahrzunehmen.<br />
Wo lässt sich nun das <strong>Subjekt</strong> selbst innerhalb des phantasmatischen Narrativs, das<br />
sein Begehren organisiert, verorten? Das <strong>Subjekt</strong> kann über den vom Phantasma<br />
eröffneten Selbst- <strong>und</strong> Weltzugang nicht frei verfügen, das heißt der Ort, den es ein-<br />
zunehmen, mit dem es sich zu identifizieren meint, muss nicht unbedingt mit seiner<br />
symbolischen Bestimmung übereinstimmen. Das <strong>Subjekt</strong> muss sich nicht notwen-<br />
dig mit sich selbst, mit seinem Idealich identifizieren, sondern es kommt weitaus<br />
häufiger zu einer Identifizierung mit dem Ichideal, also mit dem Blick oder dem<br />
Ort, mit oder von dem aus es als liebenswert erscheint.<br />
Eines der wichtigsten Merkmale des Phantasmas ist seine intersubjektive Struktur.<br />
Das Phantasma lässt sich als eine Antwort auf die Frage ”Che vuoi?” verstehen,<br />
die das <strong>Subjekt</strong> an den großen Anderen, die symbolische Ordnung richtet. In dieser<br />
Frage drückt sich der intersubjektive Charakter des Phantasmas <strong>und</strong> des Begehrens<br />
aus. Das im Phantasma realisierte Begehren ist das Begehren des Anderen. ˇZiˇzek<br />
fasst mit <strong>Lacan</strong> das Phantasma als Antwort auf die Frage: ”Was will der Andere von<br />
mir?”, das heißt es geht um das Begehren des Anderen, nicht um den Anspruch, den<br />
er stellt. Die Frage lautet vollständig: ”You are saying this, but what is it that you