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Münstergreift beiSchlägern hartdurch USAklagen Syriens ...

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VONANNEKE QUASDORF<br />

Derrote Teppich vordemFestspielhaus<br />

in Bayreuth ist nicht<br />

lang. Lediglich 20 Meter haben<br />

die reichen und schönen<br />

Wagner-Fans zum Schaulaufen<br />

zur Verfügung. Entsprechend<br />

langsam schreitet die<br />

Prominenz – schließlich ist die<br />

persönliche Inszenierung auf<br />

dem Grünen Hügel mindestens<br />

ebenso wichtig wie die<br />

musikalische. Fotografen und<br />

Zaungästen bleibt genug Zeit,<br />

die illustre Schar in Blitzlichtgewitter<br />

und bewunderndem<br />

Applaus zu baden – und dabei<br />

genüsslich nach jeder noch so<br />

kleinen Schwachstelle zu suchen,<br />

seien es Modesünden<br />

oderzusätzliche Pfunde.<br />

Und so kann der Schauschnell<br />

zum Spießrutenlauf<br />

werden. Vor allem eine hat das<br />

immergehasst:DennwannimmerKatharina<br />

Friederike Wagner<br />

über den roten Teppich<br />

schritt, schaute jeder besonders<br />

scharf hin. Und da ist ja<br />

auch viel zu gucken: Über 1,80<br />

Meter groß, mit wallender<br />

blonderMähne undausladendemDekolleté<br />

ist die Hausherrin<br />

unbestreitbar eine Erscheinung.<br />

Schon als Teenager<br />

habe sie das Gegaffe gestört,<br />

offenbarte sie einmal in einem<br />

Interview. „Wissen Sie, wie<br />

das ist, mit 16 zur Festspieleröffnung<br />

auf dem roten Teppich<br />

zu stehen?“<br />

Vielleicht hat die große Abneigung<br />

damit zu tun, dass anschließend<br />

diese Wortspiele<br />

durch die Presse gingen, immer<br />

vielfältig, mitunter kreativ,<br />

meist gemein. „Die Bayreuth-Barbie“<br />

ist eins davon,<br />

„die Bayreuth-Hilton“ in Anspielung<br />

auf Hotel-Erbin Paris,<br />

zuletzt immer wieder gern<br />

„die Walküre“. Der rote Teppich<br />

kann allerdings nichts für<br />

das immense öffentliche Interesse.<br />

Schuld daran ist vor allem das<br />

kleine Wörtchen „von“. Es begleitet<br />

die Nachfahrin des großen<br />

Meisters seit dem Tag ihrer<br />

Geburt und spinnt sie ein in<br />

einen Kokon aus so vielen Rollen,IdentitätenundErwartungen,<br />

dass es unmöglich<br />

scheint, zu sagen, was die Persondarin<br />

ausmacht.<br />

So ist Katharina nun mal zuallererst<br />

Urenkelin von einem<br />

derbedeutendsten Komponisten<br />

Europas. Sie ist aber auch<br />

die Enkelin von Winifred Wagner,<br />

jener Schwiegertochter<br />

des Genies, die mit ihrer glühenden<br />

Begeisterung für den<br />

Nationalsozialismus die BayreutherFestspiele<br />

zur NS-Kultstätte<br />

erniedrigte. Und sie ist<br />

die Tochter von Wolfgang<br />

Wagner, jenem Patriarchen,<br />

dem es von der Nachkriegszeit<br />

bis ins 21. Jahrhundert gelang,<br />

die Traditionsveranstaltung<br />

aus dem braunen Sumpf auf<br />

den Grünen Hügel zurückzuholen<br />

– wenn auch stark lädiert.<br />

Sie ist die Nichte von<br />

Wieland Wagner, dessen Erben<br />

bis heute erbittert und öffentlich<br />

um ihre Geltung im<br />

Festspielhaus kämpfen. Und<br />

