Höffer Rostock Version 14.10.96 - BStU - Bund.de
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ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utsamen außenpolitischen Faktoren, ist ein ganzer<br />
Ursachenkomplex zu beschreiben und zu analysieren. Betrachtet man die Entwicklung in<br />
<strong>Rostock</strong>, so kann man zwischen allgemein-gesellschaftlichen und MfS- bzw. BV/BA-spezifischen<br />
Grün<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>n, die in enger Wechselwirkung zueinan<strong>de</strong>r stehen.<br />
Zuerst zu <strong>de</strong>n allgemein-gesellschaftlichen Grün<strong>de</strong>n:<br />
1. Die <strong>Rostock</strong>er BV hatte aufgrund ihrer Informationen bereits vor <strong>de</strong>m Herbst 1989 erkannt,<br />
daß sich verschie<strong>de</strong>ne Fehlentwicklungen in <strong>de</strong>r DDR und im Bezirk verschärften<br />
und größere Verän<strong>de</strong>rungen im Rahmen einer "sozialistischen Erneuerung" notwendig<br />
wären. Insofern bestand eine, wenn auch mit stärkster Zurückhaltung zu betrachten<strong>de</strong>,<br />
Akzeptanz <strong>de</strong>r dann einsetzen<strong>de</strong>n Reformbestrebungen seitens <strong>de</strong>r BV bzw.<br />
<strong>de</strong>s BA. Man kann von einem zeitlich und inhaltlich stark begrenzten, relativen<br />
Konsens <strong>de</strong>r <strong>Rostock</strong>er Staatssicherheit mit bestimmten Aspekten <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungsbemühungen<br />
sprechen.<br />
2. Die von Fricke bereits benannte Ohnmacht <strong>de</strong>r SED-Führung produzierte auch in <strong>de</strong>r<br />
BV <strong>Rostock</strong> Spannungen mit <strong>de</strong>r SED und eine gewisse Orientierungslosigkeit. Hier<br />
trat dieser Umstand sogar sehr <strong>de</strong>utlich hervor. Der 1. Sekretär <strong>de</strong>r SED-Bezirksleitung<br />
und Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bezirkseinsatzleitung, Ernst Timm, überwand erst Anfang<br />
November seinen Schockzustand, während <strong>de</strong>r MfS-Bezirkschef Mittag bereits am<br />
6. Oktober Bereiche gesellschaftlicher Fehlentwicklung und Lösungswege aufgezeigt<br />
hatte, wie die Protestbewegung durch partielles Entgegenkommen auszuhöhlen<br />
gewesen wäre. Die <strong>Rostock</strong>er Staatssicherheit fühlte sich in <strong>de</strong>r Zeit wachsen<strong>de</strong>r<br />
eigener Bedrängnis von ihrem früheren Herrn, <strong>de</strong>r SED, im Stich gelassen. Hinzu kam,<br />
daß viele BV-Angehörige durch <strong>de</strong>n immer stärker bekanntwer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Machtmißbrauch<br />
führen<strong>de</strong>r SED- und Staatsfunktionäre verunsichert waren. Das Ergebnis war ein<br />
Motivations<strong>de</strong>fizit. Es scheint zweifelhaft, ob im Herbst 1989, vor allem seit Mitte<br />
Oktober, noch eine bedingungslose Bereitschaft bestand, auf Befehl auch auf<br />
Verwandte und Bekannte zu schießen sowie das eigene Leben zu riskieren.<br />
3. Der Geheimdienst allein verfügte trotz all seiner logistischen und materiellen Mittel<br />
nicht über genügend Kraft, um <strong>de</strong>n Massenprotest zu unterbin<strong>de</strong>n. 176 Die verän<strong>de</strong>rte<br />
Quantität und die neue Qualität <strong>de</strong>r Proteste machten die Grenzen <strong>de</strong>s MfS/AfNS <strong>de</strong>ut-<br />
176 Insofern ist eigentlich schon die Frage falsch formuliert. Vielmehr müßte es heißen, warum hat das MfS<br />
nicht alles in seiner Macht Stehen<strong>de</strong> getan, um die Proteste schon im Keime zu ersticken bzw. zu<br />
zerschlagen?