Höffer Rostock Version 14.10.96 - BStU - Bund.de
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Erfolg dieser Taktik geben die Unterlagen keinen Aufschluß. Er kann angesichts <strong>de</strong>r weiteren<br />
Entwicklung allerdings nur sehr gering gewesen sein.<br />
Auch ein an<strong>de</strong>rer Zersetzungsversuch mißlang offensichtlich. Anfang November stellte die<br />
Abteilung XX fest, daß zwischen <strong>de</strong>m sogenannten "Hauskreis" <strong>de</strong>s <strong>Rostock</strong>er Neuen Forums<br />
und <strong>de</strong>m Koordinierungskreis in <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Beteiligung <strong>de</strong>r Basis bei wichtigen Entscheidungen<br />
Meinungsunterschie<strong>de</strong> bestan<strong>de</strong>n. 66 Auch darin sah das MfS eine Chance, einen Keil<br />
zwischen die Initiatoren <strong>de</strong>r Protestbewegung zu treiben. Aber offenbar reichten zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits die Möglichkeiten zur Umsetzung einer wirksamen Zersetzungsstrategie<br />
nicht mehr aus.<br />
Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß die <strong>Rostock</strong>er BV zwar eine Vielzahl an<br />
Informationen über personelle Zusammensetzung, Aktivitäten und Absichten <strong>de</strong>r sich rasch<br />
entwickeln<strong>de</strong>n Protestbewegung sammelte, jedoch in <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Aufbauphase keine<br />
direkte inoffizielle Einflußmöglichkeit auf die unmittelbare Führungsebene und damit auf <strong>de</strong>ren<br />
Pläne bzw. Aktivitäten besaß. Dieser Umstand wog um so schwerer, als we<strong>de</strong>r die<br />
Staatsorgane insgesamt noch das MfS in <strong>Rostock</strong> <strong>de</strong>r schnell wachsen<strong>de</strong>n Protestbewegung<br />
aktiv und offen repressiv entgegentreten wollten o<strong>de</strong>r konnten.<br />
Wie reagierte die <strong>Rostock</strong>er Bezirksverwaltung auf die Vielzahl <strong>de</strong>r Fürbittandachten,<br />
Gottesdienste und Demonstrationen in <strong>de</strong>n Wochen zwischen Mitte Oktober und <strong>de</strong>m<br />
9. November 1989? Seit <strong>de</strong>m 19. Oktober, als es im Anschluß an die Fürbittandachten zur ersten<br />
Donnerstags-Demo in <strong>de</strong>r mit Abstand größten Stadt <strong>de</strong>s Bezirkes kam, erreichten die<br />
"Demonstrativhandlungen feindlich-negativer Personen" eine Intensität, <strong>de</strong>r we<strong>de</strong>r die an<strong>de</strong>ren<br />
Staats- und SED-Organe noch die Staatssicherheit etwas entgegenzusetzen vermochten.<br />
Innerhalb von knapp vier Wochen, im Donnerstag-Sonnabend-Rhythmus, wuchs die Zahl <strong>de</strong>r<br />
protestieren<strong>de</strong>n und damit potentiell "feindlichen" Kräfte allein in <strong>de</strong>r Bezirksstadt rasch von<br />
3.000 auf 40.000 Personen an. Auf eine <strong>de</strong>rartige Quantität und Qualität war die <strong>Rostock</strong>er<br />
Staatssicherheit nicht vorbereitet. Statt die "Gefährdung <strong>de</strong>r staatlichen Sicherheit und<br />
Ordnung" zerschlagen zu können, mußten die Mitarbeiter <strong>de</strong>r BVfS einsehen, daß sie nicht<br />
einmal alle relevanten Informationen sammeln, geschweige <strong>de</strong>nn verarbeiten und auswerten<br />
konnten. Was jahrzehntelang gegenüber vereinzelten Personen und Bestrebungen funktioniert<br />
hatte, erwies sich in <strong>de</strong>r neuen Situation als untauglich. So sind die Aktivitäten <strong>de</strong>r BV gegen<br />
Protest- und Verän<strong>de</strong>rungsbestrebungen in dieser Phase vornehmlich durch Passivität,<br />
Anpassungsversuche zur eigenen Rettung und abwarten<strong>de</strong> Hilflosigkeit gekennzeichnet.<br />
Dabei darf man jedoch nicht vergessen, daß <strong>de</strong>m Volk auf <strong>de</strong>r Straße auch noch im November<br />
<strong>Rostock</strong> an Abt. XX, Politisch-operative Maßnahmen im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>r<br />
kirchlichen Frie<strong>de</strong>ns<strong>de</strong>ka<strong>de</strong> 1989, 7.11.1989; <strong>BStU</strong>, ASt <strong>Rostock</strong>, 507 (unerschlossenes Material).<br />
66 Vgl. Abt. XX, Bericht, 3.11.1989; <strong>BStU</strong>, ASt <strong>Rostock</strong>, 209 (unerschlossenes Material).