sie ist die Tochter von Gudrun<br />

Wagner, jener zweiten Frau<br />

PORTRÄT<br />

Katharina Wagner<br />

DieHerrindesHügels<br />

Hineingeboren in eine der bedeutungsschwersten Dynastien Deutschlands<br />

hätte die Urenkelin Richard Wagners vor ihrem schweren Erbe flüchten<br />

können.Doch Drückebergertum ist nicht so ihr Ding.<br />

» Wichtige Stationen<br />

1996: Die 18-Jährige arbeitet das erste Mal als Regieassistentin<br />

beiden Festspielen mit.<br />

2002:Wagner inszeniertihre erste eigene Oper, „Der fliegendeHolländer“,<br />

am Mainfranken-Theater Würzburg.<br />

2007: Die Regisseurin öffnet erstmals Proben in Bayreuth<br />

für Journalisten.<br />

2008: Wagner initiiert die erste Open-Air-Oper in Bayreuth,<br />

um auch jenen das Erlebnis zu ermöglichen, die<br />

keineKarte bekommen haben.<br />

Samstag/Sonntag, 6./7. August 2011<br />

31. Woche Nr. 181<br />

12876401_800110 18111701_800110<br />

FOTO: DPA<br />

Wolfgangs, die sich mit ihrem<br />

absoluten und rigiden Regiment<br />

auf dem Grünen Hügel<br />

mit dem gesamten Wagner-<br />

Clan verfeindete.<br />

Andererseits ist es genau dieser<br />

Kokon aus Fremdbestimmungen,<br />

der Rückschlüsse<br />

über Katharina Wagner ermöglicht.<br />

Denn wer angesichts<br />

der Erwartungen, die<br />

diese Vorfahren, diese Vergangenheit<br />

und dieses Imperium<br />

mit sich bringen, nicht die<br />

Kurve kratzt, sondern die Offensive<br />

sucht und sich daranmacht,<br />

das Kreuz zu tragen,<br />

der verfügt über Selbstbewusstsein.<br />

Mut. Geltungsbedürfnis.<br />

Und eine gewisse Unerschrockenheit.<br />

Mit dem Studienfach„Theaterwissenschaften“<br />

wählt Wagner nach<br />

dem Abitur nicht nur ihren Beruf,<br />

sondern auch die Maxime<br />

ihres künftigen Lebens: Erwartetwird<br />

vonihralles.Recht machenkann<br />

sie es keinem.<br />

Schlagartig rückt sie noch<br />

stärker in den Fokus der Öffentlichkeit:<br />

Alle warten darauf,<br />

dass die Kronprinzessin<br />

vom Grünen Hügel über ihre<br />

Schleppe stolpert, es wird gehetzt,<br />

wenn Wagner dank ihres<br />

Namens Aufträge erhält,<br />

von denen andere nur träumen<br />

können, und gehöhnt,<br />

wenn der Applaus trotz des<br />

Namens ausbleibt. Vor allem<br />

die Haus-Fans, die ebenso<br />

treuen wie kompromisslosen<br />

Wagnerianer, gewissermaßen<br />

die Ultras der Opernszene,<br />

bauen auf die Erbin, erwarten<br />

sich Loyalität zum Urgroßvater,<br />

die sich, bitte schön, auf<br />

der Bühne zu zeigen hat.<br />

Den Gefallen tut die Erbin ihnen<br />

allerdings nicht. Gleich<br />

ihre erste Inszenierung, Urgroßvaters„FliegenderHolländer“<br />

am Mainfranken-Theater<br />

Würzburg, spickt sie bis oben<br />

hin mit Stilbrüchen und<br />

macht so ein für alle Mal klar:<br />

Das Töchterchen ist vielleicht<br />

in Papas Fußstapfen getreten<br />

– ihre eigenen Abdrücke wird<br />

sie trotzdem hinterlassen.<br />

„Man darf nie überlegen, was<br />

dem Publikum gefallen<br />

könnte“, hat siemal gesagt.<br />

Dieser Strategie ist Katharina<br />

Wagner bis heute treu geblieben.<br />

