Subjekt und Ideologie Althusser – Lacan –ˇZizek - Reinhard Heil
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2 ANRUFUNG 8<br />
<strong>Althusser</strong>s erster Kontakt mit den Überlegungen <strong>Lacan</strong>s fand im November 1945<br />
statt. 4 <strong>Lacan</strong> hielt an der École Normale Supérieure (ENS) einen Vortrag über den<br />
Ursprung des Wahnsinns. <strong>Althusser</strong> lehnte <strong>Lacan</strong>s These ab, dass für das Cartesia-<br />
nische Cogito der Wahnsinn ein konstitutives Element sei. Er selbst war manisch-<br />
depressiv veranlagt <strong>und</strong> wurde mehr als zwanzigmal in geschlossenen Anstalten<br />
unter anderem pharmakologisch <strong>und</strong> mit Elektroschocks behandelt. 1963 nahm La-<br />
can Briefkontakt zu <strong>Althusser</strong> auf, da er hoffte, über ihn einen Zugang zur ENS zu<br />
erhalten. <strong>Lacan</strong> interessierte sich laut seiner Biographin Roudinesco nur am Rande<br />
für das Denken <strong>Althusser</strong>s, wichtiger war ihm dagegen, dass <strong>Althusser</strong> die Studie-<br />
renden der ENS mit seinen Konzeptionen vertraut machte. <strong>Althusser</strong> vermittelte<br />
<strong>Lacan</strong> 1964 einen Lehrauftrag an der ENS <strong>und</strong> ermöglichte ihm damit die Fortset-<br />
zung seiner Seminare. Die Relevanz <strong>Lacan</strong>s sah <strong>Althusser</strong> unter anderem darin, dass<br />
dieser ”einen unerbittlichen Kampf gegen den Humanismus, den Szientismus <strong>und</strong><br />
den Personalismus” (zit. nach Roudinesco 1996:453) führe. Er machte allerdings<br />
auch auf den Stil <strong>Lacan</strong>s aufmerksam, den er wie folgt beschreibt:<br />
Man muß gehört haben, wie er spricht [...], um die glanzvolle Boshaftigkeit<br />
zu begreifen, in der er sich, durch den Surrealismus hindurchgegangen,<br />
als Individuum realisiert [...]. Wenn Sie ins Seminar gehen,<br />
werden sie alle Arten von Leuten zu sehen bekommen, ins Gebet versunken<br />
vor einem unverständlichen Diskurs. Das ist die Methode eines<br />
intellektuellen Terrorismus. (zit. nach Roudinesco 1996:453)<br />
Diesem intellektuellen Terrorismus sieht man sich heute noch ausgesetzt, wenn man<br />
versucht, das Werk <strong>Lacan</strong>s zu erschließen.<br />
Roudinesco geht davon aus, dass <strong>Althusser</strong>s Artikel Freud <strong>und</strong> <strong>Lacan</strong> (Vgl. Al-<br />
thusser 1970) dazu führte, dass der ”<strong>Althusser</strong>-<strong>Lacan</strong>ianismus” eine Neubewertung<br />
des Strukuralismus innerhalb der intellektuellen Szene Frankreichs auslöste. Über<br />
<strong>Althusser</strong> lernte <strong>Lacan</strong> Jacques-Alain Miller kennen, der in der Folge zum wich-<br />
tigsten <strong>und</strong> umstrittensten <strong>Lacan</strong>interpreten wurde. Miller formalisierte die Logik<br />
<strong>Lacan</strong>s, heiratete eine seiner Töchter <strong>und</strong> wurde <strong>–</strong> bzw. ernannte sich selbst <strong>–</strong> zum<br />
Nachlassverwalter <strong>Lacan</strong>s.<br />
Neben <strong>Lacan</strong> ist die marxsche Theorie für <strong>Althusser</strong> die wichtigste Referenz. Seine<br />
Überlegungen zum Komplex der <strong>Ideologie</strong>, die im Folgenden dargestellt werden,<br />
mehr an Foucault orientiert als an <strong>Lacan</strong>.<br />
4 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Roudinesco 1996:437-459.