Nicht zuletzt sie selbst ist<br />

ein einziger Stilbruch: Mögen<br />

die Haare auch lang und<br />

blond sein und der Vorstellung<br />

von einer Isolde, Elsa<br />

oder Brünhilde entsprechen –<br />

spätestens wenn die Kettenraucherin<br />

sich eine Zigarette<br />

zwischen die mit krallenartigen,<br />

künstlichen Fingernägeln<br />

bewehrten Finger klemmt und<br />

ihre tiefe Reibeisenstimme<br />

den Raum erfüllt ist es vorbei<br />

mitderlei Assoziationen.<br />

Vieleihrer Weggefährten werfen<br />

ihr vor, sie sei zu selbstbewusst,<br />

gewöhnt daran, dass<br />

gilt, was sie sagt. Tatsächlich<br />

sucht man Zweifel, Unsicherheit<br />

in ihren öffentlichen Auftritten<br />

vergebens. Vielleicht<br />

darf man beides aber auch<br />

nicht zeigen, als jüngste Festspielleiterin<br />

in der Geschichte<br />

des Wagner-Clans. Mit gerade<br />

mal 30 Jahren entscheidet<br />

sie sich 2008 endgültig für<br />

ein Leben im Gegenwind. Da<br />

ist ihreMutter, der die Rolle eigentlich<br />

zugedacht war, plötzlich<br />

verstorben. Nun muss die<br />

Tochter die ganze Bürde der<br />

Dynastie tragen, Konflikte lösen<br />

und Wogen glätten, an deren<br />

Entstehung sie kaum Anteil<br />

hatte.<br />

Sei es die Annäherung an ihre<br />

über 30 Jahre ältere Halbschwester<br />

Eva Pasquier, mit<br />

der sie sich die Festspiel-Spitze<br />

teilt und mit der sie bis 2008<br />

nicht einmal gesprochen hat.<br />

Sei es die drohende Bestreikung<br />

der aktuellen Spielzeit,<br />

weildieMitarbeiter nachjahrelanger<br />

Ausbeutung durch<br />

WolfgangWagner plötzlich einen<br />

Tarifvertrag forderten. Sei<br />

esder SpagatzwischenModer-<br />

SchwierigeFamilie:KatharinaWagnermitVaterWolfgangund<br />

HalbschwesterEvaWagner-Pasquier(v.l.,hintenDirigentChristianThielemann).<br />

FOTO: DPA<br />

nisierung und dem Bewahren<br />

der Traditionen. Alles unter<br />

den Argusaugen der Öffentlichkeit<br />

und dem Verlust dreier<br />

geliebter Menschen: Nach<br />

dem Tod der Mutter 2007 erleidet<br />

ihr bester Freund, der<br />

Bayreuth-Anwalt Stefan Müller,<br />

2008 einen Herzinfarkt.<br />

2010stirbt der Vater.<br />

Da braucht auch eine Katharina<br />

Wagner ein dickes Fell.<br />

Und das hat sie sich zugelegt:<br />

Mindestens 20 Kilo nahm sie<br />

in den vergangenen drei Jahren<br />

zu. Ob es sich bei den Polstern<br />

um Kummerspeck handelte<br />

oder ob sie mehr Substanz<br />

brauchte, um die Last<br />

der Verantwortung tragen zu<br />

können, weiß nur sie.<br />

Dass diese Phase aber vorüber<br />

ist, bewies sie eindrucksvoll<br />

bei der Eröffnung der diesjährigen<br />

Festspiele vor zwei<br />

Wochen: Fort war die füllige<br />

Hügel-Matrone. Stattdessen<br />

stand da eine gertenschlanke<br />

Frau im raffinierten Kleid, die<br />

Augen g mit schwarz geschminkten<br />

Augen präsentierte<br />

sie sich. Vielleicht eine<br />

späte Aussöhnung mit ihrem<br />

Feind, dem roten Teppich.<br />

Vielleichthat sieaber auch einfach<br />

beschlossen, das Leben<br />

ein bisschen leichter zu nehmen.

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